"Ich bin der Selbstverständlichkeitsbeauftragte meines Fatihlandes"
In seinem ersten Solo-Programm "Fatihland" erzählt Fatih Cevikkollu mit dem Blick eines in Deutschland geborenen Türken und einer gehörigen Prise Selbstironie über seine Kindheit zwischen zwei Welten. Dafür bekam er den renommierten deutschen Kleinkunstpreis, den Prix Pantheon. Sein Ziel: Integration über Empathie auf der Bühne. Ein Interview mit Petra Tabeling
Kaya Yanar hat mit seiner Fernsehshow "Was guckst du?" die deutsch-türkische Comedy populär gemacht. Wo ordnen Sie sich da ein?
Fatih Cevikkollu: Sie hat eher zum Bild des Türken als schlecht deutsch sprechendem Türsteher, als unterbelichtetem Zeitgenossen, beigetragen. Ich glaube, Kaya kann kein einziges Wort Türkisch.
Im Türkischen gibt es einen Spruch "Bir lisan bir insan" - "Eine Sprache ist ein Mensch". Wenn du also eine Sprache sprichst, kennst du das Lebensgefühl dieser Nation. Wenn sie dir fehlt, bist du einfach nicht kulturell verbunden. Kultur ist Essen, Musik, Leben. Und wenn du die Sprache nicht beherrschst, hast du den elementaren Schlüssel, der den Zugang zu dieser Kultur darstellt, einfach nicht zur Verfügung.
Meine Erfahrung ist, dass viele Türken, die ich kenne und die diese Sendung sehen, sie als beleidigend und diskriminierend empfinden.
Passiert es Ihnen doch schon mal, damit verglichen zu werden, wenn jemand noch nicht ihr Programm "Fatihland" kennt?
Cevikkollu: Ich werde damit nie verglichen. Leute, die mein Programm sehen, erfahren den kompletten Unterschied. Ich habe schon einen politischen Auftrag. Mein Ziel ist es, für Selbstverständlichkeit zu sorgen, der Selbstverständlichkeitsbeauftragte meines "Fatihlandes" zu sein und das in einem politisch-diplomatischen Sinne über Empathie, über Mitgefühl und über Verbindung. Und das Lachen ist eine wunderschöne Form der Verbindung, da gibt es ein Miteinander.
Ich empfinde große Freude auf der Bühne. Ich will niemanden schockieren, weil das, was ich dem Publikum erzähle, schon schockierend genug ist.
Sie waren in Berlin auf der Ernst-Busch-Schauspielschule und jahrelang am Theater. Ist das politische Kabarett für Sie jetzt etwas, von dem Sie glauben, sich dort gefunden zu haben?
Cevikkollu: Ich glaube von heute aus gesehen, war das eine logische Entwicklung dahin. Ich habe Theater auch als Maschine kennen gelernt, wo man zu funktionieren hat und mir dann gesagt: "Danke, das war alles schön und gut". Es gibt genug andere, eigene Sachen zu erzählen. Ich behaupte mal, dass jeder Türke, der in diesem Land lebt und öffentlich wird, politisch sein muss, weil es einfach ein Politikum ist.
Wenn ein Ausländer, ein Türke, ein Mensch vom Rande der Gesellschaft, öffentlich auftritt, wird er immer abgeglichen an dem Bild, das produziert wird - per se. Und es ist ein Imageproblem, dass der Türke nicht als Held der Nation, sondern eher als sein Fußabtreter gesehen wird. Da aufzutreten und sich zu positionieren, ist sehr schwierig, aber wichtig.
Ich will mich selbst als ein Beispiel präsentieren für ein Jetzt in Deutschland, eine aktuelle Bestandaufnahme sozusagen, fernab von den Bildern, wie man glaubt, wie etwas zu sein hat.
Serdar Somuncu ist mit seinem Kabarettprogramm im Vergleich zu Ihnen sehr provozierend. Wo ziehen Sie Grenzen?
Cevikkollu: Es geht mir so, dass mich so etwas verschließt. Man kann jedem ins Gesicht treten so wie man will, aber man muss vorher die Tür aufmachen, und wenn du das nicht machst, dann funktioniert es nicht. Und vielleicht weiß Serdar nicht, wie weit er da gehen darf oder kann.
Es ist nicht schwer, auf die Bühne zu gehen und loszukotzen. Es ist vielleicht die schwierigere Variante, jemanden so zu öffnen, dass er auch wirklich zuhören will. Nur der Tritt alleine reicht nicht aus, du brauchst auch die Mitspieler. Ich mag ihn privat sehr, und das hat nichts mit der Haltung zu tun, die er auf der Bühne vertritt. Warum muss man auf der Bühne den Kotzbrocken geben? Ich bin da anders.
