Mit einer Stimme gegen die Baath-Diktatur
Er wirkt ein wenig gehetzt. Erst gestern ist Walid al-Bunni von Gesprächen aus Moskau zurückgekommen. In einer Stunde muss er bereits wieder zum spanischen Botschafter, um morgen weiter nach Istanbul zu fliegen.
Wenn al-Bunni von der syrischen Opposition redet, dann weiß er wovon er spricht. Wohl kaum ein Syrer kennt die Oppositionsarbeit besser als er. Insgesamt acht Jahre hat er in syrischen Gefängnissen zugebracht. Das erste Mal während des Damaszener Frühlings, als die syrischen Intellektuellen sich beim Machtantritt des jungen Baschar al-Assad 2000 hoffnungsvoll zusammentaten und in politischen Salons vom Aufbruch sprachen. Es war ein kurzer Frühling, al-Bunni landete acht Jahre lang hinter Gittern.
Mutiger Einsatz für demokratische Reformen
Der Hals-Nasen-Ohren-Arzt hatte auch mutig die "Damaszener Erklärung" unterschrieben, in der Intellektuelle von Baschar al-Assad politische Reformen einklagten. Und als er wieder frei war, wurde er dafür erneut für mehr als zwei Jahre weggesperrt.
Nach seinem letzten dreimonatigen Gefängnisaufenthalt hat er das Land vor wenigen Monaten verlassen. Da hatte sich draußen schon der Syrische Nationalrat gegründet, ein Oppositionsbündnis unterschiedlicher Gruppen, um den Aufstand gegen Assad zu koordinieren. Al-Bunni machte mit, um vor kurzem wieder mit anderen prominenten liberalen Regimegegnern, wie Kamal Al-Labwani und Catherine Altalli, dort wieder auszutreten.
"Der Rat wird klar von Islamisten und Muslimbrüdern dominiert", sagt al-Bunni. "Das spiegelt nicht die wahren Kräfteverhältnisse in Syrien wider. Das liegt einfach daran, wie der Rat entstanden ist. Das muss sich ändern", rechtfertigt er heute seinen Schritt.
Außerdem sei der Nationalrat in seinen Entscheidungen viel zu bürokratisch, kritisiert al-Bunni. "Alles muss im Konsens entschieden werden, das ist ein Problem. Es dauert einfach zu lange, bis sich alle auf eine Entscheidung einigen. Und dabei wird wertvolle Zeit verloren, die man in einer Revolution einfach nicht hat." Das ist einer der Gründe, warum die Freie Syrische Armee außerhalb jeglicher politischen Kontrolle agiere.
Die syrische Opposition muss sich neu aufstellen
Sein Vorschlag ist es daher, in den Nationalrat alle syrischen Oppositionellen mit an Bord zu nehmen und dieses Gremium dann zu demokratisieren. "Der Nationalrat muss sich völlig neu aufstellen. Er muss eine Schirmorganisation der gesamten syrischen Opposition werden", lautet seine erste Forderung. "Dann müssen sie eine Führung wählen, die schneller Entscheidungen treffen kann und tatsächlich im Namen aller Oppositionellen sprechen würde", verlangt er. Die Alternative dazu wäre, den Nationalrat so zu lassen wie er ist und eine andere demokratische Schirmorganisation für alle zu gründen.
Al-Bunni hat eine eindeutige Position was eine ausländische Intervention angeht, wenn er den Vergleich zieht: "Wenn dein Kind krank ist, dann gehst du erst in die Apotheke und kaufst zunächst ein preisgünstiges und leichtes Medikament. Dann gehst du zu den Ärzten und die Rechnung wird höher. Wenn das Kind dann von den Ärzten nicht geheilt wird und es langsam stirbt, dann verkaufst du dein Haus und schickst es in das teuerste Krankenhaus."
Genau dies lässt sich auch auf den Fall Syrien übertragen, so al-Bunni. Der Preis für eine Intervention sei hoch, aber die sei seiner Meinung nach kaum mehr zu verhindern.
"Ich glaube, dass Baschar al-Assad weder uns Syrern, noch der internationalen Gemeinschaft irgendwelche anderen Optionen offen lässt. Es bleibt daher nur noch Kapitel 7 der UN-Charta, und die sieht eine militärische Intervention des Auslands vor", erklärt er und fügt hinzu: "Die wünschen wir uns nicht herbei, wenn es noch einen anderen Ausweg gibt."
Drohende "Somalisierung" Syriens
Ohne eine Intervention von außen, glaubt al-Bunni allerdings, werde das Regime das ganze Land in einen Bürgerkrieg reißen. "Wenn es in Syrien so weiter geht, dann droht dem Land nicht das irakische, sondern das somalische Szenario", prophezeit er, weil es dann überhaupt keine Ordnungsmacht – nicht einmal wie im Irak die US-Besatzungstruppen – geben wird.
Doch glaubt al-Bunni nicht, dass die internationale Gemeinschaft und die Regionalmächte es mit diesem strategisch so wichtigen Land so weit kommen lassen werden.
Die Lage in Syrien, einem Nachbarstaat Israels mit Verbindungen zum Iran, "sei viel zu kompliziert, als dass der Westen, wie im Fall Libyens, binnen weniger Wochen militärisch interveniert", meint der Menschenrechtsaktivist und fährt er fort: "Das Land ist aber auch zu wichtig, als dass sie es am Ende sich selbst überlassen."
Karim El-Gawhary
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Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de