Menschen zweiter Klasse

Immer wieder macht der Iran auf die missliche Lage anderer Völker und Minderheiten aufmerksam – seien es Palästinenser in Gaza oder Schiiten in Saudi-Arabien. Dabei geht die Regierung in Teheran selbst hart gegen Minderheiten im eigenen Land vor. Die meisten Opfer dieser Politik sind afghanische Flüchtlinge. Von Emran Feroz

Von Emran Feroz

Offiziellen Angaben zufolge leben etwa zwei Millionen Afghanen im Iran. Da die meisten von ihnen Flüchtlinge sind, dürfte die Dunkelziffer jedoch weitaus höher liegen. Der Alltag dieser Menschen ist alles andere als einfach. Der Grund hierfür ist die Tatsache, dass die iranische Regierung afghanische Flüchtlinge systematisch diskriminiert, drangsaliert und benachteiligt.

Da Afghanistan schon seit Jahrzehnten von Krieg und Chaos heimgesucht wird, hat es im Laufe der vergangenen Jahre viele Afghanen in das Nachbarland verschlagen. Bei den meisten dieser Flüchtlinge handelte es sich um Hazara, einer aus Afghanistan stammenden, schiitischen Minderheit. Viele Hazara dachten anfangs, dass der ebenfalls schiitische Iran sie mit offenen Armen empfangen würde. Doch diese Hoffnung wurde schnell zerstört.

Afghanischer Arbeiter repariert einen Strommast in Teheran; Foto: ILNA
Arbeiten unter Hochspannung und für einen Hungerlohn: Laut Informationen von "Human Rights Watch" werden viele der schwarz beschäftigten afghanischen Gastarbeiter im Iran gezielt ausgebeutet.

Einer, der das am eigenen Leib erfahren hat, ist der 25-jährige Hossein, der heute in Österreich lebt, wo ihm schließlich Asyl gewährt wurde. Dort kellnert er in einem Restaurant halbtags, während er abends das Gymnasium besucht. Noch vor einigen Jahren lebte der junge Afghane in Teheran. Sein Alltag sah dort anders aus.

Um seiner Familie in Afghanistan Geld zu schicken, schuftete er zwölf bis 16 Stunden am Tag auf einer Baustelle – zusammen mit vielen anderen Afghanen."Keiner von uns hatte Papiere. Im Iran arbeitet so gut wie jeder Afghane schwarz, meistens am Bau", erzählt Hossein. Afghanische Migranten bleiben im Iran oft fern von jeglicher Bildung. Sowohl die Schule, als auch die Universität bleibt ihnen verwehrt. Wer sich weiterbilden oder einer legalen Arbeit nachgehen will, braucht die iranische Staatsbürgerschaft. Diese bleibt für viele Afghanen jedoch ein Wunschtraum. "Da bekommt man eher noch die Green Card", versichert Hossein.

Ausbeutung und Diskriminierung

Aus diesem Grund sind die meisten Flüchtlinge auf Schwarzarbeit angewiesen. Für den Iran hat sich diese mittlerweile zu einem wichtigen Wirtschaftsfaktor erwiesen. Großstädte wie Teheran, Schiraz oder Maschad wachsen tagtäglich und sind geprägt von modernen Hochhäusern und Wolkenkratzern. Ohne die afghanischen Schwarzarbeiter, die einen Hungerlohn erhalten und in ärmlichen Baracken hausen, würden die meisten dieser Gebäude wohl nicht stehen.

Nicht wenige afghanische Bauarbeiter sind minderjährig. Auch Hossein fing mit 15 Jahren an zu schuften. Stets wurde er gedrillt und beschimpft, auch von den Passanten auf der Straße. "Afghani" oder "Afghanizag" (Persisch: afghanischer Hund) gehören mittlerweile scheinbar zu den Standardschimpfwörtern im Iran. "Wir Afghanen – egal welcher Ethnie oder Religion – sind in den Augen vieler Iraner Barbaren", meint Jawed, ein weiterer Afghane, der jahrelang im Iran gelebt hat.

Ein weiteres Problem ist, dass auch Afghanen der zweiten Generation, sprich, Menschen, die im Iran geboren sind, der gleichen Diskriminierung ausgesetzt sind. Viele männliche Afghanen heirateten im Laufe der Zeit iranische Frauen. Deren Kinder werden jedoch nach iranischem Recht aufgrund des afghanischen Vaters nicht als iranische Staatsbürger anerkannt.

Für Menschenrechtsorganisationen wie "Human Rights Watch" ist der Alltag afghanischer Flüchtlinge im Iran nichts Neues. Laut mehreren ausführlichen Berichten – der jüngste davon erschien erst im vergangenen Jahr – tritt die Regierung in Teheran jegliche Rechte der Migranten mit Füßen. Auch neueste Berichte von "Human Rights Watch" bestätigen, dass Afghanen im Iran gezielt ausgebeutet und misshandelt werden.

Kein Thema für die afghanische Regierung

Nicht selten werden afghanische Migranten unter fadenscheinigen Bedingungen von iranischen Gerichten zum Tod verurteilt. Immer wieder kam es zu Hinrichtungen, bei denen in der Vergangenheit auch vor Minderjährigen nicht Halt gemacht wurde.

Aufgrund der katastrophalen Lage afghanischer Flüchtlinge im Iran kam es in Afghanistan immer wieder zu zahlreichen Protesten. Die Regierung in Kabul versucht jedoch bis heute, sich aus der Verantwortung zu ziehen. Immer wieder besuchte Präsident Hamid Karzai Teheran. Mit seinen Amtskollegen – ob nun Ahmadinedschad oder Rohani – verstand er sich oftmals prächtig. Man trank Tee, lächelte viel und plauderte. Das Thema afghanische Flüchtlinge im Iran wurde bei diesen Gesprächen ausgespart.

Baustelle im Norden Teherans; Foto: IRNA
Großstädte wie Teheran, Schiraz oder Maschad wachsen tagtäglich und sind geprägt von modernen Hochhäusern und Wolkenkratzern. Ohne die afghanischen Schwarzarbeiter, die einen Hungerlohn erhalten und in ärmlichen Baracken hausen, würden die meisten dieser Gebäude wohl nicht stehen.

Stattdessen ergriff eine andere Gruppierung die Initiative, in Teheran dieses heikle Thema anzusprechen. Seit geraumer Zeit pflegen die Ayatollahs Kontakte zu den Taliban. Laut dem afghanischen Publizisten und politischen Analysten Ahmad Waheed Mozhdah haben die Extremisten auch in Teheran ein eigenes Büro. "Die Taliban fühlen sich für die Afghanen im Iran verantwortlich und haben das Flüchtlingsthema sehr konkret aufgegriffen", meint Mozhdah.

Kanonenfutter im syrischen Bürgerkrieg

Kürzlich wurde bekannt, dass die iranische Regierung afghanische Flüchtlinge nach Syrien schickt, um dort auf Seiten Baschar al-Assads gegen die Aufständischen zu kämpfen. Berichten zufolge verspricht Teheran jenen Afghanen, die nach Syrien gehen eine Aufenthaltsgenehmigung, die iranische Staatsbürgerschaft oder Ähnliches. Ferner wird den Kindern ein Schul- oder Universitätsbesuch versprochen.

Da die meisten jungen Männer ohne jegliche Kampferfahrung nach Syrien geschickt werden, ist eine Rückkehr in vielen Fällen ausgeschlossen. Dadurch hat die permanente Ausbeutung der afghanischen Migranten im Iran mittlerweile einen traurigen Höhepunkt erreicht.

Emran Feroz

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Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de