Öl ins Feuer
Bilder von Terroranschlägen, Aufnahmen von Steinigungen und Enthauptungen, Koransuren und Hassprediger, die zum Töten aller Nichtmuslime aufrufen: Mit seinem umstrittenen Islamfilm Fitna hat der rechtspopulistische niederländische Politiker Geert Wilders 2008 weltweit Aufsehen erregt. Jetzt muss er sich vor Gericht wegen Beleidigung von Muslimen sowie Aufstachelung zum Hass gegen Anhänger des Islam verantworten. Knapp sechs Prozent der 16,5 Millionen Einwohner der Niederlande sind Muslime. Die meisten stammen aus Marokko oder der Türkei. In den großen Städten ist ihr Anteil höher, in einigen Vierteln bis zu 30 Prozent.
Im Fokus der Medien
Auch in der niederländischen Presse gerät der 46-Jährige mit markigen, provozierenden Sprüchen regelmäßig in die Schlagzeilen: Muslimische Frauen, die in den Niederlanden unbedingt ein Kopftuch tragen wollten, müssten für diesen "Fetzen Stoff", so Wilders, eine Sondersteuer zahlen. Das kriminelle Verhalten marokkanischer Jugendlicher gehe auf ihre Kultur und Religion zurück; Islam und Kriminalität ließen sich nicht von einander trennen. Und der Koran ist für Wilders so wie Hitlers "Mein Kampf" ein faschistisches Buch, das verboten werden muss.
Der Abgeordnete nimmt kein Blatt vor den Mund – und darauf ist er stolz: "Wir trauen uns das zu sagen, was andere Parteien sich nicht zu sagen trauen", betont er. "Dass der Islam weniger eine Religion ist, sondern eine Ideologie – eine Ideologie, die nichts taugt und die gefährlich ist. Die Immigration aus muslimischen Ländern muss stoppen. Je mehr Islam, desto weniger Freiheit." Seine politische Karriere begann er bei der rechtsliberalen VVD-Partei, doch wegen seiner extremen Auffassungen trennte er sich im Streit von ihr.
Zunächst schien Wilders politisch erledigt, doch dann besorgte ihm der Mord an dem islamkritischen Regisseur Theo van Gogh 2004 einen ungeahnten Popularitätsschub: Bei den letzten Parlamentswahlen 2006 eroberte seine "Partei für die Freiheit" (PVV) aus dem Stand neun der 150 Abgeordnetensitze. Bei den Europawahlen 2009 wurde die PVV nach den Christdemokraten sogar zweitgrößte und zog mit vier Sitzen in europäische Parlament ein. Denn vielen Wählern spricht Wilders aus dem Herzen, wenn er vor der Islamisierung der Niederlande warnt: Wie ein Tsunami werde der Islam über Europa hereinbrechen. "Die Muslime reißen uns in den Abgrund", prophezeit er. Ministerpräsident Balkenende müsse die Islamisierung umgehend stoppen: "Genug ist genug, Herr Balkenende! Genug ist genug!"
Grenzen der Meinungsfreiheit
Für seine Gegner ist Wilders ein Scharfmacher, der immer wieder Öl ins Feuer gießt anstatt Brücken zu bauen. Sie begrüßen es, dass nun von einem Gericht untersucht wird, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit liegen und was sich ein Politiker in der Öffentlichkeit herausnehmen darf. Geert Wilders muss sich vor dem Amsterdamer Bezirksgericht verantworten. "Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, Muslime wegen ihres Glaubens und nicht-westliche Immigranten wegen ihrer Rasse diskriminiert zu haben", erklärt Strafrechtsexperte Jeroen ten Voorde von der Universität Leiden. "Auch habe er versucht, Hass zu säen. Und er hat laut Anklage die Muslime beleidigt, weil er den Koran mit Hitlers 'Mein Kampf' vergleicht."
Der Prozess wird sich über Monate hinziehen. Im schlimmsten Falle muss Wilders mit einer Haftstrafe von zwei Jahren rechnen. Ob es soweit kommt, bleibt abzuwarten. Auch Strafrechtsexperten wie Ten Voorde wollen sich dazu nicht äußern. Denn zu der Verurteilung eines Politikers wegen Diskriminierung und Beleidigung ist es in den Niederlanden bislang nur zweimal gekommen, 1995 und 1996.
In beiden Fällen betraf es den rechtsextremen Politiker Hans Janmaat, der wegen Beleidigung und Diskriminierung von Ausländern verurteilt wurde, allerdings nur zu einer Geldstrafe von jeweils umgerechnet 900 und 1300 Euro. Als Wilders vor einem Jahr angeklagt wurde, sprach er von einem "schwarzen Tag für die Meinungsfreiheit".
Einmal musste er im Vorfeld seines Prozesses bereits auf der Anklagebank erscheinen. Seine Reaktion war wie üblich provozierend: "Furchtbar! Unsere Justiz ist genauso schlimm wie die in Nordkorea!", schimpfte er. "Die Staatsanwälte haben mich keines Blickes gewürdigt und alle meine Argumente vom Tisch gefegt!" Seiner Popularität konnte die Anklage keinen Abbruch tun – im Gegenteil: Wenn jetzt Parlamentswahlen wären, könnte er Umfragen zufolge mit seiner Partei für die Freiheit als größte Fraktion ins niederländische Parlament einziehen.
Kerstin Schweighöfer
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