Die verschiedenen Gesichter Libyens Unsere aktuelle Bildergalerie beleuchtet schlaglichtartig die Vielfalt der ethnischen und tribalen Zusammenhänge in Libyen. Eindrücke von Valerie Stocker Mursug, Südlibyen: Die Tebu sind ein über drei Staaten verteiltes Volk, welches ursprünglich aus dem Tibesti-Gebirge im Nordosten des Tschads stammt. In Libyen sind sie eine Minderheit, doch im Süden des Landes herrschen sie gemeinsam mit den Tuareg über die Wüste. Bis ins 20. Jahrhundert lebten die Tebu als Nomaden vorwiegend von der Viehzucht. Im heutigen Libyen bringt sie ihr Kampf um Gleichberechtigung und Einfluss in Konflikt mit benachbarten arabischen Stämmen. Mursug, Südlibyen: Unter Gaddafi wurden die Tebu unterdrückt und hatten nur bedingt Zugang zu Ausbildung und Arbeitsmarkt. Vielen in Libyen geborenen Kindern ist zudem die Staatsbürgerschaft verwehrt worden. Im Aufstand 2011 haben die Tebu-Kämpfer große Teile Südlibyens vom Griff des Regimes befreit. Das erste Tebu-Volksfest in Libyen im April 2013 sollte eine bessere Zukunft einläuten. Die gesellschaftliche Ausgrenzung besteht jedoch fort. Ubari, Südlibyen: In Ubari leben Araber, Tuareg und Tebu eng zusammen. Der einstige Karawanenort ist heutzutage bekannt als Umschlagsplatz für Schmuggelware und Durchgangsort für Migranten aus den südlichen Nachbarstaaten. Zudem machen sich seit einiger Zeit radikale Islamisten bemerkbar. Die gesellschaftlichen Spannungen und den Druck der Milizen bekommt auch die Zivilgesellschaft zu spüren. Nafussa-Gebirge, Westlibyen: Obwohl die Imazighen (Berber) im modernen Libyen eine Minderheit bilden ist ihre Kultur hier tief verankert. Den ursprünglichen Bewohnern Nordafrikas war es unter Gaddafi untersagt, in der Öffentlichkeit ihre Sprache, das Tamazight, zu sprechen und ihre Stellung als Minderheit hervorzuheben. Das hier abgebildete Siegerdenkmal erinnert an die wichtige Rolle, die Rebellen aus dem Nafussa-Gebirge in der Revolution spielten. Die Flagge ist Symbol ihres Kampfes für mehr Anerkennung. Ghadames, Westlibyen: Die Oasenstadt Ghadames, mit ihrer aus Lehm gebauten und weiß-getünchten labyrinthischen Altstadt, ist der ganze Stolz ihrer Bewohner. Trotz der Mischung aus Imazighen und Arabern pflegen sie eine starke lokale Identität. Früher war Ghadames ein Freilichtmuseum für Wüsten-Touristen, doch aufgrund seiner Lage am Dreiländereck mit Tunesien und Algerien gilt es nun als gefährlicher Grenzort. In der Nähe von Al-Zahra, Westlibyen: "Von Gott gekommen kehren wir zu Gott zurück. Araber, Imazighen, Tebu, wir sind alle Brüder". Stammesältere spielen in der libyschen Gesellschaft eine wichtige Rolle, denn sie können Streit unter den Stämmen schlichten und Friedensverträge aushandeln. Doch immer öfter kommt ihr Eingreifen zu spät, wie hier am Schauplatz eines von Raketen getroffenen Wohnhauses im Gebiet des Warshefana Stammes am Rande von Tripolis. Flüchtlingscamp bei Tripolis: Brotbacken nach traditioneller Art in einer sogenannten "Tanura". Doch sind die Frauen nicht auf dem Dorf, sondern in einer verlassenen Militärakademie am Rande der Hauptstadt. Die Tawargha sind in der Revolution 2011 aus ihrem Heimatort vertrieben worden, weiterhin werden rund 30.000 Menschen an der Rückkehr gehindert. Im Nachbarort Misrata sind die Schrecken des Krieges, in dem viele Tawargha auf der Seite des Gaddafi-Regimes gekämpft haben, noch lange nicht vergessen. In der Nähe von Ghat, Südwestlibyen: Fremd und doch Teil der Nation. Von derselben Abstammung wie die Imazighen führen die Tuareg ein vergleichsweise abgeschiedenes Leben im „Fesan“, dem Südwesten Libyens. Aufgrund ihres ehemals nomadischen Lebenswandels und ihren Familienbanden jenseits der algerischen Grenze bis hin nach Westafrika werden die Tuareg mit Misstrauen betrachtet, zumal Gaddafi seinerzeit ihre Loyalität zur Festigung seines Regimes ausnutzte. Tobruk, Ostlibyen: "Föderalisten sind wir alle" heißt es in diesem Café in Tobruk. In dem stark tribal geprägten Ort unweit der ägyptischen Grenze wünschen sich die Leute mehr Selbstbestimmung für die Ostregion "Cyrenaika". Im Ausland ist Tobruk vor allem als Schauplatz des 2. Weltkrieges bekannt und beherbergt ein Kriegerdenkmal für gefallene deutsche Soldaten. Im Unterschied zu damals gilt Tobruk heute als friedlich – ein Grund dafür, dass das libysche Parlament dort vorübergehend seinen Sitz hat. Tripolis: "Es lebe Libyens nationale Einheit – weder Ost noch West..." – dieser Ruf verhallt, während divergierende politische Kräfte sämtlicher Couleur im Land einwirken. Welches Libyen diese Kinder erben werden, hängt auch davon ab, welchen Ausgang der gegenwärtige Machtkampf nehmen wird. Tripolis: Ein Moment der Lebensfreude bei den Feierlichkeiten zum 17. Februar 2014 dem 3. Jahrestag der Revolution. Trotz der gravierenden ökonomischen und politischen Probleme des Landes beeindruckt die große Gastfreundschaft seiner Bewohner, die Aufgeschlossenheit und Neugierde der Jugend sowie die kleinen Freuden des Alltags, wie der mit Sorgfalt zubereitete italienische Kaffee.