Gläubig, weiblich - und westlich

Kopftuch gleich Unterdrückung? Deutschlands erste muslimische Frauen-Illustrierte "Imra'ah" kämpft gegen viele Klischees von deutscher wie von muslimischer Seite an und zeigt, dass Musliminnen in ihrem Alltag längst den Islam und eine moderne, westliche Lebensweise miteinander vereinbaren. Von Ali Almakhlafi

Quelle: Imra'ah
Imra'ah-Cover: "Unterdrückte Frauen sehen anders aus", schreibt Ali Almakhlafi.

​​ Solche "Cover Girls" sieht man sonst nicht auf den bunten Titelseiten deutscher Frauenzeitschriften: Eine hübsche muslimische Frau mit tiefblauem Kopfschleier – geschminkt und mit modisch gestylten Haaren, die keck aus dem elegant geschwungenen Tuch hervorlugen und lässig die Stirn herunterfallen.

Die junge Dame trägt ein züchtig hochgeschlossenes, zugleich aber sehr körperbetontes Kleid mit Blumenornamenten. Ihre linke Hand ist forsch gegen die Hüfte gestemmt – eine Pose, die an Laufsteg-Models erinnert. Unterdrückte Frauen sehen anders aus.

Was Männerherzen höher schlagen lässt

Daneben finden sich viele Schlagzeilen, die deutsche Frauen auch aus herkömmlichen Frauen-Illustrierten kennen, in denen sie beim Friseurbesuch blättern – nur etwas kosmopolitischer, nämlich zweisprachig in Englisch und Deutsch: "The Perfect Dinner - Drei Gerichte, die Männerherzen höher schlagen lassen." Oder: "Beauty & Wellness – Wie man mit einem dezenten Make-Up und einem bezaubernden Lächeln seinem Mann den Tag verschönert."

Themen, die vielleicht traditionellen Frauenrechtlerinnen missfallen könnten, aber genauso auch in einschlägigen Blättern wie "Brigitte" oder "Amica" erscheinen und damit nicht unbedingt auf eine kulturelle Andersartigkeit oder mangelnde Integrationsbereitschaft schließen lassen.

"Imra'ah" ist die erste Zeitschrift, die sich gezielt an muslimische Frauen in Deutschland richtet. Der Titel ist arabisch und bedeutet schlicht "Frau". Um die Themen zu verstehen, muss man jedoch deutsch lesen können und auch Kenntnis von den derzeitigen Debatten im Lande besitzen.

Denn Männer verwöhnende Schmink- und Kochtipps nehmen einen geringen Raum in "Imra'ah" ein. Daneben finden sich durchaus gesellschaftspolitische Themen und Schlagzeilen wie "Pro NRW – Contra GG". Selbst manche Deutsche wissen vermutlich nicht auf Anhieb, dass "Pro NRW" eine anti-islamische Bürgerbewegung in Nordrhein-Westfalen ist, und "Contra GG" eine griffige Kurzformel für die Aussage: "Gegen das Grundgesetz". Der dazugehörige Artikel schreibt Pro NRW eine solche gegen die deutsche Verfassung gerichtete Haltung zu und beschreibt, "wie Vorurteile bis in die Politik hineinreichen".

Modernes Frauenbild contra Klischee

Die starke Frau hinter "Imra'ah" ist weder Araberin noch Türkin, sondern eine zum Islam konvertierte gebürtige Deutsche: Sandra Adeoye, Kind einer deutschen Mutter und eines nigerianischen Vaters, hatte die Idee zu einem Special-Interest-Magazin für muslimische Frauen schon während ihres Studiums.

Foto: Sandra Adoye
"Meiner Meinung nach werden zu viele Klischees und Vorurteile über die muslimische Frau verbreitet", sagt Sandra Adoye, Herausgeberin von Imra'ah.

​​ Die erste Ausgabe erschien vor einigen Wochen – kurz bevor der deutsche Bundespräsident Christian Wulff mit seiner Aussage, der Islam sei ein Teil dieses Landes, eine Diskussion in Politik und Medien über die Integrationsbereitschaft der rund vier Millionen Muslime erneut entfachte.

Diese Diskussion kommt in Deutschland immer wieder auf und betrifft meist auch die Rolle der muslimischen Frau, die von vielen Deutschen als rückschrittlich empfunden oder mit Unterdrückung und Zwangsheirat assoziiert wird.

