Militäreinsatz ohne politisches Konzept

Die US-Strategie der Luftschläge in Syrien bleibt zweifelhaft. Sie werden die Verhältnisse nicht grundlegend ändern und stützen sich auf zweifelhafte arabische Verbündete. Ein Kommentar von Karim El-Gawhary

Von Karim El-Gawhary

Es ist ein ungeschriebenes Gesetz: Bei jeder militärischen Planung muss nach dem strategischen Ziel einer militärischen Aktion gefragt werden. Bei den Luftschlägen in Syrien ist dieses Ziel nicht definiert.

Welches Ziel haben die Luftangriffe in Syrien? IS soll bekämpft werden. Doch schlimmstenfalls könnte sich der IS auf eine Guerillataktik verlegen, womit er noch schwerer zu bekämpfen wäre. Rein militärisch ist dem IS nicht beizukommen. Soll also erreicht werden, dass weniger Flüchtlinge über die Grenzen kommen? Ein zweifelhafter Versuch. Denn die Menschen fliehen nicht nur vor den Dschihadisten des IS, sondern auch vor den Luftangriffen.

Will man dafür sorgen, dass keinen weiteren westlichen Journalisten und Mitarbeitern von Hilfsorganisationen vor laufenden Kameras der Kopf abgeschnitten wird? Wahrscheinlicher ist das Gegenteil: Die Brutalität wird zunehmen. Soll verhindert werden, dass die internationalen Dschihad-Touristen nach Syrien reisen und später in ihren Heimatländern Unheil anrichten? Das lässt sich aus der Luft schwer verhindern. Stattdessen dürften die Dschihad-Touristen durch die Angriffe weiter radikalisiert werden und die Gefahr von Anschlägen steigen. Will man den Menschen in der Region helfen? Da muss man sich die Frage gefallen lassen, warum man den Krieg in Syrien jahrelang einfach hat laufen lassen.

Luftschläge können nur Teil einer größeren militärischen Strategie sein, die am Ende auch Bodentruppen beinhaltet. Da im Moment kein Land der Welt bereit ist, Truppen in den syrischen Sumpf zu schicken, wird verzweifelt nach „moderaten“ syrischen Rebellen gesucht, die man bewaffnen kann. Nachdem man vier Jahre lang Mord und Totschlag in Syrien zugelassen hat, ist dort naturgemäß nicht viel Moderates übriggeblieben.

Barack Obama, John Kerry, Samantha Power und Susan Rice (rechts) mit Vertretern auf dem Irak; Foto: Reuters/Brandon Lamarque
In New York trafen sich am 23. September Vertreter aus dem Irak mit US-Präsident Barack Obama, Außenminister John Kerry, UN-Botschafterin der Vereinigten Staaten Samantha Power und der nationalen Sicherheitsberaterin Susan Rice zur Besprechung der aktuellen Lage in Syrien. Die Vereinigten Staaten und seine arabischen Alliierten fliegen derzeit Luftangriffe gegen Stellungen des „Islamischen Staats“ in Syrien und Irak.

Die Rebellen sind zersplittert und fast allesamt ideologisch islamisiert. Denn ohne Hilfe von außen blieb den meisten nur der Glaube und die Motivation, als Märtyrer im Paradies zu enden. Das Leben unter dem täglichen Bombardement des Assad-Regimes hat dazu geführt, dass ein Teil der verbliebenen Syrer den IS als Erlöser ansieht.

Nach den Ursachen fragen

Jeder Versuch, den IS zu bekämpfen, wird scheitern, wenn man sich nicht damit beschäftigt, wie diese Terrorgruppe entstanden ist. Und da landet man schnell beim Assad-Regime und der großen Gefahr, dass man dem Diktator ein nächstes Geschenk macht, indem man einen Teil der Opposition gegen ihn weg bombt.

Man muss in Syrien nicht nur effektive Rebellen-Bodentruppen gegen den IS aufbauen, sondern auch eine vernünftige politische Alternative zu Assad. Denn die Syrer, die am Regime festhalten, tun das meist aus Angst vor dem, was danach passieren könnte.

Und wo wir schon bei den Ursachen für die Entstehung des IS sind: Sicherlich macht es Sinn, die arabischen Staaten militärisch einzubinden. Und mit dem Einsatz jordanischer, saudischer und emiratischer Luftwaffen beugt Obama dem Vorwurf vor, dass es sich wieder um einen Kreuzzug des Westens handele.

John Kerry und Saudi-Arabiens Außenminister Abdul Aziz al-Saud; Foto: AFP/Getty images/Brendon Lamarque)
US-Außenminister, John Kerry, bei seiner Ankunft am Flughafen in Jeddah am 11. September 2014. Im Rahmen seines Besuches suchte er das Gespräch mit Saudi-Arabiens Außenminister Abdul Aziz al-Saud, um Details in der Bildung einer Koalition gegen den Islamischen Staat zu besprechen.

Zweifelhafte Verbündete

Das Problem dabei ist, dass er auch den Bock zum Gärtner macht. Denn die undemokratischen arabischen Regime, gerade die Golfstaaten mit ihrem erzreaktionären Islamverständnis, haben einen guten Teil an der Entstehung des IS beigetragen. Insofern sind sie weniger Teil einer kurzfristigen militärischen Lösung als vielmehr langfristig ein Teil des Problems.

Hier kämpft der Westen mit den altbekannten Mitteln militärischer Macht, mit denen er es bislang noch nie geschafft hat, die Kräfteverhältnisse in seinem Sinne zu verändern, gemeinsam mit überkommenen undemokratischen arabischen Königen und Emiren gegen reaktionäre Dschihadisten, die das Rad der Geschichte mit aller Macht bis in die Zeiten des Propheten Mohammed zurückdrehen wollen.

Irgendwie stinkt das Ganze vom Kopf her. Wie ein alter, vergammelter Fisch.

Karim El-Gawhary

© Qantara.de 2014