Ihre Eltern leben jetzt wieder in der Türkei. Sie haben das Leben Ihrer Familie in Köln "als Leben im Stand-By-Modus" beschrieben.
Cevikkollu: Der Grundgedanke des Programms ist ja auch der eigene Blickwinkel im Vaterland - deshalb der Name "Fatihland". Die Selbstverständlichkeit, dass wir hier leben und bleiben. Es gab auf dem Weg hierhin eine Menge Fehler auf beiden Seiten, es gab eine Integrationspolitik, die nie stattgefunden hat usw. Aus dieser Geschichte heraus gibt es auch eine Menge Angst und Frust, die entstanden ist.
Was ist schlecht gelaufen in der deutschen Politik Ihrer Meinung nach?
Cevikkollu: Die Absprache war ein Provisorium. Die Absprache war: Wir kommen, bleiben und gehen wieder. Alles war zeitlich begrenzt, ohne es aber zeitlich festgelegt zu haben.
Da gab es die Haltung der deutschen Regierung: Ihr habt eure Arbeitsheime, Arbeitsplätze und danach könnt ihr wieder zurückkehren, ihr braucht nicht die Sprache zu sprechen. Es gab nie den Plan der Sozialisierung, nie den Gedanken der gesellschaftlichen Eingliederung.
Sie machen auch Witze über Ihren Freund, den Brasilianer Caio und einen Italiener, die einfach immer bei den Deutschen ankommen. Ist das auch eine verhaltene Kritik an einen "positiven Rassismus" in Deutschland?
Cevikkollu: So wie Sie es formulieren, ja.
Sie haben in Köln den "No Maganda Club" gegründet. Was hat es damit auf sich?
Cevikkollu: Ich habe ja erst Ende 2004 das erste Mal auf der Bühne gestanden und versucht, den Leuten etwas Lustiges zu erzählen. Im April 2005 habe ich dann diesen Club gegründet, weil ich gemerkt habe, dass, wenn du spielen willst - und ich war heiß und hungrig zu spielen - gibt es kaum Möglichkeiten dazu.
Diese Bühne, wie du sie brauchst, für das Stand-up, gibt es nicht. Gerade wenn du am Anfang stehst, kannst du nur ab und zu mal ein paar Minuten auf der Bühne stehen. Das ist viel zu wenig.
Ich habe meinen Bruder von der Idee erzählt, der einen Frisörladen in Köln hat und ihn gefragt, ob man es nicht da veranstalten könnte. Es war von vorneherein ein großer Erfolg und für mich die beste Probebühne, um mein Material auszuprobieren. Ende 2005 hatte ich mein Programm fertig, und jeder Gedanke hat funktioniert, weil ich es ausprobieren konnte.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft? Was kommt nach "Fatihland"?
Der größte ist einfach momentan das Programm "Fatihland" zu spielen, und es auf Türkisch herauszubringen, denn meine Zuschauer sind überwiegend Deutsche.
Es gibt kaum einen Türken, der in Deutschland aufgewachsen ist und den Leuten in der Türkei unsere Geschichte auf der Bühne erzählt. Ich würde gerne dieses Experimente starten, und das Programm auf Türkisch in Deutschland spielen.
Interview: Petra Tabeling
© Qantara.de 2007
Qantara.de
Serdar Somuncu
Aufklärer ohne Tabus
Mit seinen unzähligen Lesungen aus Hitlers "Mein Kampf" hielt Serdar Somuncu absurd-rechter Logik entlarvend den Spiegel vor. Mit seinem neuen Programm "Hitler Kebab. Getrennte Rechnungen" ergründet der Deutsch-Türke leiser, aber nicht schmerzfrei, die eigene Herkunft. Petra Tabeling berichtet.
Stand-Up-Comedy à la Turca
"Beim Lachen braucht man keinen Dolmetscher!"
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Mit Kaya Yanar lachen alle
Er ist türkisch-arabischer Herkunft, hat in Frankfurt am Main Phonetik, Amerikanistik und Philosophie studiert und wurde als Stand Up–Comedien in Deutschland binnen kurzer Zeit zur Kultfigur. Mit seiner Sendung „Was guckst du?“ belustigt der gebürtige Frankfurter Kaya Yanar die gesamte Nation – und zwar in all ihren ethnischen Facetten.
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