Im "Dschungel" von Calais Die Nervosität steigt im Flüchtlingscamp von Calais. Die französische Regierung will eine Pufferzone zwischen dem Lager und dem Eurotunnel errichten, der nach England führt. Die Flüchtlinge wehren sich. Vor der Zwangsräumung: Freiwillige helfen den Flüchtlingen, ihre Unterkünfte zu transportieren. Zuvor hatten die Behörden die Migranten aufgefordert, Platz für die Pufferzone zu schaffen. Die soll den Weg zum Eurotunnel versperren, durch den viele Flüchtlinge nach England gelangen wollen. "Wir unterstützen sie, ihre Würde zu bewahren", erklärt ein freiwilliger Helfer sein Motiv. Meer und Möglichkeiten: Zelte vor der Trasse zum Eurotunnel. Dort versuchen immer wieder Flüchtlinge auf Fahrzeuge zu springen, um auf diese Weise nach Großbritannien zu gelangen. Mit massivem Aufgebot versucht die Polizei, diese Versuche zu verhindern. Der junge Syrer Mohammed Schakh erläutert die Präferenzen: Plan A ist ein Lastwagen nach England. Plan B der Zug. Und Plan C ein Boot. Eilige Rettungsaktion: Die Pufferzone wurde vor Kurzem eingerichtet. Wann die dort verbliebenen Unterkünfte endgültig geräumt werden, ist ungewiss. Für die Flüchtlinge heißt es indes umziehen: Über hundert ihrer illegalen Unterkünfte haben die Flüchtlinge schon gemeinsam mit freiwilligen Helfern verlegt. 40 neue, nicht offizielle haben sie inzwischen errichtet. Neuer Platz für neue Zelte: Unterstützer vom Verein "Care4Calais" befreien das Ausweichareal von Gestrüpp und Müll. Auf diese Weise entsteht Raum für neue Unterkünfte. "Als ich in Afghanistan lebte, begegnete ich großer Gastfreundschaft. Davon will ich einen Teil zurückgeben", sagt Ruth Boggiuth, eine der freiwilligen Helferinnen, ihre Motivation. Warten auf Tag X: Zwischen 1.500 und 4.500 Bewohner der Zeltstadt sind von der Umsiedelung betroffen. Einige warten zunächst ab. "Ich werde meine Unterkunft nicht abbauen und woanders wieder aufbauen", sagt Saifullah Barat. Der Afghane lebt seit vier Monaten im "Dschungel von Calais". "Wenn die Polizei etwas machen will, soll sie es tun. Ich werde ihnen jedenfalls nicht im Weg stehen." Fingerabdruck? Nein danke!: Die Behörden lassen in der Nähe von Calais ebenfalls ein neues Camp errichten. In dem Containerdorf sollen rund 2.000 Menschen unterkommen. Viele Flüchtlinge weigern sich allerdings dort in die festen Behausungen einzuziehen, da sie zuvor Fingerabdrücke abgeben müssten. Damit, so ihre Furcht, könnten sie gezwungen sein, auf Dauer in Frankreich zu leben und nicht in Großbritannien, ihrem Wunschziel. Frankreich, ein Gefängnis?: "Wir sehen, wie die Franzosen uns behandeln", sagt der Syrer Mohammed Schakh. "Die Behörden halten uns für blöd und glauben, wir seien bereit, uns Fingerabdrucke machen zu lassen. Hier ist es wie in einem Gefängnis. Sie werden uns nicht mehr herauslassen, wenn wir einmal drin sind. Ich möchte niemals in diesem Land leben." Zunehmende Gewalt: Der Räumungsbescheid und die erhöhte Polizeipräsenz haben dafür gesorgt, dass die Gewalt im "Dschungel von Calais" zunimmt - das berichtet die Organisation "Ärzte ohne Grenzen". Verletzungen, die aus Streitigkeiten der Campinsassen untereinander sowie Zusammenstößen mit der Polizei resultieren, sind inzwischen ein immer häufigerer Grund für die Einsätze der medizinischen Helfer. Neue Camps an anderen Orten: "Die Bewohner gehen davon aus, dass Frankreich das Lager langsam verkleinern will", sagt Maud Le Quintrec von "Ärzte ohne Grenzen". "Darum errichten die Flüchtlinge anderswo neue illegale Camps. 120 "Dschungel"-Bewohner seien sogar nach Belgien gezogen, um dort unterzukommen. Doch damit, so Le Quintrec, würde sich das Problem nur verlagern.