''Die Wahlen sind eine Täuschung''
Auf einer Veranstaltung von Reporter ohne Grenzen und Amnesty International in Berlin am vergangenen Mittwoch (23.5.) zeichnete der 26-jährige Blogger ein düsteres Bild der Lage in seinem Land, 15 Monate nach dem spektakulären Sturz von Präsident Hosni Mubarak.
"Die Wahlen in Ägypten sind eine Täuschung", glaubt Sanad. "Man versucht, der Öffentlichkeit und der internationalen Staatengemeinschaft weiszumachen, dass die Menschen die Wahl haben. In Wirklichkeit aber bestimmt das Militär, wer der Präsident ist."
Der Oberste Militärrat, der seit dem erzwungenen Rücktritt Mubaraks am 11. Februar 2011 das Land am Nil regiert, habe bestimmt, wer für die Wahlen antreten dürfe und wer nicht, so Nabil. Dies schließe eine wirklich freie Wahl aus. Außerdem könne auch ein mit großer Mehrheit gewählter Präsident jederzeit von den Generälen abgesetzt und vor ein Militärtribunal gestellt werden. Die maßgebliche Kraft in Ägypten bleibe das Militär, auch nach der Präsidentschaftswahl.
Die Allmacht des Obersten Militärrats
"Die Wahlen finden in einer Atmosphäre der Unfreiheit statt", kritisiert Nabil und erinnert daran, dass seit der Revolution mehr als 2.000 Menschen wegen ihrer politischen Ansichten verurteilt und inhaftiert worden seien. "Niemand kann in Ägypten seine Meinung frei äußern und es gibt keine Versammlungsfreiheit." Menschen, die gegen die herrschenden Zustände demonstrierten, würden verfolgt und getötet. Schon mehr als 12.000 Bürger seien verhaftet worden.
Darüber hinaus werde eine freie Entfaltung der Zivilgesellschaft massiv behindert. So seien ägyptische und internationale Menschenrechtsorganisationen in ihrer Betätigung stark eingeschränkt oder gar verboten worden. Eine Überwachung der Präsidentschaftswahlen durch demokratische Gruppen sei damit unmöglich gemacht worden.
Maikel Nabil war am letzten Mittwoch auch mit dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Markus Löning, zusammengetroffen. Deutschland hatte sich, so wie andere westliche Staaten, für die Freilassung des jungen Bloggers aus der Haft eingesetzt.
Vergeblich hatte sich Löning Ende des letzten Jahres darum bemüht, ihn im Gefängnis zu besuchen. Über Monate hinweg habe er das Schicksal des jungen Bloggers genau verfolgt, sagte Löning nach dem Treffen. "Ich habe große Sorge gehabt, dass er in der Haft und durch seinen Hungerstreik körperlich und seelisch Schaden nehmen könnte. Umso glücklicher bin ich heute, ihn gesund und wieder politisch aktiv zu erleben."
Kriegsdienstverweigerer und Militärkritiker
Maikel Nabil, der als Kriegsdienstverweigerer schon vor Beginn der Revolution im Gefängnis saß, war im März des letzten Jahres festgenommen und von einem Militärgericht zunächst zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Diese Strafe wurde später auf zwei Jahre reduziert. Ihm wurde vorgeworfen, die Armee beleidigt, falsche Informationen verbreitet und die öffentliche Sicherheit untergraben zu haben. Auf Facebook und in seinem Blog hatte er Artikel veröffentlicht, in denen er bestritt, dass das Militär die Interessen des Volkes vertrete.
"Die Armee stand nie auf Seiten der Menschen", schrieb er. "Wir sind zwar den Diktator losgeworden aber nicht die Diktatur." Im August des letzten Jahres trat Nabil in einen Hungerstreik, der schnell lebensbedrohlich wurde, nachdem er auch die Aufnahme von Wasser und Medikamenten verweigerte.
Nach massiven Protesten von Menschenrechtsgruppen in Ägypten und im Ausland wurde er schließlich im Februar 2012, zum Jahrestag der Revolution, begnadigt und aus der Haft entlassen.
"Die Armee hat verstanden, dass ich ihnen mehr schade, wenn ich im Gefängnis bin als wenn sie mich freilassen", sagt Maikel Nabil bei seinem Besuch in Berlin. Mit der massiven Unterstützung im Rücken könne er sich inzwischen relativ frei äußern und ins Ausland reisen.
Dafür werde sein jüngerer Bruder Mark, der ihn während seiner Haftzeit unterstützt und für seine Freilassung gekämpft hatte und der ihn auch bei seinem Besuch in Deutschland begleitet, nun von den Behörden behindert.
Bettina Marx
© Deutsche Welle 2012
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de