Timbuktu-Manuskripte: Erhaltung für die Ewigkeit Als Islamisten im Jahr 2012 den Norden Malis eroberten, drohte tausenden historischen Schriften die Zerstörung. Doch die Malier kennen den Wert ihres kulturellen Erbes - und organisierten dessen Rettung. Von Philipp Breu Historische Schätze: Die Manuskripte von Timbuktu haben einen unschätzbaren historischen Wert: Sie enthalten die Ergebnisse von hunderten Jahren islamischer Forschung. Damals war Timbuktu noch das afrikanische Zentrum für islamische Wissenschaften und Korankunde. Schmuggelware in Blechkisten: Als Islamisten im Jahr 2012 begannen, historische Stätten in Nordmali zu zerstören, schmuggelten engagierte Malier hunderttausende Manuskripte aus Timbuktu in die Hauptstadt Bamako. Dort lagern sie nun in einem Apartmentgebäude, unsortiert in Metallkisten, und warten darauf, digitalisiert und konserviert zu werden. Der Schriften-Retter: Abdel Kader Haidara hat die Rettungsaktion geleitet. Der Besitzer einer Familienbibliothek kümmerte sich nicht nur darum, seine eigenen Manuskripte zu retten, sondern alle, die in Timbuktu von der Zerstörungswut der Islamisten bedroht waren. Eine digitale Bibliothek entsteht: In einem Archiv in Bamako werden die Manuskripte nun digitalisiert. Dazu wird jede einzelne Seite unter eine Kamera gelegt, abfotografiert, kontrolliert und dann in einem zentralen Archiv katalogisiert. Der Internetriese Google hat bereits Interesse an den Manuskripten bekundet. Das Wissen für alle verfügbar machen: Die Digitalisierung hat zwei Ziele: Die Texte sollen der Nachwelt erhalten bleiben, falls die Originale die schwüle Hitze in Bamako nicht überstehen sollten. Und sie sollen für die Allgemeinheit verfügbar gemacht werden. Vor dem Konflikt und der Rettung der Manuskripte gab es keine Pläne, alle Dokumente zu digitalisieren. Kartons nach Maß: Nach der Digitalisierung werden die Manuskripte in säurefreie Kartons eingepackt, in denen sie dauerhaft gelagert werden können. Da jede Schrift ein eigenes Format hat, müssen die Kartons für die Manuskripte einzeln in Handarbeit hergestellt werden. Die Regale bleiben leer: Kein Buch steht mehr in der Mamma-Haidara-Gedächtnis-Bibliothek in Timbuktu. Ob die Bibliothek jemals wieder Dokumente beherbergen wird, ist unsicher. Viele sind der Meinung, die Handschriften seien in Bamako sicherer. Andere sehen den Status Timbuktus als Kulturzentrum ohne die Manuskripte gefährdet. Verwaiste Bibliotheken: Das Ahmed-Baba-Institut wurde mit Geldern der Aga-Khan-Stiftung und mit Mitteln aus Südafrika und Saudi-Arabien gebaut. Es bestand nicht nur aus einer Bibliothek und einem Archiv, sondern hatte auch Geräte und Ausrüstung zur Konservierung und Digitalisierung von Manuskripten. Heute steht das Institut leer und verfällt. Verrußtes Mahnmal: Als die Islamisten kamen, wollten sie der UNESCO und damit dem Westen ihre Macht demonstrieren: Sie sammelten in Timbuktu einige Manuskripte und zündeten sie im Hof des Ahmed-Baba-Instituts an. Etwa 4000 Schriften gingen so verloren. Die verkohlten Überreste werden heute im Institut aufbewahrt - als Mahnmal. Timbuktu droht die Bedeutungslosigkeit: Nachdem Timbuktu im 20. Jahrhundert seine wirtschaftliche Bedeutung verloren hatte, blieb der Tourismus als Einkommensquelle. Mit dem Konflikt 2012 blieben nicht nur die Touristen aus - auch seine kulturelle Bedeutung scheint Timbuktu nun vollends zu verlieren, da sich in der Stadt fast keine Manuskripte mehr befinden. Ob sie jemals nach Timbuktu zurückkehren werden, ist unklar. Einige Manuskripte bleiben: Einige Privatbibliotheken sind jedoch erhalten geblieben. Im Timbuktu kann "Bibliothek" jedoch auch eine Sammlung von nur einer Handvoll Schriften bedeuten, die alle auf ein Stück Ziegenfell passen. Ein Einwohner Timbuktus, der von seinem Großvater einige Manuskriptseiten geerbt hat, zeigt stolz seinen wertvollsten Besitz. Eine ungewisse Zukunft: Die politische Lage in Mali bleibt angespannt und die malische Armee ist zu schwach, um dauerhaft für Sicherheit zu sorgen. 2012 sind viele Einwohner aus Timbuktu geflohen und bis heute nicht zurückgekehrt, weil sie dem Frieden nicht trauen. Die Stadt blickt einer ungewissen Zukunft entgegen.