Sandra Adeoye will dem ein anderes Bild der muslimischen Frau entgegensetzen, vor allem ein moderneres: "Dieser Gedanke beschäftigt mich wegen der medialen Darstellung des Islam in Deutschland", sagt sie. "Meiner Meinung nach werden zu viele Klischees und Vorurteile über die muslimische Frau verbreitet."

Mit einem kleinen Team von ehrenamtlichen Journalistinnen schreibt sie nun dagegen an. Das moderne Design der Illustrierten lässt dabei die Handschrift der Chefin erkennen: Sandra Adeoye entwirft die Grafiken und Farbmuster der Zeitschrift allesamt selbst.

Das peppige Layout soll optisch die inhaltlichen Botschaften von "Imra'ah" unterstreichen. Die Illustrierte soll vor allem der "muslimischen, weiblichen Welt in Deutschland eine Stimme geben", erklärt die "Imra'ah"-Chefin. "Und wir wollen der Gesellschaft zeigen, dass vieles, was noch immer in den meisten Köpfen in Bezug auf Frauen im Islam vor sich geht, nicht mehr der heutigen Realität entspricht."

Gläubig, weiblich – und westlich

Dabei kämpft "Imra'ah" nicht nur gegen Vorurteile von deutscher Seite an, sondern auch gegen ein konservatives Frauenverständnis unter Muslimen. "Während in den meisten Islam-Büchern und in ausländischen Zeitschriften alles noch sehr konservativ behandelt wird, wollen wir uns genau davon abgrenzen und gezielt Frauen einbeziehen, die sowohl gläubig als auch westlich sind", erklärt Adeoye.

So sei zum Beispiel das Thema Sexualität keineswegs tabu, betont die Chefin, während ihre Redakteurin Susanne Queck noch einen anderen Aspekt hervorhebt: "Die Muslima als arbeitende Frau – das ist doch heute längst ein Teil der Realität!" "Imra'ah" porträtiert deshalb auch muslimische Frauen, die beruflich Karriere gemacht haben. "Damit wollen wir Frauen, die gar nicht wissen, was sie später machen können, oder die überlegen, ins Berufsleben zurückzukehren, eine Inspiration geben", so Queck.

Wie jedes professionelles Medium hat "Imra'ah" seine Zielgruppe klar definiert: deutschsprachige Frauen muslimischen Glaubens im Alter zwischen 18 und 45 Jahren. "Allerdings zeigt sich immer deutlicher, dass sich auch nicht-muslimische Frauen und sogar Männer für die Zeitschrift interessieren", sagt die Chefredakteurin.

Auch diesen Leserkreisen möchte sie etwas anbieten und träumt bereits von einer höheren Auflage. Die erste Ausgabe wurde im Selbstverlag und in einer Stückzahl von 2500 Exemplaren gedruckt und war ausschließlich über den Online-Handel zu bestellen. In Zukunft soll "Imra'ah" auch an Kiosken ausliegen.

Integration bereits in der Küche

Muslimische Frauen, die in Deutschland geboren und aufgewachsen sind, fühlten sich oft mehr als Deutsche denn als Türkinnen oder Araberinnen - davon sind die Magazin-Macherinnen überzeugt. Und sie argumentieren keck: Integration fange bereits in der Küche an. "Man muss doch als Muslima nicht immer nur arabisch oder türkisch essen", erklärt Susanne Queck zur Begründung einer der populärsten Rubriken von "Imra'ah": Deutsche und europäische Kochrezepte, die nicht nur lecker, sondern auch mit den traditionellen islamischen Speisevorschriften vereinbar sind.

Die erste Ausgabe von "Imra'ah" hat neben vielen positiven Reaktionen aus der muslimischen Community aber auch Kritik provoziert. Einige Leserinnen - und nicht zuletzt Leser - bemängelten, dass "Imra'ah" den Musliminnen in Deutschland ein zu stark westlich geprägtes Frauenbild vermittele.

Sandra Adeoye sieht diesen Vorwurf sehr gelassen. "Wir wollen doch nur den tatsächlichen Lebensfacetten der muslimischen Frau in ihrer Gesellschaft gerecht werden." Gläubig und westlich eben.

Ali Almakhlafi

© Deutsche Welle 2010

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de

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