Verheerende Waldbrände in der Türkei
Waldbrände sind im Sommer im Süden der Türkei keine Seltenheit: Zwischen 2009 und 2020 ereigneten sich fast 30.000 Brände, bei denen fast 100.000 Hektar Waldfläche vernichtet wurden. Zum Vergleich: Berlin hat eine Fläche knapp 80.000 Hektar.
Doch dieses Jahr haben die Waldbrände so ein großes Ausmaß erreicht, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan von den "schlimmsten Bränden in der Geschichte" spricht.
Auch die türkische Behörde für Forstwirtschaft (OGM) bezeichnet das Feuer-Inferno als außergewöhnlich: Ein solches Feuer habe es in den letzten 50, vielleicht sogar 100 Jahren nicht mehr gegeben.
"Wälder haben lebenswichtige Funktionen"
Bisher konnten die verheerenden Brände, die überwiegend in den Touristenregionen Antalya und Mugla ereignen, nur teilweise unter Kontrolle gebracht werden. Starke Winde entfachen die Feuer immer wieder und erschweren die Löscharbeiten.
Dennoch wird es den Einsatzkräften gelingen, die Situation in Griff zu bekommen. Spätestens dann stellen sich weitere Herausforderungen: Die vernichteten Wälder mit ihren komplexen Ökosystemen müssen sich regenerieren.
Der Ökologie-Professor Doganay Tolunay von der Istanbul Universität betont, wie wichtig die Regeneration der betroffenen Gebiete sei: "Wälder haben lebenswichtige Funktionen. Sie speichern Kohlenstoff und sie produzieren Sauerstoff. Zudem verhindern sie mit ihren Wurzeln die Erosion der Böden".
Besonders besorgt äußert sich Tolunay darüber, dass die Asche, wenn es wieder Niederschläge gibt, in das Grundwasser sickern könnte und das kontaminierte Wasser in Wohngebiete gelangen könnte.
Behörden wollen Schäden durch Aufforstung lindern
Das türkische Ministerium für Forstwirtschaft und die TEMA-Stiftung für den Naturschutz planen nach den Löscharbeiten ein großangelegtes Aufforstungsprojekt. Ein Vorhaben, das in den sozialen Medien kritisch aufgenommen wurde. Der Grund ist, dass viele Experten diesen Lösungsvorschlag für ineffizient halten.
Viele Fachleute warnen davor, dass das leichtfertige Pflanzen von Bäumen zu einer "genetischen Verschmutzung" der Waldbestände führt und dann das Gleichgewicht des Ökosystems kippen könnte.
Der stellvertretende Vorsitzende der TEMA Hikmet Öztürk hingegen sagte der DW, dass es in den verbrannten Waldgebieten kein Weg an "Restaurierungsarbeiten" vorbeiführe. Die Gefahr, ortsfremde Pflanzen einzuführen, sehe er nicht, da man die verbrannten Gebiete genau untersuchen und die Identitäten der Bäume genau ermittelt werde: "Wir planen eine exakte Wiederherstellung der Pflanzenwelt." Man habe nicht vor, Nutzpflanzen oder feuerresistente Arten nach dem Brand anzupflanzen, sagt Öztürk: "So ein Vorgang wäre die reinste Landzerstörung."
Fachleute: Aufforstung rettet Ökosystem nicht
Problematisch sei laut Öztürk jedoch, dass viel Zeit dadurch verloren gegangen sei, dass erst noch Samen für die Aufforstung gesammelt werden müssten. "Wir haben die Saison verpasst, in der Samen gesammelt werden - nämlich im Frühling. Daher wird es nicht möglich sein, den idealen Zeitpunkt zum Pflanzen einzuhalten", so der TEMA-Vorstand. Der sei nämlich zum Winterende.
Viele Umwelt-Experten in der Türkei kritisieren jedoch, dass die Aufforstung der Bäume keine endgültige Lösung darstelle. Ökologe Tolunay etwa hebt hervor, dass sich nicht nur die Baumbestände, sondern das gesamte Ökosystem erholen müsse. "Es wird noch sehr lange dauern, bis die Tierarten zurückkehren. Die Bäume werden erst nach 20 bis 25 Jahren eine Höhe von etwa zehn Metern erreicht haben. Bis sich Säugetier- und Vogelarten wieder ansiedeln, werden mindestens 50 Jahre vergehen."
Adnan Agac
© Deutsche Welle 2021
Aus dem Türkischen adaptiert von Daniel Derya Bellut