Kampf an vielen Fronten?
Es sind mittlerweile gewohnte Bilder aus der libanesischen Hauptstadt Beirut: brennende Autos, zerstörte Gebäude und fassungslose Gesichter. Der Bombenanschlag zweier Selbstmordattentäter am vergangenen Dienstag (19.11.2013) neben der iranischen Botschaft forderte mindestens 25 Tote und über hundert Verletzte. Es ist die dritte Explosion, die die Hisbollah-dominierten Beiruter Vororte seit Juli erschütterte.
Das letzte Attentat wird von den Medien nun als eine Botschaft an deren Verbündeten, den Iran und als eine unmittelbare Reaktion auf die Militäroperation der syrischen Armee und der Hisbollah im strategisch wichtigen Grenzgebiet Qalamoun interpretiert. Aus der umkämpften Region flohen bereits über 10.000 Menschen.
Kurze Zeit nach dem Attentat bekannte sich die Abdullah-Azzam-Brigade, ein Ableger der al-Qaida, zu dem Doppelattentat, die auch schon den Bombenanschlag in der Nähe eines Hisbollah-Konvois im Juli verantwortet hatte.
Nebst all den medialen Stimmen, die den Libanon nun noch tiefer im syrischen Bürgerkrieg verorten, stellt sich die Frage, ob sich der gezielte Anschlag auf die Strategie der Hisbollah in der Region auswirken wird und ihre Position zu schwächen vermag.
Hisbollah als wichtiger Verbündeter des Assad-Regimes
In seiner Rede während der schiitischen Aschura-Prozession adressiert Hisbollah-Führer Hassan Nasrallah seine Anhänger in alter Manier: "Mit unserer Präsenz in Syrien verteidigen wir den libanesischen, palästinensischen und syrischen Staat, welcher den Widerstand stützt."
Die demonstrative Stärke der Hisbollah scheint ungebrochen, jedoch sieht Stephan Rosiny vom GIGA Institut für Nahost-Studien ihre Kooperation mit dem syrischen Regime durch zwei essenzielle Ängste motiviert: "Zum einen fürchtet sie das weitere Erstarken des militanten sunnitischen Salafismus in der Region, der stark anti-schiitisch ausgerichtet ist und auf den Libanon überspringen kann. Zum anderen war das syrische Regime seit jeher das Bindeglied zwischen dem Libanon und Iran."
Der konfessionalistische Kampf zeigt sich in seiner extremsten Form in Syrien. Aber auch innerhalb der libanesischen Grenzen wird die Organisation mehr und mehr angefeindet, beobachtet Rosiny: "Es gibt im Libanon derzeit eine sehr Hisbollah-kritische Stimmung, weil ihr vorgeworfen wird, den Libanon in den Syrienkonflikt hineinzuziehen. Im salafistischen Spektrum ist diese Kritik mit stark anti-schiitischen Zügen unterlegt."
Einer der selbsternannten Gegenspieler Nasrallahs, Sheikh Ahmad al-Assir bewies, dass er viele sunnitische Kräfte im Libanon mobilisieren konnte, um der Hisbollah unter anderem in der Schlacht um die syrische Kleinstadt Qusair entgegenzutreten. Den Sieg über Qusair, die aufgrund der Nähe zur libanesischen Grenze enorme strategische Vorteile bietet, trugen aber die Hisbollah und das syrische Regime davon.
"Sheikh Ahmad al-Assir hat sich jedoch durch seinen Angriff auf die libanesische Armee in Sidon selbst demontiert, denn die Armee gilt gemeinhin noch als einzig verbliebenes Symbol der nationalen Einheit", so Rosiny. Die Kämpfe brachen in der Hafenstadt im vergangenen Juni aus, als Soldaten einen Anhänger Assirs an einem Checkpoint anhielten.
Aber der Sheikh ist längst nicht der Einzige, der willens ist, gegen die dominante schiitische Miliz und damit auch gegen ihre iranischen Unterstützer in den Krieg zu ziehen, denn ein Sieg der salafistischen Front hätte wohl grundlegende Folgen für eine politische Neuordnung in der Region.
Politikwissenschaftler Rami Khouri von der Amerikanischen Universität Beirut bestätigt in seinem Artikel auf "al-Arab Online" ein solches Szenario: "Wenn Syrien und das Assad-Regime fielen, wäre das ein schwerer Schlag für die Hisbollah und den Iran." Geografisch wären sie dann im Libanon isoliert, mit Syrien und Israel als der Schiitenmiliz feindlich gesonnene Nachbarstaaten.
Von der weiteren Unterstützung des syrischen Regimes dürfte die Hisbollah in Zukunft nicht abrücken, ungerührt von dem Druck aus dem feindlichen Lager.
Innenpolitisches Zerwürfnis im Libanon
Ein weniger akutes Dilemma für die Hisbollah, aber für den Libanon, ist ihr innenpolitisches Zerwürfnis mit der sunnitisch dominierten "14. März-Allianz". Sie bildet die Opposition zu den Parteien der "8. März-Allianz", die sich u.a. aus der Hisbollah und Amal-Bewegung zusammensetzt. Seit dem Rücktritt des Premierministers Nadschib Miqati im vergangenen März, kam unter dem designierten Regierungschef Tammam Salam bis jetzt kein neues Kabinett zustande. Dieses könnte das Land zumindest politisch bis zu den angesetzten Wahlen im November nächsten Jahres stabilisieren.
Jedoch ist die "14. März-Allianz" nicht zu einer Regierungsbildung bereit, solange die Hisbollah in Syrien kämpft. Rosiny bezeichnet diese kategorische Ablehnung als politisches Manöver: "Letztendlich ist aber auch der '14. März-Allianz' bewusst, dass sich der Libanon nicht ohne einen Kompromiss zwischen den Vertretern der Religionsgemeinschaften regieren lässt."
Ob im In- oder Ausland, die Hisbollah bietet vielen Seiten derzeit eine Angriffsfläche. Es ist davon auszugehen, dass die letzten Doppelattentate sie nicht schwächen, sondern sie eher darin bestärken, ihren Kurs umso entschiedener beizubehalten.
Juliane Metzker
© Qantara.de 2013
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de