Getrübte Nachbarschaft

Muslimische Verbände protestieren gegen ein Positionspapier der Evangelischen Kirche über das Zusammenleben von Christen und Muslimen. Ein zuvor vereinbartes Treffen wurde verschoben.

Von Thilo Guschas

Ausgerechnet den Titel "Klarheit und gute Nachbarschaft" hat die Evangelische Kirche (EKD) für ihre aktuelle, so genannte "Handreichung" gewählt. Doch in der Debatte, die die Handreichung ausgelöst hat, ist das Verhältnis zwischen der EKD und den muslimischen Verbänden deutlich getrübt, die Nachbarschaft angespannt.

In den Vordergrund stellt die Handreichung Probleme, die im Zusammenleben von Christen und Muslime in Deutschland entstehen. Schon im Vorwort berührt die Handreichung dabei ein Konfliktthema – das Verhältnis von Christentum und Islam zur Mission:

"Begegnen sich diese beiden Religionen, dann scheint dies aufgrund ihrer wesenshaften Missions- bzw. Ausbreitungstendenz unausweichlich dazu zu führen, dass sie sich wechselseitig in Frage stellen", heißt es dort.

Akzeptanz von Wahrheitsansprüchen?

Ein unglücklich gesetzter Schwerpunkt, findet Ali Kizilkaya, Vorsitzender des Islamrats. Worauf es nach seiner Meinung ankomme, sei nicht Konfrontation, sondern Dialog: "Und was ist denn Dialog? Auf jeden Fall nicht Mission!"

Das Thema Mission in den Vordergrund zu rücken, sei für sich genommen nicht verwerflich, meint dagegen Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime in Deutschland: "Auch die muslimischen Verbände führen seit über einem Jahrzehnt Debatten über das Thema "Mission". Ein schwieriges Thema.

Den Wahrheitsanspruch der jeweils anderen Seite zu akzeptieren und gleichzeitig seinen eigenen nicht aufzugeben, das hat auch mit Ertragen und Erdulden zu tun." Schwierig sei allerdings, wenn die EKD nun den Eindruck vermittele, sie sei die einzige Seite, die das Thema offen angehe: "Es gibt auf beiden Seiten einige ‚Pappenheimer’, die diese Debatte nie so offen führen würden", so Mazyek.

Nicht mehr als "kluge Rhetorik"

Die Handreichung listet viele soziale Probleme auf: Dass es in Deutschland Muslime gäbe, die ihre Frau schlagen oder ihre Töchter zwangsverheiraten, dass für einige die Scharia höher stehe als der deutsche Rechtsstaat.

Die Probleme, die die Handreichung beschreibt, leitet sie historisch und islamwissenschaftlich ab. Kizilkaya sieht darin kaum mehr als eine "kluge Rhetorik": "Es ist eine Art Zusammenfassung von Vorurteilen gegen den Islam, den sich die Handreichung beinahe zu eigen macht."

Dagegen beteuert Hermann Barth, Präsident des Kirchenamtes der EKD, dass die Handreichung keinesfalls eine Vorverurteilung darstellen solle. Er sehe jedoch nach den Ereignissen der letzten Jahre, wie dem 11. September 2001, die Debatten über das Kopftuch oder dem Karikaturenstreit, noch Klärungsbedarf.

Zentrales Thema Menschenrechte

Ein zentrales Thema seien die Menschenrechte: "Es ist schwer einzuschätzen, wie verbreitet eine Ablehnung oder Vernachlässigung der Menschenrechte unter den drei Millionen deutschen Muslimen ist", so Barth. Die christliche Kirche habe in Menschenrechtsfragen selbst eine belastete Vergangenheit. Die islamische Kultur bräuchte Jahrhunderte, um die gleiche Entwicklung zu vollziehen, die die christliche Kirche bereits vollzogen habe.

"Doch diese Zeit haben wir nicht", so der Präsident des Kirchenamtes der EKD. "Es wäre jedoch hochmütig und besserwisserisch, zu verlangen: 'Seid bitte so klug, hier und jetzt das voll umzusetzen, was in einer aufgeklärten Welt selbstverständlich ist!' Was wir verlangen ist aber, dass die Muslime erklären, wo sie in dem nötigen Entwicklungsprozess derzeit stehen, wo die islamische Welt insgesamt steht."

"Oberlehrerton" statt konstruktives Gespräch

"Dass es Defizite in der islamischen Welt gibt – etwa kaum eine ausgeprägte Zivilgesellschaft – bestreite ich doch überhaupt nicht", meint dazu Mazyek. "Die Frage ist nur, wie man dazu Kritik übt. Ein 'Oberlehrerton' ist da das falsche Rezept. Es kann doch auch auf konstruktive Weise sein, z.B. indem man seinem Gesprächspartner signalisiert, helfend ein Stück des Weges mit ihm zu gehen."

Der Handreichung vorausgegangen waren zwei Treffen zwischen den muslimischen Verbänden und der EKD in den Jahren 2005 und 2006. "Dort herrschte eine konstruktive Gesprächsatmosphäre. Wir hatten geglaubt, all diese Fragen schon geklärt zu haben", meint Kizilkaya, der die aktuelle Handreichung als einen Kurswechsel der EKD empfindet.

"Vielleicht wollen sie auf unsere Kosten ihr Profil schärfen?", fragt er sich. Derzeit arbeiten die muslimischen Verbände an einer gemeinsamen Stellungnahme. Das Treffen mit der EKD solle bald nachgeholt werden. Fest steht für Kizilkaya allerdings schon jetzt: "Es gibt keine Alternative zum Dialog!"

Thilo Guschas

© Qantara.de 2007

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