Die Hand bleibt ausgestreckt

Während die USA den Druck aufrechterhalten, setzt Europa auf eine Intensivierung der Beziehungen zu Syrien. Nach den Wahlen im Libanon soll die Zustimmung aller EU-Außenminister eingeholt werden.

Von Manuela Römer

​​Nach der Devise "Dialog statt Druck" ist die Europäische Union entschlossen, Syrien als letzten Verhandlungspartner in den Kreis der 11 assoziierten Mittelmeerländer aufzunehmen. Die außenpolitische Sprecherin der Europäischen Kommission in Brüssel, Umma Edwin, bestätigte: "Die EU droht Syrien nicht mit der Auflösung des Abkommens. Die UN-Resolution 1559 ist nicht Bedingung für die Unterzeichnung des Abkommens."

Dennoch wird der Truppenabzug aus dem Libanon durchaus erwartet, wie die EU-Parlamentarierin Veronique de Keyser bei ihrem Besuch in Damaskus kürzlich klarstellte. Die für Mai geplanten Parlamentswahlen im Libanon wolle die EU ebenfalls genau beobachten.

Auch für den Delegationsleiter der EU-Kommission in Damaskus, Frank Hesske, ist das Verhältnis der Syrer zum Libanon das letzte große Hindernis. "Mit der Unterzeichnung eines solchen Abkommens wird ein politisches Signal gesetzt. Das heißt, wir rücken näher an Syrien heran. Dieses Signal muss natürlich in einem gesamtpolitischen Zusammenhang gesehen werden. Da ist die Politik Syriens gegenüber dem Libanon schon ein Problem."

Vorteile für beide Seiten

Die Bestandteile des Abkommens sind vielfältig, und es soll Vorteile für beide Seiten bringen. Sie betreffen die (Sicherheits-) Politik, Soziales, Kultur, Bildung und Wirtschaft. Für die Europäer verbindet sich mit dem politischen Teil des Abkommens neben der Einhaltung von Menschenrechten und einem Verbot von Massenvernichtungswaffen vor allem die Hoffnung, die illegale Immigration in die EU zu stoppen. Syrien gilt in dieser Hinsicht laut Hesske als Drehscheibe des Nahen und Mittleren Ostens.

Syrien kann dagegen von EU-Finanzhilfen oder im Bereich Bildung profitieren. Die EU sei z.B. schon jetzt sehr engagiert, die syrischen Manager von morgen auszubilden. Dafür wurde in Damaskus das Higher Institut of Business Administration (HIBA) gegründet.

Zentral ist die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Bis zum Jahr 2010 soll eine euro-mediterrane Freihandelszone geschaffen werden. Beispiel Autos: Bisher müssen Syrer für den Import eines Neuwagens 225% Zoll zahlen. Diese Zölle sollen in den ersten drei Jahren nach Unterzeichnung des Abkommens auf 150% abgesenkt werden und innerhalb von neun weiteren Jahren ganz wegfallen.

Was dem syrischen Verbraucher nützt, wird die Wirtschaft allerdings erst einmal belasten. Darin sind sich der Präsident der syrischen Handelskammer, Rateb Shallah, und Frank Hesske von der EU-Kommission einig. Noch könne das Land kaum qualitative Billigprodukte anbieten, die international wettbewerbsfähig seien – im Gegensatz zu den Nachbarländern Jordanien, Türkei oder Libanon.

"Die Wirtschaft ist in einem desolaten Zustand. Die Wachstumsraten gehen seit 6 - 7 Jahren permanent zurück. Wenn nichts passiert, dann wird es bald ein Nullwachstum geben bei gleichzeitiger sehr dynamischer Bevölkerungsentwicklung. Das kann zu sehr beunruhigenden Auswirkungen auch für die soziale Stabilität des Landes führen," sagt Hesske.

Hier widerspricht Rateb Shallah: "Ich stimme nicht damit überein, dass das Wirtschaftswachstum sinkt. Wir sind nicht in einer schlechten Verfassung, sondern nur zurück. Aber das bedeutet auch, dass es mehr Entwicklungsmöglichkeiten gibt als anderswo."

