Interreligiöser Dialog in spannungsreichen Zeiten
In Indonesien ist zwar die Religionsfreiheit ein fester Bestandteil der Verfassung. Doch mit der ökonomischen und politischen Krise in der Inselrepublik haben die Zusammenstöße zwischen Christen und Muslimen zugenommen. Arian Fariborz berichtet über die Dialogarbeit christlicher Gemeinden gegen die voranschreitende Islamisierung.
In der katholischen Kathedrale, gleich gegenüber der Istiqlal-Moschee, der größten Moschee Indonesiens, findet der abendliche Gottesdienst statt. Die Kirche ist voll, hunderte Christen versammeln sich hier auf dem Innenhof des Geländes, um gemeinsam zu beten. Doch so friedlich und besinnlich konnten Christen in den vergangenen Wochen nicht immer zusammenkommen.
Ein großes Polizeiaufgebot bewachte vor allem über die Weihnachtsfeiertage letzten Jahres landesweit zahlreiche Gotteshäuser – aus Furcht vor möglichen Anschlägen radikal-islamischer Gruppen.
Diese Furcht ist nicht unbegründet: In den vergangenen drei Jahren wurden nach Angaben der protestantischen und katholischen Kirchenführung über 108 Gemeindehäuser und Kirchen ausgeraubt, bedroht oder niedergebrannt, vor allem in Westjava.
Unwissenheit als Triebfeder des Islamismus
Gomar Gultom, Pastor und Vorstandsmitglied der protestantischen Kirchengemeinden Indonesien (PGI - Persekutuan Gereja Di Indonesia) glaubt, dass die Ursachen für die zunehmende islamistische Gewalt vielschichtig sind:
"Manche Muslime begreifen die Präsenz von Christen oder Kirchen in Indonesien jedesmal als 'Christianisierung'. Wenn zum Beispiel ein Gotteshaus gebaut wird, bedeutet das für sie, dass dort ein neues Zentrum zur Neubekehrung zum Christentum entsteht. Und sie machen sich ständig Sorgen, dass die meisten der gering gebildeten Muslime zum Christentum übertreten."
Unkenntnis der religiösen Glaubensprinzipien, Aufstachelung zu Intoleranz und Gewalt sowie die zunehmende soziale Armut in Indonesien sind die Triebfedern der häufigen Angriffe gegen Christen, aber auch gegen islamische Sekten, wie z.B. die Ahmadiya.
Viele Christen kritisieren, dass der indonesische Staat vor dieser neuen konfessionellen Gewalt kapituliert, da er für den Verfassungsgrundsatz der Religionsfreiheit nur ungenügend garantiere und die Sicherheitskräfte oft tatenlos zusähen, wenn es zu Übergriffen islamistischer Eiferer kommt.
Wissen über die andere Glaubensgemeinschaft
Doch trotz des Konflikts bemühen sich sowohl liberale muslimische Organisationen und engagierte christliche Kirchenvertreter, den interreligiösen Dialog weiter zu fördern:
"Jedes Jahr halten wir ein sogenanntes 'Seminar der Religionen' ab, zu dem wir Teilnehmer aller Religionsgemeinschaften einladen, darunter auch muslimische Gelehrte", erzählt Erick Barus von der Batak-Gemeinde in Nord-Sumatra. "Dann diskutieren wir, wie das friedliche Nebeneinander der Religionen in Indonesien verbessert werden kann."
Auch finden Trainingsseminare statt, an denen die Pastoren der 86 Kirchensynoden sowie muslimische Gelehrte teilnehmen. Den Pastoren wird dann aus einem spezifisch muslimischen Blickwinkel erklärt, worin die Ursachen des islamischen Fundamentalismus bestehen und welche Möglichkeiten es gibt, den Islamismus einzudämmen.
Neben diesen landesweiten Initiativen gibt es auch auf lokaler Ebene Dialoginitiativen. So treffen sich in Zentraljava regelmäßig Christen bei Muslimen, um gemeinsam die Grundlagen des Islams zu studieren. Für einen Monat leben sie dann in den so genannten "pesantren", den islamischen Internatsschulen, um die Grundlagen des muslimischen Glaubens zu studieren.
Das Schweigen der moderaten Kräfte
Auch treffen sich junge Muslime und Christen, um gemeinsam auf dem Land ehrenamtlich soziale, karitative Arbeiten zu übernehmen. Zudem hat sich auch die Zusammenarbeit zu liberal-islamischen Gruppen und zur "Nadhlatul Ulama", der größten muslimischen Massenorganisation in Indonesien, seit Ende der 90er Jahre stetig verbessert. Dennoch gibt der seit langem in Jakarta lebende deutsche Jesuitenpater Franz Magnis-Suseno zu bedenken:
"Einerseits haben sich die Beziehungen zur Nadhlatul Ulama, aber auch zu anderen großen Organisation, wie der 'Muhammadiya', verbessert. Und eigentlich haben wir da ständig Diskurse, wo wir auch über die Probleme sprechen, aber vor allem seit dem Sturz Suhartos haben sich die extremistischen Gruppen die demokratische Freiheit zunutze gemacht, um an die Öffentlichkeit zu treten."
Während sich die Extremisten oft lautstark artikulierten und in den öffentlichen Diskurs einbrächten, schwiegen die moderaten Kräfte allzu häufig, so Franz Magnis-Suseno. "Vielleicht mit Ausnahme des liberalen Flügels der Muslime, aber dieser Flügel ist nicht allzu einflussreich, weil er für die normalen Muslime einfach viel zu liberal ist."
Arian Fariborz
© Qantara.de 2008
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