Hoffnung auf Reformen in Teheran
Irans künftiger Präsident Hassan Rohani hat seinen Sieg dem Unwillen des Volkes zu verdanken, der Unzufriedenheit über wirtschaftliche Misere, politische Unfreiheit und internationale Isolierung. Als einziger Kandidat versprach Rohani kraft Person und Laufbahn eine Wende zum Besseren.
Dass er schon im ersten Wahlgang zum Erfolg kam, ist für die Konservativen eine Lektion; ihre Kandidaten waren beschämend weit abgeschlagen. "Ahmadi, bye-bye" riefen die Menschen auf den Straßen Teherans und machten ihrer Freude mit Hupkonzerten Luft. Ein neues Kapitel kann beginnen - wenn alles gut geht.
Die iranische Reformbewegung ist aus ihrer Starrkrampflähmung erwacht und wird wieder zu einer handlungsfähigen Kraft. Anders als vor vier Jahren nach der umstrittenen Wiederwahl von Mahmud Ahmadinedschad beschwert sich niemand über Schwindel. Viele der enttäuschten grünen Wähler von damals, die schon resigniert hatten, fassten neuen Mut und gingen wieder an die Urne. Junge Leute und Frauen folgen Rohani.
Es braucht einen gemäßigten Reformer, um das System zu retten
Im Augenblick hat der Sieger wenig Feinde. Dass ihn der frühere Reformpräsident Mohammed Chatami und der erfahrene Pragmatiker Haschemi Rafsandschani unterstützten, trug wesentlich zu seinem Erfolg bei. Der Geistliche Führer Ayatollah Ali Chamenei gratulierte demonstrativ und forderte alle auf, den "Präsidenten der ganzen Nation" zu unterstützen. Das ist wichtig: Noch immer hat Chamenei das letzte Wort in allen wichtigen Fragen.
Die These, von der Auswahl der Kandidaten über die Kampagne bis zum Resultat sei alles ein kalkuliertes Billardspiel gewesen, bei dem am Ende die richtige Kugel an den richtigen Platz rollte, wird bald ihre Anhänger finden. Mindestens wird Chamenei dem neuen Mann zunächst keine Knüppel zwischen die Beine werfen. Er hat seinen Steuerungsapparat weder dazu eingesetzt, zugunsten der konservativen Schützlinge bei der Auszählung nachzuhelfen noch Rohani zu behindern.
Vielleicht hat der Ayatollah tatsächlich eingesehen, dass der Ruin des Landes mit Durchhalteparolen nicht verhindert werden kann und dass er einen gemäßigten Reformer braucht, um das System und seine eigene Position zu retten. Rohani hat das Zeug, ein starker Präsident zu werden.
Ein Systemgegner ist der Neue allerdings nicht. Sondern ein Mann des Apparats, dem er in höchsten Positionen gedient hat, lange Zeit sogar als Chameneis Vertreter im Nationalen Sicherheitsrat. Aber die Europäer lernten ihn als kultivierten, umgänglichen Verhandlungspartner kennen, mit dem im vergangenen Jahrzehnt beinahe der leidige Atomstreit beigelegt worden wäre.
Der Durchbruch - das wusste keiner besser als er - hätte jedoch nur erzielt werden können, wenn vorher das Kriegsbeil zwischen den USA und Iran begraben worden wäre. Als der Poltergeist Ahmadinedschad ans Ruder kam, war Rohanis außenpolitische Rolle zu Ende. Wände mit dem Kopf einzurennen, versucht er gar nicht erst.
Es war nur konsequent, dass der künftige Präsident im Wahlkampf versprochen hat, die Spannungen mit dem Westen abzubauen, um damit vor allem die Sanktionen zu mildern, die auf der iranischen Wirtschaft lasten. Sie hatten den Verfall der Währung zur Folge und verhindern jede Lösung der drückenden sozialen Probleme. Die Erfüllung dieser Verheißung wäre populär, wird aber nicht einfach sein. Die erstrebte Reparatur des zerrütteten Verhältnisses zu den USA war bereits Rafsandschani und Chatami missglückt.
Rohani hält an Recht zur Urananreicherung fest
Ferner möchte Präsident Rohani eine Charta der Bürgerrechte einführen, die Stellung der Frauen verbessern, die Medien von ihren Fesseln befreien und die Willkür der Geheimdienste brechen. Politische Gefangene soll es nicht mehr geben, so verspricht er. Allerdings: Mit den beiden unglücklichen Präsidentschaftskandidaten von 2009, Mir Hussein Mussawi und Mehdi Karrubi, hat er sich nie solidarisiert. Ob ihr Hausarrest zu Ende geht, kann als Probefall einer Liberalisierung gelten.
Blickt man auf das Umfeld im Nahen Osten, ist der Augenblick für Reformen nicht gerade günstig. Die Internationalisierung des syrischen Bürgerkriegs, in dem Teheran fest auf Seiten Präsident Baschar al-Assads engagiert ist, lässt nicht erwarten, dass die Iraner wichtige Positionen preisgeben. Das Gleiche gilt für die Atomverhandlungen.
Auch Rohani hält daran fest, dass sein Land ein vertragliches Recht zur Uran-Anreicherung auf 20 Prozent hat. Über Modalitäten wird mit ihm besser zu reden sein, aber der Westen darf die Chance für einen Neubeginn auch nicht verpassen. Rohani am ausgestreckten Arm verhungern zu lassen wie einst Chatami, wäre ein irreparabler Fehler.
Rudolph Chimelli
© Süddeutsche Zeitung 2013
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de
Rudolph Chimelli ist Iranexperte und langjähriger Korrespondent der "Süddeutschen Zeitung".