Abkehr vom simplen Dualismus

US-Präsident Obama hat der islamischen Welt eine "neue Partnerschaft in gegenseitigem Respekt" angeboten. Ein wichtiges Signal für eine Zeitenwende – und ein endgültiger Bruch mit der Bush-Ära.

Kommentar von Loay Mudhoon

​​Auf diese Worte hat die islamische Welt lange warten müssen:

"Es gibt keinen Grund, warum wir nicht den gleichen Respekt und die gleiche Partnerschaft mit der islamischen Welt wiederherstellen können, wie Amerika sie vor 20 oder 30 Jahren hatte", sagte US-Präsident Obama dem in Dubai ansässigen arabischen Sender "Al-Arabiya" in seinem ersten Fernsehinterview für den Sender nach seinem Amtsantritt.

Gleichzeitig betonte Obama, er wolle den Amerikanern vermitteln, dass die islamische Welt aus Menschen bestehe, die den gleichen Traum vom besseren Leben für sich und ihre Kinder träumen wie sie. Dies habe er als Kind in Indonesien erlebt, in dem er einen Teil seiner Kindheit verbracht habe.

Abstand von simplen Denkmustern

Für sich genommen war Obamas Interview mit "Al-Arabiya", dem nach "Al-Jazeera" zweitwichtigsten Satellitensender in der arabischen Welt, ein Ereignis von hoher Symbolkraft. Doch diese "mediale Charmeoffensive" markierte nicht nur einen neuen Politikstil, sondern vielmehr einen endgültigen Bruch mit dem simplen Dualismus und der "Freund-Feind-Rhetorik" der Bush-Ära.

Denn fast alle Entscheidungen der Bush-Administration wurden durch das Erklärungsmuster des "globalen Krieges gegen den Terrorismus" gerechtfertigt. Dies gilt insbesondere für deren völkerrechtswidrige Handlungen, welche das "System Guantánamo " deutlich macht.

Mit seiner Ankündigung, diesen indifferenten "Krieg gegen den Terror" neu zu definieren, sind Obama und sein Team dabei, jenen epochalen Irrtum nun zu korrigieren.

Diese Entwicklung ist von zentraler Bedeutung für das Verhältnis zwischen dem Westen und der islamischen Welt, weil die Komplexität der politischen Realitäten und Allianzen im Mittleren Osten die demagogische Simplifizierung, die das Schlagwort vom "weltweiten Krieg gegen den Terrorismus" beinhaltet, eindeutig widerlegt.

Fehlschlag Irak-Krieg

Es liegt auf der Hand, dass diese eindimensionale Sichtweise der Bush-Administration das Anwachsen des islamistischen Terrorismus zur globalen Bedrohung gefördert hat – von den allzu bekannten ost-westlichen Irritationen und den unheilvollen Ritualen gegenseitiger Verteufelungsketten hier ganz zu schweigen.

Vor allem der Irak-Krieg, der bekanntlich ganz im Zeichen neokonservativer Pläne zur "revolutionären Demokratisierung" des Nahen und Mittleren Ostens stand, erwies sich als ein kapitaler Fehlschlag: Er beschädigte die Autorität und moralische Glaubwürdigkeit der einzigen verbliebenen Weltmacht schwer.

​​Der Krieg war nicht zuletzt deshalb falsch, weil er die moderaten Kräfte in den islamischen Ländern schwächte und die antiwestlichen Kräfte letztendlich stärkte.

Obama zeigt im Gegensatz zu den maßgeblichen Entscheidungsträgern der Bush-Administration das bitter nötige, außenpolitische Feingefühl, das seine Vorgänger völlig vermissen ließen. Er scheint damit die außerordentlich hohe Symbol- und Mobilisierungskraft des Nahostkonflikts erkannt zu haben: Der Weg zum Frieden im Nahen Osten führt nicht über Bagdad, sondern über Jerusalem.

Die Ernennung des erfahrenen und "ehrlichen Maklers" George Mitchell zum Nahostbeauftragten erweist sich mit Blick auf das strategische Ziel einer friedlichen Lösung des Nahostkonflikts als vielversprechend.

Muslime als Partner

Ein weiterer Beleg für Obamas Realitätssinn und den Wandel der bisherigen Prioritäten ist auch die grundsätzliche Bereitschaft des neuen US-Präsidenten, mit relevanten Akteuren und so genannten "Schurkenstaaten" zu sprechen: "Wenn Länder wie der Iran bereit sind, auf die geballte Faust zu verzichten, können sie davon ausgehen, dass wir ihnen die Hand reichen."

Der neue US-Präsident möchte die Krisen im "Erweiterten Mittleren Osten" systematisch angehen. Dabei setzt er auf eine aktive und glaubwürdige Diplomatie, die "alle Instrumente der US-Macht" nutzt. Auch dies ist ein weiterer Beleg für den endgültigen Bruch mit der Bush-Ära.

Obama hat eine reale Chance, den Beziehungen zur islamischen Welt einen neuen Impuls zu geben, solange seine moralische Autorität, der neue Realismus im Weißen Haus und nicht zuletzt Obamas Engagement zur Lösung des nahöstlichen Kernkonflikts bestehen bleiben.

Sollte er diese Chance klug nutzen und moderate Muslime als Bündnispartner gewinnen können, dürften harte Zeiten auf die Vertreter der "Achse des Widerstandes" sowie auf die Kooperationsverweigerer im islamischen Krisenbogen zukommen.

Loay Mudhoon

© Qantara.de 2009

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