Kirgistan – zwischen Marx und Markt Im Osten China, im Norden Russland, im Süden Afghanistan: In dieser geopolitischen Umgebung sucht das seit 1991 unabhängige Land seinen Weg - und tut sich schwer damit. Von Marcel Fürstenau Natur pur: Kirgistan wird oft als die Schweiz Zentralasiens bezeichnet. Klingt wie ein Klischee, ist aber zutreffend: Aus der Vogelperspektive sieht das Land aus wie ein endloses Gebirge mit schneebedeckten Gipfeln. Steppen und Wiesen prägen die flacheren Regionen, Flüsse und Bergseen verleihen der oft herben Natur einen lieblichen Charme. Mehr Moscheen als Kirchen: Rund 80 Prozent der Bevölkerung sind muslimisch, Christen gelten als größte religiöse Minderheit in Kirgistan. In der Hauptstadt Bischkek leben etwa eine Million Menschen, für die es viele neue Gebetsräume gibt. Sie entstehen oft zwischen sozialistischen Plattenbauten und neuen Häusern. Halbfertige Gebäude und Kräne sind überall zu sehen. Burana-Turm: Das Bauwerk aus dem 11. Jahrhundert gehört zum UNESCO Welterbe. Nach einem Erdbeben ist die Spitze abgebrochen, übrig gebliebenen sind etwa 20 Meter. Eine sehr schmale Wendeltreppe führt nach oben. Der Ausblick von dort ist spektakulär. Beliebt ist der Burana-Turm bei Touristen ebenso wie bei Kirgisen. Brautpaare machen gerne einen Abstecher dorthin. Weißes Haus in Bischkek: Das heutige Parlamentsgebäude wurde Mitte der 1980er Jahre im neoklassizistischen Stil als Parteizentrale für die Kommunistische Partei im Zentrum der Hauptstadt Bischkek errichtet. Nach der Unabhängigkeit war es immer wieder Schauplatz von Demonstrationen und Umstürzen – zuletzt im Oktober 2020 nach der anschließend für ungültig erklärten Parlamentswahl. Osch-Basar: Der größte Markt in Bischkek hat alles zu bieten, was zu einem Basar gehört: Obst, Gemüse und Gewürze in allen erdenklichen Farben oder getrockneten Käse (im Vordergrund). Das Fleisch stammt von Kühen. Schafen und Pferden. T-Shirts, Hosen, Schuhe, Ledertaschen, Tassen, Teller, Radio, Staubsauger – all das und vieles mehr wird vor allem aus China importiert. Mobiler Kiosk: Luftballons, Spielzeugautos aus Plastik, Limonade und Schokoriegel – mit dem Verkauf solcher Dinge versuchen viele Menschen in Kirgistan wirtschaftlich über die Runden zu kommen. Weil es im eigenen Land nur wenig Industrie und Jobs gibt, zieht es Schätzungen zufolge weit über eine Million Kirgisen als Arbeitsmigranten ins Ausland. Lenin ist überall: In den meisten postsozialistischen Ländern wurden Statuen des russischen Revolutionärs Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924) nach dem Sturz der kommunistischen Diktaturen vom Sockel geholt. In Kirgistan hingegen musste er zwar von einem großen Platz im Zentrums Bischkeks weichen, fand aber in der Nähe ein neues Plätzchen. Und in Öl kann man Lenin auf einem Bildermarkt kaufen... Marx und Engels: Für Besucher aus Deutschland ist die Begegnung mit diesen beiden Herren sicherlich besonders überraschend: Die Urväter des Kommunismus, Karl Marx (l.) und Friedrich Engels, mitten in Bischkek. Die alten Revolutionäre lässig sitzend im Gespräch – wo findet man das im 21. Jahrhunderts schon? In Kirgistan haben sie ein schönes Plätzchen in einem kleinen Park. Aus Bergtal wurde Rot-Front: Der pensionierte deutsche Lehrer Wilhelm Lategahn hat in dem kleinen Dorf Rot-Front ein Privatmuseum über die Geschichte deutschstämmiger Siedler in Kirgistan eingerichtet. Ursprünglich hieß der der 1927 von Mennoniten gegründete Ort Bergtal. Draußen gibt es neben einem Panorama-Blick auf die Berglandschaft auch ein Plumpsklo...