Amerikas Comeback
Natürlich sind die Araber nach wie vor unzufrieden mit der anhaltenden Vorliebe der Vereinigten Staaten für Israel und deren fehlender Wille, die 44 Jahre währende militärische Besetzung palästinensischen Grund und Bodens zu beenden, ist nicht unbemerkt geblieben.
Dennoch ziehen es viele Araber heutzutage vor, den USA eine Chance zu geben. Mit Ausnahme der mangelnden Entschlossenheit der Regierung Obama, den Umgang mit Demonstranten durch die mit den USA verbündeten Regimes in Bahrain und Jemen zu verurteilen, ist Amerikas Haltung zu den arabischen Aufständen begrüßt worden.
Insbesondere junge Araber, die die Bevölkerungsmehrheit in der Region bilden, blicken zur Weltmacht Amerika auf, wenn es um demokratische Moralvorstellungen und Werte geht. Das Konzept der Herrschaft durch und für das Volk genießt, genau wie die in der US-Verfassung garantierte Meinungsfreiheit, großen Respekt.
Außenpolitische Versäumnisse
Doch gerade das Versäumnis, diese Wertmaßstäbe in Palästina oder im Irak anzulegen, hat dazu geführt – und kann weiterhin dazu führen –, dass zahlreiche Araber auch weiterhin eine vehement antiamerikanische Haltung einnehmen können.
Die Wahl von Präsident Barack Obama vor zwei Jahren hat unter Arabern für positive Überraschung gesorgt und arabische Demokraten gestärkt, die Amerikas wahren demokratischen Charakter damit als erwiesen ansahen. Obamas Rede in Kairo, die er während einer seiner ersten Auslandsreisen gehalten hat, versprach einen Neubeginn im amerikansich-arabischen Verhältnis und hat die arabischen Demokraten definitiv gestärkt.
Doch die erste Prüfung für Obamas außenpolitische Führung hat viele Araber enttäuscht. Das US-Veto gegen eine Resolution des Sicherheitsrats – die von den 14 anderen Mitgliedern des Rates unterstützt wurde –, die israelische Siedlungspolitik zu verurteilen, schien zu signalisieren, dass Obama dem Druck der amerikanischen Pro-Israel-Lobby nicht standhalten kann. Die USA hatten ihre Politik nicht revidiert, auch nicht mit einem Sohn afrikanischer Einwanderer im Weißen Haus.
Eine positivere Haltung gegenüber Obama zeichnete sich später ab, als die arabischen Aufstände in Tunesien und Ägypten begannen – Länder mit pro-amerikanischen Führungen. Zwar ließen die USA zunächst Vorsicht in Wort und Tat walten, begriffen aber rasch, dass die Aufstände den Willen des Volkes widerspiegelten und stellten sich auf die Seite der Demokratie.
Die gleichen Menschen, an die Obama in seiner Rede von Kairo appelliert hatte, demokratische Strukturen zu schaffen, bildeten nun die wichtigste gewaltfreie Bewegung, die die Welt seit Jahrzehnten erlebt hatte.
Die arabische Jugend in Bewegung
Die arabische Jugend hatte sich endlich in Bewegung gesetzt und Obama und sein Team gaben die passenden Erklärungen zu deren Ermutigung ab und machten den Regierungen in Ägypten und Tunesien zugleich klar, dass sie sich nicht länger hinter der Behauptung verschanzen können, sie würden Amerikas Kampf in Nordafrika unterstützen.
Und genau das war es, was notwendig erschien, nämlich auf Abstand zu den Diktatoren zu gehen, ohne dabei zu versuchen, sich den Aufstand als ihr Verdienst zuzuschreiben oder diesen für sich zu beanspruchen. Die arabische Jugend musste selbst um die Demokratie kämpfen und diese sich erobern. Alles, was nach Ansicht der meisten jungen Leute von Amerika verlangt wurde, war, dass die Vereinigten Staaten ihren Verbündeten wie Hosni Mubarak und anderen arabischen Diktatoren ihre Unterstützung entziehen.
In Libyen hingegen waren die Erfordernisse anders geartet. Die libysche Jugend legte zwar die gleiche Energie an die Tag, die sich zuvor in Kairo oder Tunis manifestierte. Doch dieses Mal konnte Amerika auf diplomatischem Wege wenig unternehmen, da es keine Beziehung zu Oberst Muammar al-Gaddafi unterhielt.
Im Würgegriff des libyschen Diktators
Es überrascht daher nicht, dass die Energie der libyschen Jugend frontal mit Gaddafis Hang zur Brutalität kollidierte, und - wichtiger noch - mit seinen bezahlten Söldnern. Amerika hatte eine moralische Verantwortung die jungen Menschen zu schützen, die von Obama ermutigt worden waren. Eine andere Form von Hilfe war von Nöten. Allerdings war es recht kompliziert zu entscheiden, wie sich diese gestalten sollte.
Hunderttausende Staatsangehörige arabischer Länder, insbesondere Ägypter, arbeiten in Libyen. Ihre Regierungen sahen sich mit Gaddafis Gewalt konfrontiert. Zwar vermochten die arabischen Länder die Aufständischen militärisch nicht unterstützen, jedoch konnten sie der von den USA, Großbritannien und Frankreich angeführten militärischen Intervention politische Deckung bieten.
Die Golfstaaten, deren Bürger nicht in Libyen arbeiten, waren die ersten, die Gaddafi verurteilten. Anschließend traf die Arabische Liga zusammen, um dem Beispiel der Golfstaaten zu folgen.
Angesichts der massiven Proteste der jüngeren Generation aus verschiedenen Ländern der arabischen Welt, nahm die Arabische Liga eine ungewöhnliche Haltung ein: Sie verständigte sich darauf, einen arabischen Staatschef aus ihren eigenen Reihen zu verurteilen. Offensichtlich ging in der arabischen Welt eine tiefgreifende Veränderung vor sich, und die USA wurden plötzlich vom Feind zu Freund.
Nachdem der Sicherheitsrat seine Unterstützung beschlossen hatte, fingen die USA, Europa und einige arabische Länder an, genau das zu tun, was man von der internationalen Gemeinschaft erwartet, wenn eine Regierung sich darauf vorbereitet, ihre eigenen Bürger niederzumetzeln - nämlich ein solches Massaker zu verhindern.
Natürlich sind Amerikas Schwierigkeiten in der region, insbesondere im Nahen Osten, damit noch längst nicht beendet. So muss Obama seine Versprechen erst noch einlösen, in diesem Herbst die Vollmitgliedschaft der Palästinenser in den Vereinten Nationen zu unterstützen und seine Truppen in Afghanistan zu reduzieren.
Vorerst demonstrieren die Araber jedenfalls nicht gegen Amerika. Stattdessen erhaschen sie, mit der Hilfe Amerikas, einen ersten Blick auf die Freiheit.
Daoud Kuttab
© Project Syndicate 2011
Daoud Kuttab ist Geschäftsführer von "Community Media Network" in Amman. Er war Professor für Journalismus an der Universität Princeton.
Aus dem Englischen von Sandra Pontow
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de