Schon jetzt ist die EU der Haupthandelspartner Syriens. Über die Hälfte seiner Exporte gehen nach Europa, fast ein Drittel der Importe kommen von dort. Ein Ziel des Abkommens ist auch die Förderung von Direktinvestitionen. Die sind bisher gering. Deutsche Direktinvestitionen gibt es gar nicht, bestätigt die Deutsch-Arabische Handelskammer in Damaskus.

Deutsch-Syrische Wirtschaftsbeziehungen

Grundsätzlich ist Syrien aber als Wirtschaftspartner für deutsche Unternehmen interessant. So hat sich das Berliner Planungsbüro Plabis GmbH an einer Ausschreibung für eine neue Eisenbahnlinie beteiligt, die die Küste im Westen mit dem Osten des Landes verbinden soll. "Bekämen wir den Auftrag, würde das auch einen Technologietransfer nach Syrien bringen", so Geschäftsführer Heinz Hauder.

Der Vize-Präsident der IHK Magdeburg, Gerhard Bertram, berichtet von einem geplanten Stadtring um Damaskus, der mit deutscher Hilfe die Verkehrsprobleme in der Hauptstadt lösen soll. "Die Unternehmen in Sachsen-Anhalt wollen mit Syrern, die hier – in der ehemaligen DDR – studiert haben, etwas auf die Beine stellen." Sogar eine private deutsch-syrische Universität sei geplant.

Auch von unangenehmen Erfahrungen lassen sich deutsche Unternehmer nicht abschrecken. Die Hamburger Firma Peco hatte in Lattakia ein Textilunternehmen gebaut und wartet noch immer auf die Rückzahlung einer Gewährleistungsgarantie von 17 Millionen Dollar. Hintergrund ist ein persönlicher Streit des ehemaligen Ministerpräsidenten mit dem Ex-Industrieminister. Geschäftsführer Manfred Breuer ist optimistisch: "Der Schiedsgerichtshof der Internationalen Handelskammer in Paris wird uns Recht geben, denn wir sind im Recht. Und im Übrigen haben wir zwei neue kleinere Projekte im Angebot und dafür von den Syrern auch schon den Zuschlag erhalten."

Das Abkommen könnte Anreize schaffen, lang überfällige Reformen umzusetzen. Dazu gehören für Rateb Shallah auch mehr Rechtssicherheit, der Aufbau einer Börse und Versicherungen sowie die Privatisierung des öffentlichen Sektors. Die sei noch nicht auf der Tagesordnung, sagt Shallah, weil der öffentliche Sektor seine Probleme habe, und damit solle die Privatwirtschaft nicht belastet werden. Aber grundsätzlich sei die syrische Regierung nicht mehr gewillt, für die Verluste des öffentlichen Sektors aufzukommen.

Insgesamt werde das Abkommen helfen, das Potential Syriens zu entfalten, hofft Rateb Shallah: "Syrien ist wie eine junge Frau, die noch studiert. Die Männer kommen noch nicht, um Heiratsangebote zu machen, weil sie wissen, die junge Frau muss erst die Uni abschließen. So ist es mit Syrien auch. Die potentiellen Investoren wissen, dass Syrien erst seine Hausaufgaben machen muss und sich von alten rückständigen Überbleibseln befreien. Aber dann wird Syrien viel attraktiver sein als seine Nachbarländer."

Im Mittelpunkt werden schließlich vor allem die Menschen stehen, hofft Frank Hesske: "Letztlich zielen wir auf das Näherrücken der Bevölkerungen ab. Dieses Abkommen ist keine Angelegenheit von Bürokraten und Politikern – hoffentlich jedenfalls nicht. Es soll dazu führen, dass sich die Menschen sicherer fühlen, dass sie bessere persönliche und berufliche Perspektiven haben. Die Menschen sollen profitieren, nicht nur die Wirtschaft."

Manuela Römer

© Qantara.de 2005

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