Suche und Rettung in einem Meer von Flüchtlingen
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Gemeinsam mit der "Phoenix" und der "Argos" gehört die "Dignity 1" zur Rettungsflotte, die seit diesem Jahr von der Organisation "Ärzte ohne Grenzen" im Mittelmeer betrieben wird. Dieses fünfzig Meter lange Schiff hat allein über 5.000 Menschen aus dem Meer an Bord genommen. Mit den drei Schiffen wurden insgesamt 17.000 Menschen gerettet. Sie operieren in einem Gebiet, das rund dreißig Seemeilen vor der libyschen Küste liegt. -
Die Überfahrt an Bord eines dieser Boote kostet jeden Flüchtling durchschnittlich etwa 500 Euro. Obwohl sie sehr fragil erscheinen, sind sie doch viel zuverlässiger als die meisten anderen Schiffe der Schmuggler. "Boote wie diese bleiben immer über Wasser, doch größere Boote kentern oft und sinken mitsamt den Menschen, die im Laderaum eingeschlossen sind", erklärt der zweite Offizier der "Dignity 1", David Prados. -
Die meisten der Flüchtlinge an Bord der "Dignity 1" erklärten, Schmuggler in Libyen hätten ihnen erzählt, sie würden "mit einem großen Schiff" gerettet und nach Italien überführt. Das UNHCR berichtete kürzlich, in diesem Jahr hätten bereits über 300.000 Flüchtlinge und Migranten die gefährliche Seeroute über das Mittelmeer genommen. -
Etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Passagiere, die von den "Ärzten ohne Grenzen" gerettet werden, sind Frauen und Kinder. Einige Frauen sind schwanger oder haben kleine Kinder. Daher sind sie, wenn sie an Bord gelangen, meist viel erschöpfter als die Männer. Viele von ihnen benötigen besondere medizinische Zuwendung. -
Im Gegensatz zu denen, die die Route über die Balkan-Halbinsel nehmen, ist die überwiegende Mehrheit der vor der libyschen Küste geretteten Flüchtlinge schwarzafrikanischen Ursprungs. Vor allem Libyen hat sich zu einer großen Drehscheibe für diese Migranten auf ihrem Weg nach Europa entwickelt, wenn auch viele von ihnen dort schlecht behandelt oder gar getötet werden. -
Abein Jabi, ein senegalesischer Flüchtling, erzählt: "Nachdem sie mich in Libyen festgenommen haben, gaben mir die Wachen ein Mobiltelefon. Ich sollte meine Familie anrufen und ihnen sagen, wenn sie kein Lösegeld zahlten, würden sie mich töten. Schließlich kam ich frei. Doch diejenigen, die nicht zahlen können, werden als Sklaven zur Arbeit auf Baustellen verkauft." -
Der Alptraum ist vorbei: Viele der weiblichen Flüchtling berichten, sie seien in den berüchtigten libyschen Gefangenenlagern sexuell missbraucht worden. Zusätzlich zur medizinischen und psychologischen Versorgung bietet die Crew von "Ärzte ohne Grenzen" an Bord auch AIDS-Tests an. Das Organisationsmitglied Laura Pasquero berichtet: "Die meisten Flüchtlinge sind traumatisiert, und diejenigen, die sich trauen zu sprechen, erzählen meist entsetzliche Geschichten." -
Schlaflosigkeit: Evelyn, auf der Flucht aus Nigeria, erzählt: "In den Außenbezirken von Tripolis wurde ich von fünf Männern mit der Waffe bedroht. Sie wollten mich vergewaltigen, aber ich hatte meine Periode. Daraufhin wurden sie sehr wütend und haben mich geschlagen, bis ich bewusstlos wurde. Mein Mann hat für meine Überfahrt bezahlt, also warte ich in Italien auf ihn." -
Europa volle Kraft voraus: Da die "Dignity 1" ein relativ kleines und langsames Schiff ist, bleibt sie normalerweise in der so genannten "Rettungszone" vor der libyschen Küste in Wartestellung, wo sie Flüchtlinge aufnimmt und an ein größeres Schiff weitergibt, das sie nach Italien bringt. Meist gehen die Menschen dann in Sizilien oder im nahe gelegenen Hafen von Reggio Calabria an Land. -
Hohe Erwartungen: Die meisten Flüchtlinge kümmern sich nicht darum, was sie erwartet, wenn sie an Land gehen. Diese Gruppe wird nach Norditalien gebracht, wo man sich einen Monat lang um sie kümmert. Danach werden viele von ihnen versuchen, dort Arbeit zu finden und Geld nach Hause zu schicken. Aber die Chancen, Arbeit zu finden, sind eher gering, weshalb viele Flüchtlinge für ihren Lebensunterhalt wohl betteln müssen.
https://qantara.de.//node/33522
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