Vorbild für bundesweiten Zusammenschluss?

In Bonn haben sich zwölf islamische Gemeinden zu einem "Rat der Muslime" vereinigt. Ein Modell für Muslime anderswo in Deutschland?

Von Abdul-Ahmad Rashid

​​Von den rund 3,3 Millionen Muslimen in Deutschland ist bis heute nur ein geringer Teil in Verbänden und Gemeinden organisiert. Eine gemeinschaftliche Vertretung aller Muslime und damit einen einheitlichen Ansprechpartner für den deutschen Staat gibt es bisher nicht.

Erst in den letzten Jahren wurden in Hamburg und Niedersachsen mit den so genannten "Schura"-Räten auf regionaler Ebene Strukturen entwickelt, die Verbände und Gemeinden an sich binden.

Neuartiges Gremium für Muslime

Ein Novum stellt jedoch der vor wenigen Wochen gegründete "Rat der Muslime in Bonn" dar. Denn bisher existierten nur mehrere große Verbände, unter deren Dach sich teils auch einzelne muslimische Gemeinden zusammen getan hatten: der Zentralrat der Muslime, der Islamrat und die vom türkischen Staat kontrollierte Vereinigung DITIB.

Diese vertreten zwar die Interessen ihrer Gemeinden, eine Vernetzung untereinander besteht aber oftmals nicht. So kommt es nicht selten vor, dass muslimische Gemeinden innerhalb einer Stadt nebeneinander her leben, ohne sich wirklich näher zu kennen:

"So wie die Muslime teilweise parallel zur Mehrheitsgesellschaft leben, so leben die Muslime untereinander ja auch parallel. Das heißt: Die arabischen Gemeinschaften haben wenig Kontakt zu türkischen Gemeinschaften etc.", erzählt Haluk Yildiz, Sprecher des Rates der Muslime in Bonn. "Deswegen haben wir den Moschee- und Organisationsvorständen gesagt: Wir brauchen eine einheitliche Struktur, sonst können wir nicht viel erreichen."

In Bonn leben rund 28.000 Muslime, größtenteils aus der Türkei, Bosnien und den arabischen Ländern. Aber es gibt auch einen kleinen Teil deutscher Muslime, der sich in der Deutschen Muslim-Liga engagiert. Hinzu kommen viele muslimische Studenten, vertreten durch die "Islamische Hochschulvereinigung der Universität Bonn".

Ihre Vorsitzenden haben alle die Gründungsurkunde des Bonner Rates unterschrieben, ebenso wie die Vorsitzenden der örtlichen DITIB-Gemeinde sowie von Milli Görüs, einer türkischen Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Hinzu kommt der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ), ebenfalls eine türkische Organisation.

Dialogpartner für die deutschen Behörden

Damit sind alle zwölf in Bonn existierenden muslimischen Gemeinden im neuen Rat der Muslime vereinigt. Zum ersten Mal gibt es so auf kommunaler Ebene einen Ansprechpartner für die deutschen Behörden, die diesem Projekt sehr wohlwollend gegenüber stünden, meint Haluk Yildiz. Durch die Vereinigung der einzelnen Gemeinschaften und deren Ansichten könne die Gemeinschaft verschiedene Ansätze aufnehmen und konsensfähiger werden.

Die Grundlage für den neuen Zusammenschluss sei das deutsche Grundgesetz, betont Yildiz. Wer sich nicht an die Grundordnung halte, müsse den Rat wieder verlassen, so der 39jährige Betriebswirt. Die gemeinsame Amtssprache der Mitglieder sei Deutsch. Über die anfallenden Themen würde gemeinsam beraten, Entscheidungen dann basisdemokratisch durch eine Zweidrittel-Mehrheit gefällt.

Der vor 20 Jahre nach Deutschland eingewanderte türkische Muslim hofft, dass der neue Rat der Muslime auf lokaler Ebene eine Änderung erreichen kann, nach dem Motto: Gemeinsam sind wir stärker. Aufgaben gibt es genug.

"Die Jugendarbeit können wir gemeinsam gestalten, genau wie die Altenarbeit oder die Seelsorge", meint Yildiz. "Es gibt ja viele türkische, arabische, bosnische Rentner – und auch deutsche Rentner muslimischen Glaubens, die für sich eine gewisse soziale Herausforderung suchen. Die könnten z.B. Jugendliche in Gefängnissen betreuen, sie können kranke, alte Menschen besuchen. Gemeinschaftlich kann man so eine Aufgabe auch durchaus delegieren."

Unabhängigkeit vom Ausland wünschenswert

Das Gleiche gelte auch für andere, wichtige Themen wie die Einführung von islamischem Religionsunterricht an staatlichen Schulen oder der Einrichtung islamischer Friedhöfe. Abzuwarten bleibt jedoch die Reaktion der großen muslimischen Verbände wie DITIB, VIKZ oder Milli Görüs. Obwohl sie bereits seit vielen Jahren in Deutschland existieren, sind sie dennoch in ihren Entscheidungen vom Einverständnis ihrer Zentralen in der Türkei abhängig.

Für den Islamrat, der von der türkischen Milli Görüs dominiert wird, gilt das Gleiche. Es bleibt daher abzuwarten, ob sie dem Bonner Alleingang wohlwollend gegenüber stehen.

Das neue Projekt in Bonn zeigt indes deutlich, wie notwendig es ist, dass Muslime in Deutschland ihre Organisationsstrukturen ändern und verbessern. Dazu gehört auch, dass sie aktiv werden und eine große, einheitliche Institution schaffen.

Das allerdings würde eine größere Unabhängigkeit von den großen Dachverbänden und ihren Zentralen im Ausland erfordern. Nur so, meinen Experten, könnte auf Dauer eine bessere Kommunikation mit den deutschen Behörden und der Politik zustande kommen. Das Bonner Modell könnte dabei eine Vorbildfunktion einnehmen.

Abdul-Ahmad Rashid

© DEUTSCHE WELLE/DW-WORLD.DE 2006

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