Die Hölle brennt - Moria und seine Geschichte Das Flüchtlingslager Moria auf der griechischen Insel Lesbos ist niedergebrannt. Die Lage ist ernst. Doch schon vor dem Brand war die Situation in dem völlig überfüllten größten Flüchtlingslager Europas dramatisch. Von Marco Müller Auf der Straße gelandet: Die Bewohner des völlig überfüllten Flüchtlingslagers konnten sich retten, offenbar soll es weder Tote noch Verletzte gegeben haben. Nach Angaben griechischer Medien sind viele Menschen auf Hügel und in Wälder in der Nähe des Lagers geflohen. Laut Berichten von Helfern irren Tausende Menschen durch die Straßen, es gebe kein Essen oder Wasser, die Zustände seien chaotisch. Lebensfeindlich: Ausgelegt war Moria für 2.800 Menschen. Zum Zeitpunkt der Brände lebten dort allerdings rund 12.600 Geflüchtete. Die Lebensbedingungen in dem Flüchtlingslager galten schon vor dem Brand als katastrophal. Wenn man sich dieses Foto nach dem Brand anschaut, wird schnell klar, dass dort in naher Zukunft wohl gar kein menschenwürdiges Leben mehr möglich sein wird. Nahe an der Türkei: Das Flüchtlingslager Moria befindet sich im Osten der griechischen Insel Lesbos. Bis zur türkischen Küste beträgt die Entfernung rund 15 Kilometer. Lesbos ist die drittgrößte Insel Griechenlands und hat rund 90.000 Einwohner. Rund 38.000 Menschen leben in der Inselhauptstadt Mytilini, die nur wenige Kilometer von Moria entfernt ist. Das verpixelte Lager: Wer sich das Flüchtlingslager Moria bei Google Maps aus der Luft ansehen möchte, hat Pech. Das gesamte Lager ist unkenntlich gemacht. Auf Anfrage der Deutschen Welle gab es nur die allgemeine Auskunft "Google selbst verpixelt Satellitenbilder nicht". Stattdessen wird auf Drittanbieter verwiesen, die die Satellitenbilder erstellen. Warum das Lager verpixelt wurde, ist unklar. Das unverpixelte Lager: Diese Luftaufnahme - wir haben einen ähnlichen Ausschnitt gewählt - zeigt, dass das Lager sich erheblich ausgedehnt hat. Während auf dem Satellitenfoto von Google Maps das Haus mit den roten Dach noch komplett frei stand, scheint es hier vom Lager nach und nach vereinnahmt zu werden. Der Blick in die Vergangenheit: Die "Street View"-Aufnahmen der Gegend wurden bereits im Dezember 2011 erstellt. Damals gab es das Flüchtlingslager noch nicht. Stattdessen befand sich dort eine alte Militäranlage. Erst ab Oktober 2015 wurden auf dem Gelände Asylsuchende registriert, bevor sie auf das griechische Festland gebracht wurden. Früher kurz - heute lang: Während damals die Migranten nur kurz blieben - dieses Foto stammt aus dem Oktober 2015 -, verlängerte sich die Verweildauer mit dem EU-Türkei-Abkommen vom März 2016 deutlich. Seitdem warten die Asylsuchenden hier darauf, auf andere EU-Staaten verteilt - oder abgeschoben zu werden. Warten, warten... und warten: Durch das EU-Türkei-Abkommen dürfen die Migranten nicht mehr auf das griechische Festland gebracht werden. Dann nämlich würde die Türkei sie nicht mehr zurücknehmen. Da sich die EU-Länder uneins sind, welches Land wie viele Migranten aufnimmt, bleiben sie mitunter lange in dem Lager. Viele Nationalitäten unter schlechten Bedingungen auf engem Raum - kein Wunder, dass es da zu Spannungen kommt. Wenn Spannungen sich entladen: Die Spannungen entluden sich bereits im September 2016 in gewalttätigen Auseinandersetzungen, bei denen auch Feuer gelegt wurde. Damals befanden sich "nur" rund 3000 Migranten in dem Lager. Große Teile des Lagers wurden zerstört. Nur einen Monat später setzten mehrere hundert Migranten aus Protest gegen die lange Bearbeitungszeit im Lager Container der EU-Asylbehörde in Brand. Feuer - und Tote Im September 2019 gab es einen weiteren großen Brand. Damals fing zunächst ein Olivenhain Feuer, auf den sich das Lager mittlerweile ausgedehnt hatte. 20 Minuten später brach ein weiterer Brand innerhalb des befestigten Lagers aus. Dieses Feuer forderte zwei Menschenleben: eine Frau und ihr Baby. Zu der Zeit hielten sich bereits über 12.000 Menschen in dem Flüchtlingslager auf. Besuch abgebrochen: Im August dieses Jahres besuchte Armin Laschet, Ministerpräsident von Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland Nordrhein-Westfalen, Moria. Eigentlich wollte er auch den sogenannten wilden Teil außerhalb des befestigten Lagers besuchen. Das wurde aus Sicherheitsgründen kurzfristig gestrichen. Zuvor hatte sich die Stimmung aufgeheizt und es hatte "Free Moria" Sprechchöre gegeben. Und jetzt? Ein völlig überfülltes Lager, grausige hygienische und medizinische Bedingungen, ethnische Spannungen - und dann gab es vor kurzem noch die ersten Corona-Fälle. Eine katastrophale Situation. Und das war vor dem Brand. Droht nun die Apokalypse oder ist es vielleicht doch der Startpunkt zu einer neuen menschenwürdigeren Unterbringung? Bislang kann - oder will - niemand diese Frage beantworten.