Unterstützung für Südafrikas aidskranke Muslime

In Südafrika leben etwa 5,5 Millionen Menschen mit dem HI-Virus. Obwohl der Staat viel Geld für Aufklärung ausgibt, gilt die Krankheit immer noch als Stigma.

Von Almuth Schellpeper

​​In den letzten Jahren entstand in Südafrika eine gezielte Desinformation im Umgang mit Aids:

Die Gesundheitsministerin stellte virushemmende Medikamente wegen der Nebenwirkungen in Frage und empfahl Aids-Patienten stattdessen gesunde Ernährung mit roter Beete, Knoblauch und Olivenöl.

Der Präsident bezweifelte, dass das HI-Virus Aids auslösen könne. Das Ausmaß der Epidemie wurde in Frage gestellt, Scharlatanen, die behaupteten, sie hätten ein Heilmittel für HIV, wurde freie Hand gegeben.

"Positive Muslims"

Im Gegensatz dazu setzen Aids-Aktivisten auf Aufklärung und engagieren sich für HIV-positive Menschen. Dabei spielen religiöse Organisationen wie "Positive Muslims" eine wichtige Rolle.

"Positive Muslims" existieren seit sechs Jahren in Kapstadt. Die Organisation hat ihr Büro in einem kleinen Haus im Stadtteil Observatory, nicht weit vom Zentrum entfernt. Mit sieben Festangestellten und zwei freiwilligen Helfern bietet sie psychologische, rechtliche und medizinische Beratung an und leitet Workshops und Selbsthilfegruppen für HIV-positive Muslime.

Farahneez Hassiem, langjährige Mitarbeiterin bei "Positive Muslims", wird in muslimischen Gemeinden oft mit dem Vorurteil konfrontiert, gläubige Muslime könnten sich nicht mit dem HI-Virus infizieren. Sex sei laut Koran schließlich nur in der Ehe erlaubt. Farahneez hält dagegen, dass sich viele Frauen während der Ehe angesteckt hätten.

Aids auch für Muslime ein Thema

Nuraan Osman, Mitarbeiterin im Bereich Erziehung und Bewusstseinsbildung, betont: "Als muslimische Organisation wollen wir das islamische Ideal natürlich unterstützen und auf Enthaltung und Treue hinweisen. Aber in der Realität sind die Menschen nicht enthaltsam.

"Wir wollen die Teilnehmer unserer Kurse so informieren, dass sie schließlich für sich eine erfolgreiche Wahl treffen können." Die Organisation verteilt zwar keine Kondome, weist aber auf Kondome als Verhütungsmittel hin und auf die Möglichkeit, sich damit vor Aids zu schützen.

Die 58-jährige Mymoena Jacobs besucht regelmäßig eine Selbsthilfegruppe von "Positive Muslims". Mymoena ist verheiratet, Mutter von vier Kindern und lebt im Township Manenberg. Wenn sie von sich erzählt, laufen ihr Tränen über das Gesicht:

"Die Leute müssen wissen, dass es nicht schön ist, HIV-positiv zu sein. Ich bin immer noch schockiert darüber. Es ist jetzt zwei Jahre her, dass ich mich angesteckt habe, aber ich kann manchmal nicht glauben, dass ich es getan habe."

Mymoena hatte vor zwei Jahren einen Liebhaber, der aidskrank war. Sie hatten keine Kondome benutzt. Von seiner Krankheit hatte sie erst erfahren, als es bereits zu spät war. Als sie immer mehr an Gewicht verlor, keinen Appetit mehr hatte und viel schwitzte, ging sie schließlich zum Arzt und ließ sich testen.

Ihrem Mann, ihrer Schwester und ihren beiden Töchtern erzählte sie von ihrer Krankheit. Nachbarn und Freunden könne sie sich nicht anvertrauen; die würden nur über sie herziehen, sagt sie. Mymoena nimmt regelmäßig ihre Medikamente ein, und es geht ihr meistens ganz gut.

Ein soziales, kein religiöses Problem

Farahneez Hassiem weist darauf hin, dass die Grundlagen ihrer Arbeit Mitgefühl, Verantwortung und Gerechtigkeit seien: "Vor einigen Jahren haben religiöse Führer HIV und Aids noch als Fluch Gottes bezeichnet. Um die negative Botschaft, die von der Kanzel kam, zu widerlegen, muss man sich den Koran-Text genau anschauen und die Dinge nicht aus ihrem Zusammenhang reißen.

"Bei HIV und Aids geht es nicht nur um Sex, sondern auch um Armut und das Verhältnis zwischen Männern und Frauen. Im Koran heißt es, man soll Kranken in einer bestimmten Weise begegnen. Die Theologie des Mitgefühls ist die Antwort darauf. Aids ist eine Krankheit wie viele andere auch, daher sollte man aidskranke Menschen ebenfalls voller Mitgefühl behandeln."

Als religiös orientierte Aids-Organisation genießt "Positive Muslims" Vertrauen und Respekt innerhalb der muslimischen Gemeinschaft. So können die Mitarbeiterinnen effektiv arbeiten und Aids-Kranken Kraft und ein spirituelles Zuhause bieten.

Die südafrikanische Regierung hat für 2007 einen neuen Fünf-Jahres-Plan für Aids-Prävention und -Behandlung entwickelt; u.a. ist geplant, sehr viel mehr Patienten mit virushemmenden Medikamenten zu versorgen.

Farahneez Hassiem sieht das neue Engagement der Regierung allerdings kritisch: "Grundsätze und deren Umsetzung sind schöne Worte, aber am Ende ergänzen sie sich nicht. Als realistisch denkende Südafrikanerin warte ich erst mal ab und schaue, ob es tatsächlich funktioniert."

Almuth Schellpeper

© Qantara.de 2006

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Weniger als zwei Prozent der Südafrikaner sind Muslime, von denen viele ursprünglich aus Indien, Indonesien oder Malaysia stammen. Ihre Vorfahren wurden als Sklaven oder politische Gefangene nach Südafrika verschleppt. Almuth Schellpeper hat sich in Bo-Kaap umgeschaut, einem überwiegend von Muslimen bewohnten Viertel Kapstadts.

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