Wiederaufbau eines zerstörten Landes
Noch ist der Krieg in Syrien nicht vorbei, doch eines scheint jetzt schon sicher: Diktator Baschar al-Assad wird an der Macht bleiben. Dass Idlib, die letzte Hochburg sämtlicher Aufständischer und Extremisten, an ihn fällt, scheint nur eine Frage der Zeit zu sein.
Doch viele Städte in Syrien liegen in Schutt und Asche. Und die Rekonstruktion des Landes wird teuer. Geht es nach Russlands Präsident Wladimir Putin, sollen westliche Staaten den Wiederaufbau Syriens finanzieren. Denn weder das syrische Regime, noch der Iran oder Russland wollen die Kosten dafür alleine tragen - der Krieg hat sie schon viel gekostet. Der einzige Hebel für Deutschland, politische Forderungen und Bedingungen an Syrien zu stellen, sei daher die Hilfe beim Wiederaufbau, sagt der außenpolitische Sprecher der Grünen, Omid Nouripour.
Die Angaben über die Kosten zum Wiederaufbau gehen weit auseinander. Während der scheidende UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, von rund 250 Milliarden US-Dollar spricht, beziffert das syrische Regime die Summe mit 400 Milliarden US-Dollar. Aber auch die Summe von 1,2 Billionen US-Dollar steht im Raum. Experten gehen zudem davon aus, dass die Beseitigung der Kriegsschäden mindestens ein Jahrzehnt dauern wird.
Deutsche Beteiligung am Wiederaufbau Syriens fraglich
Kanzlerin Angela Merkel hat bereits die gemeinsame Verantwortung Deutschlands und Russlands für eine Lösung der Syrien-Krise unterstrichen: Doch im politischen Berlin tut man sich schwer, eine eindeutige Antwort auf die Frage einer möglichen deutschen Beteiligung am Wiederaufbau Syriens zu geben, und knüpft sie an Bedingungen.
"Investitionen in Syrien wird es nur geben, wenn es einen befriedigenden politischen Prozess gibt, an dem alle Parteien beteiligt sind", sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen während einer Sicherheitskonferenz in Bahrain. Ein Wiederaufbau, von der die Diktatur des Präsidenten Baschar al-Assad profitiere, sei nicht vorstellbar.
Doch wie eine Nachkriegsordnung aussehen könnte, das weiß noch niemand. Deutschland und die EU müssten sich am Wiederaufbau Syriens beteiligen, sagt der CDU-Außenpolitik-Experte Roderich Kiesewetter: "Aber erst, wenn die notwendigen Bedingungen für einen Friedensprozess geschaffen sind, der durch die Garantiemächte Russland, Iran und Türkei getragen wird."
Außerdem müsse Damaskus einen flächendeckenden humanitären Zugang sowie Schutz vor Verfolgung und Garantie des Eigentums Zurückkehrender unbedingt gewährleisten. Sollte Syrien die Bedingungen Deutschlands für Wiederaufbau-Hilfe erfüllen, könne es nicht darum gehen, Geld zu überweisen, sagt Omid Nouripour. Man müsse dann vor Ort kooperieren, Projektarbeit leisten und keine Budgethilfe: "Gelder, die man Assad gibt, landen im Zweifelsfall im Repressionsapparat. Das ist aber nicht der Sinn der Sache."
Assad will ein "homogenes" Syrien
Denn für wen Syrien in Zukunft noch zugänglich sein soll, daran ließ Machthaber Assad bisher keinen Zweifel. Man habe zwar viele Männer und die Infrastruktur verloren, aber dadurch habe Syrien eine gesündere und homogenere Gesellschaft erhalten, sagte er 2017 bei einer Konferenz in Damaskus.
"Aus meiner Sicht war es immer die Strategie des Regimes, durch die möglichst brutale Bekämpfung von Aufständischen auch die Bevölkerung zu vertreiben", sagt Nahost-Experte Guido Steinberg von der Stiftung Wissenschaft und Politik. Dafür spreche auch Dekret Nummer 10, das der syrischen Regierung die Konfiszierung von Eigentum der ins Ausland geflüchteten Syrer erlaubt, sollten diese nicht binnen eines Jahres ihre Ansprüche in Syrien geltend gemacht haben.
Es könnte darauf hinauslaufen, dass gewisse Gebiete dann mit einer anderen Bevölkerungsgruppe im Interesse des Regimes und weniger im Interesse rückkehrender Flüchtlinge wieder aufgebaut würden. Sollten aber Flüchtlinge kommen, die aus oppositionellen Gebieten geflohen oder als Gegner Assads bekannt sind, "müssen sie damit rechnen, dass sie verhaftet, gefoltert und getötet werden", sagt Steinberg.
Rückkehr der Flüchtlinge?
Dabei verknüpft Wladimir Putin seinen Vorstoß zum gemeinsamen Wiederaufbau Syriens mit der Aussicht auf die Rückkehr von Flüchtlingen aus Europa. Er weiß, wie sehr das Thema Deutschland und auch die EU spaltet. "Wir sind nicht erpressbar in der Flüchtlingsfrage", sagt Omid Nouripour. Deutschland müsse für den Wiederaufbau Bedingungen stellen. Assad und seine Alliierten glaubten, Deutschland würde alles tun, um die Menschen wieder zurückzuschicken. "Und das muss man einfach zurückweisen", verlangt der Grünen-Politiker.
Guido Steinberg hält es für möglich, dass Deutschland sich früher oder später am Wiederaufbau Syriens beteiligen wird, geht aber davon aus, dass das Assad-Regime versuchen wird, an Geld zu kommen, ohne Flüchtlinge wieder aufzunehmen.
Momentan kann davon noch keine Rede sein. Eine Rückkehr, insbesondere in die Gebiete, wo Menschen vertrieben worden sind, ist derzeit nicht im Gespräch. Und der Krieg ist auch nach der Militäraktion von Idlib nicht vorbei: "Es ist durchaus möglich, dass es anschließend noch zu Auseinandersetzungen mit den Kurden kommt", sagt Steinberg.
Besonders jetzt, da die Verbündeten der Kurden, die USA, ihre Truppen aus Syrien abziehen.
Politik und Moral
Falls andere deutsche Politiker gar an Abschiebung nach Syrien denken sollten, warnt Pro Asyl-Sprecher Bernd Mesovic, so sei das schon aus praktischen Gründen nicht möglich: Fluchtgründe seien in den schriftlichen Verfahren während der Jahre 2014/2015 nicht ausreichend individualisiert erhoben worden, weil man die Verfahren beschleunigen wollte. Daher wisse man gar nicht in allen Fällen, vor welcher Kriegspartei die Menschen geflohen seien.
Etwa eine halbe Million Syrer sind durch die Bomben von Assad und seinen Unterstützern in den vergangenen sieben Jahren im Krieg getötet worden. Würde man sich bei einer finanziellen Unterstützung des Wiederaufbaus in Syrien nicht mit einem Despoten gemein machen?
Nahost-Experte Guido Steinberg hält eine deutsche Beteiligung am Wiederaufbau Syriens - egal unter welchen Umständen - für falsch. Aber Moral sei eben bis heute keine etablierte Kategorie der internationalen Beziehungen.
Diana Hodali
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