Pandschschir: Die Heimat der “fünf Löwen” Der Name “Pandschschir” ruft bei Afghanen Assoziationen vom Widerstandskampf der Tadschiken gegen die Sowjets im Krieg der 1980er Jahre hervor. Doch der besondere Reiz der Provinz liegt in ihrer Landschaft. Von Marian Brehmer Das Pandschschir (“fünf Löwen”) ist ein etwa 150 Kilometer nördlich von Kabul gelegenes Gebirgstal, das für seine landschaftliche Schönheit und seine stolzen Einwohner berühmt ist. Der Name der Region erinnert an eine Legende von fünf Brüdern, die im 10. Jahrhundert bei einer Flut die Wasser des großen Flusses aufgehalten haben sollen, der von West nach Ost einmal quer durch das Tal fließt. Heute führt eine neu gebaute Straße ins Pandschschir. Statt der legendären fünf Brüder ist heute nur noch einer als “Löwe von Pandschschir” bekannt – Guerilla-Kommandeur Schah Massoud, Anführer des Widerstandskampfs der afghanischen Tadschiken gegen die Sowjets im Krieg der 1980er Jahre. Das Mausoleum des Nationalhelden, das sich auf einem Hügel mit Blick auf das Tal befindet, ist bis ein überregionales Ausflugsziel. Schah Massoud, der manchmal mit Che Guevara verglichen wird, kam 2001 nur zwei Tage vor 9/11 bei einem Anschlag der Al-Kaida ums Leben. Bis heute sind ein Großteil der Afghanen in ihrer Verehrung für Massoud als Galionsfigur des afghanischen Widerstands vereint. Jedes Jahr zu Massouds Todestag pilgern Tausende an sein Grab, um dessen Erbe zu feiern. Massouds Konterfei begegnet dem Besucher nicht nur im Pandschschir-Tal – wie auf diesem Baukran – sondern auch in den Straßen afghanischer Großstädte. Gefeiert werden dabei auch die in der afghanischen Kultur hochgeschätzten Werte wie Tapferkeit, Ehre und Unbestechlichkeit, für die Massoud in den Augen vieler stand. Wie viele Orten des Landes ist auch das Pandschschir-Tal übersät mit Hinterlassenschaften der langen Kriegsjahre, so wie diesem sowjetischen Panzer, der in ein Kunstobjekt verwandelt wurde. Durch seine isolierte Lage und seinen Charakter als Bastion des kriegerischen Widerstands gehört das Pandschschir zu den wenigen Regionen Afghanistans, die nie von den Taliban regiert wurden. Auf ihre Unabhängigkeit und Widerstandskraft sind viele Pandschschiris bis heute stolz. In diesem Teehaus bei Bazarak, in dem sich Männer am warmen Holzofen zum Austausch treffen, wird über die wirtschaftlichen Verhältnisse geklagt – obgleich die 350 000 Bewohner der Provinz nach Erhebungen der Organisation “Asia Foundation” wesentlich zufriedener mit ihren Lebensverhältnissen sind als Afghanen anderer Regionen. Ein großer Teil der jungen Pandschschiris geht zum Studium oder wegen der Arbeit nach Kabul oder im Ausland. Neben traditionellen Jobs wie dem Fleischerberuf gibt es im Pandschschir-Tal Arbeit im Rohstoffsektor, denn die Gegend ist bekannt für ihre zahlreichen Edelsteinminen, darunter allein 172 Emerald-Minen. Während die Ersatzbatterie auf dem Fenstersims des Teehauses an die Infrastrukturprobleme der Gegenwart erinnert, wird auf Postern das Heldentun der Vergangenheit heraufbeschworen, wie hier mit einem Zitat von Schah Massoud: “Wir kämpfen für die Freiheit – Für mich ist das Leben unter dem Schirm der Sklaverei die niedrigste Art zu leben.” Manche der abgelegeneren Dörfer des Pandschschir sind im Winter monatelang von der Außenwelt abgeschnitten. Immer mehr Kabulis, die vor Luftverschmutzung und der Übervölkerung ihrer Stadt fliehen, kommen zu Wochenendausflügen ins Tal. Die Provinz ist eine der wenigen sicheren Regionen, die sich für den Inlandstourismus eignen. Auch im Pandschschir bleibt die Wasserversorgung eine Herausforderung der Bevölkerung. Dieser Junge füllt Trink- und Waschwasser für seine Familie in alte Motorölkanister. An vielen Stellen ist das Tal so eng, dass sich die Häuser an die Berghänge schmiegen, wie hier in der Kleinstadt Khenj. Auch wenn in Flussnähe inzwischen wohlhabende Stadtbewohner ihre Villen errichtet haben, überwiegt in den Dörfern die traditionelle Lehmhausarchitektur.