Edelstein als Lehrmaterial

Für den islamischen Religionsunterricht an deutschen Schulen gibt es jetzt ein Schulbuch: "Saphir". Herausgegeben von den islamischen Religionspädagogen Lamya Kaddor, Rabeya Müller und Harry Harun Behr.

Von Claudia Mende

​​Die Kultusministerien der Länder Bayern, Bremen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen haben das Buch aus dem Münchner Kösel-Verlag nach dreijähriger Vorbereitungszeit nun für die Verwendung im Unterricht freigegeben.

"Saphir" stellt für die fünfte und sechste Klasse in 15 Kapiteln grundlegende Themen des Islam vor. Dazu gehören das Verständnis von Gott, vom Propheten Mohammed und dem Aufbau des Korans, aber auch Themen wie Kinderrechte und soziale Verantwortung.

Orientierung an Lebenswelt der Schüler

Die Ausgaben für die Jahrgangsstufen sieben bis zehn werden derzeit noch vorbereitet. Graphisch ist "Saphir" ausgezeichnet gestaltet, es orientiert sich an der Lebenswelt der Schüler und lädt zur Auseinandersetzung mit dem muslimischen Glauben ein.

Damit steht "Saphir" auf der Höhe moderner Religionspädagogik. Das neue Schulbuch ist ein weiterer Schritt des Islams in Deutschland aus den Hinterhöfen in die Mitte der Gesellschaft zu kommen.

Das Buch "will nicht zum Glauben erziehen, sondern dazu, mündige Glaubensentscheidungen zu treffen", betont Harry Harun Behr von der Universität Erlangen-Nürnberg. Behr, ein deutscher Konvertit, bildet am "Interdisziplinären Zentrum für Islamischen Religionsunterricht" zukünftige Religionslehrer aus.

"Kritische Distanz zum Eigenen"

Er ist einer der Autoren des Lehrplans für den Islamunterricht an den bayerischen Modellschulen in Erlangen, Bayreuth, Fürth, Nürnberg und seit diesem Schuljahr auch in München.

Für Behr soll Islamunterricht an der Schule auch eine "kritische Distanz zum Eigenen" vermitteln. Ein wortwörtliches Verständnis des Korans als Gebrauchsanweisung hält der Hochschullehrer für "nicht zukunftsfähig".

Er verstehe den Koran als einen literarischen Text mit einem historischen Datum und einer Entstehungsgeschichte.

Islam als ordentliches Unterrichtsfach gibt es an deutschen Schulen bisher nur versuchsweise. Nach Grundgesetz Artikel 7 Absatz 3 haben Muslime zwar ein Recht auf einen Religionsunterricht für ihre Kinder unter der Aufsicht des Staates, wie ihn auch die christlichen Kirchen genießen. Doch jahrzehntelang fehlte für eine Umsetzung auf muslimischer Seite der Ansprechpartner.

Islamkunde im bundesdeutschen Vergleich

Nordrhein-Westfalen bietet seit 1999 Islamkunde für inzwischen rund 140 Schulen mit etwa 10.000 muslimischen Schülern an. Allerdings ist die Islamkunde kein Religionsunterricht im Sinne des Grundgesetzes, hierfür wird der Lehrplan erst noch in Zusammenarbeit mit den islamischen Verbänden erarbeitet.

​​Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben Schulversuche an Grund-, Haupt- und Realschulen. Schleswig-Holstein erprobt seit 2007 "Islamkunde mit starken Bekenntnisanteilen". Bremen hat seit 2003 ein eigenes Konzept für ein Schulfach Islamkunde entwickelt.

Umstritten ist das Berliner Modell, weil hier die Islamische Föderation an rund 30 öffentlichen Grundschulen in eigener Verantwortung Religionsunterricht erteilt. Das Land Berlin nimmt keinen Einfluß auf die Inhalte.

Der Islamischen Föderation werden Kontakte zu Milli Görüs nachgesagt, einer Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Kritiker werfen dem Religionsunterricht der Islamischen Föderation vor, er sei nicht am Bildungsziel des mündigen Schülers interessiert.

Deutschsprachiger Islamunterricht

In allen anderen Bundesländern werden die Lehrpläne von Experten und den muslimischen Verbänden erarbeitet und mit den Kultusbehörden abgestimmt.

Im März 2008 forderte die Islamkonferenz unter der Leitung von Innenminister Wolfgang Schäuble die flächendeckende Einführung eines Islamunterrichts in deutscher Sprache. Bildungsexperten betonen, dass ein islamischer Religionsunterricht auf Deutsch mit Lehrern, die an deutschen Hochschulen ausgebildet wurden, die Integration fördere.

Bei den Koranschulen, die an Moscheen verortet sind, wisse dagegen niemand so recht, welche Inhalte sie vermitteln. In der Regel werden dort lediglich Koransuren rezitiert, ohne dass kritisches Nachdenken gefragt sei. Islamlehrer an staatlichen Schulen sollen dagegen einen aufgeklärten, an deutsche Verhältnisse angepassten Islam lehren.

Positives Echo

Die Rückmeldungen muslimischer Eltern über Islam an der Schule sind in der Regel positiv, für sie bedeutet das neue Schulfach eine Anerkennung ihres Hintergrunds durch die Mehrheitsgesellschaft.

Doch was vor allem fehlt sind die Religionslehrer. Bis genügend Lehrkräfte zur Verfügung stehen, kann es den Prognosen zufolge noch zehn Jahre dauern. Bislang gibt es lediglich etwa 150 Lehrer (davon 80 in Nordrhein-Westfalen) für schätzungsweise rund 750.000 muslimische Schüler in Deutschland – es müssten mindestens zehnmal so viele sein.

Lediglich die Universitäten Münster, Osnabrück und Erlangen bieten Studiengänge zur Ausbildung islamischer Religionslehrer an. Es wird noch dauern, bis Islamunterricht zum schulischen Alltag gehört.

Claudia Mende

© Qantara.de 2008

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