Freiheitsentzug im Namen des Propheten

In der arabischen Welt haben die Mohammed-Karikaturen der Pressefreiheit schwer geschadet. Im Jemen wurden drei Zeitungen geschlossen, ein Chefredakteur sitzt im Gefängnis.

Von Susanne Sporrer

​​"Akzeptiert die Entschuldigung und schaut nach vorn", hatte der "Yemen Observer" in einem versöhnlichen Leitartikel gefordert. Da war die Empörung auf den Straßen von Sanaa über die Karikaturen aus Dänemark gerade richtig hoch gekocht, zehntausende schwarz verschleierte Frauen hatten gegen die Verunglimpfung ihres Propheten demonstriert, dänische Butter und Käse wurden aus den Ladenregalen geräumt.

Jetzt darf das englischsprachige Wochenblatt auf Beschluss des Informationsministeriums nicht mehr erscheinen, auch den Zeitungen "al-Hurriah" und "al-Rai al-Aam" wurde die Lizenz entzogen, weil sie die Karikaturen nachdruckten.

"Observer"-Chefredakteur Mohammed al-Asadi sitzt im Gefängnis. Vor Gericht soll er sich wegen Beleidigung des Religionsstifters verantworten. Neben einem ausgewogenen Hintergrundbericht und Lobpreisungen des Propheten hatte der "Yemen Observer" einen Teil der dänischen Karikaturen abgedruckt - durchgestrichen mit einem dicken Kreuz. Warum er den Islam nicht besser verteidigt habe, fragte der Staatsanwalt den Inhaftierten unverblümt.

Al-Asadi versteht die Welt nicht mehr. "Gott und der Prophet wissen, dass ich keinen Fehler gemacht habe", sagt der streng gläubige Familienvater in seiner Kellerzelle, die er mit einem guten Dutzend Kleinkrimineller teilt. "Wir lieben den Propheten", beteuern auch seine Kollegen auf einer Pressekonferenz der Journalistengewerkschaft.

Unter anderen Umständen hätten sich die Redakteure noch für ihre journalistische Freiheit stark gemacht und die Einmischung des Informationsministeriums beklagt. Jetzt kommt es dem eigentlich regierungsnahen "Observer" nur noch darauf an, nicht als ungläubiges, pro-westliches Blatt zu gelten, das die Werte des Islam nicht hochhält.

Verschärfung des Pressegesetzes

Und die Forderung nach mehr Freiheiten für die Medien ist diskreditiert. "Die dänischen Karikaturen werden in der ganzen arabischen Welt als Argument gegen Pressefreiheit benutzt", fürchtet Hafez al-Bukari, der Generalsekretär der Journalistengewerkschaft im Jemen. "Das hat unserem Anliegen schwer geschadet."

Die Chancen für das von der jemenitischen Regierung geplante neue, in vielen Punkten noch restriktivere Medienrecht, gegen das sich Journalisten seit Monaten wehren, stünden jetzt so gut wie nie. "Das neue Pressegesetz ist richtig, enge Grenzen sind notwendig", sei die Botschaft, die die Regierung mit dem Verbot der drei Zeitungen vermittle, sagt der Gewerkschafter.

Dabei will auch al-Bukari keine Pressefreiheit, die religiöse Gefühle verletzt. "Die Religion ist tabu, da sind wir uns alle einig." Ein Tabu, das in den Augen vieler Muslime aber bereits verletzt ist, wenn ein Bild des Propheten in einer arabischen Zeitung abgedruckt wird – und sei es zu Dokumentationszwecken.

Wenn die Regierung solche Freiheiten beschneidet, wird sie – gerade in einer äußerst konservativen Gesellschaft wie der jemenitischen – auf keine Widerstände stoßen. Und kann versuchen, im gleichen Moment auch die politischen Freiräume einzugrenzen.

"Die Pressefreiheit beschneiden, um die Gesellschaft zu schützen", so interpretiert al-Bukari die amtliche Strategie. Dazu gehört dann natürlich auch der Schutz des Präsidenten vor unliebsamer Kritik.

Während "Observer"-Chef al-Asadi noch auf seinen Prozess wartet, wurde der Chefredakteur des sozialistischen Parteiorgans "al-Thauri", Khalid Salman, kürzlich zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt, zwei seiner Kollegen zu jeweils zwölf Monaten. Sie hätten über Korruption berichtet und damit den Staatschef beleidigt.

Imame fordern Todesstrafe für Redakteure

Mit dem Streit um die Mohammed-Zeichnungen werde das Meinungsklima weiter belastet, fürchtet die Medienwissenschaftlerin Raufa Hassan Alsharki. Die öffentliche Debatte sei jetzt mit einem weiteren Tabu belegt. Kaum jemand werde sich noch trauen, in der aufgeheizten Auseinandersetzung mit dem Westen öffentlich für Verständnis zu werben oder gar die Europäer zu verteidigen.

​​Und falls doch, dann sorgen die Radikalen bereits vor: Einige Imame forderten die Todesstrafe für die Chefredakteure der verbotenen Zeitungen. Mit einer einzigen Predigt hat der radikale Scheich Abdul Majid al-Zindani diese Woche angeblich bereits fast 90.000 Euro unter seinen Anhängern eingesammelt. "Um unliebsame Journalisten ruhig zu stellen, die die Pressefreiheit verteidigen", sagt Alsharki.

Dabei geht es in den Augen der prominenten Medienwissenschaftlerin schon gar nicht mehr um Pressefreiheit oder verletzte religiöse Gefühle. Der Streit sei politisch motiviert, den Islamisten ein willkommener Anlass zur Mobilisierung ihrer Anhängerschaft. Alsharki wirft ihnen vor, die Religiosität der Menschen auszunutzen, indem sie sich als die einzig wahren Verteidiger Mohammeds darstellten.

Ein gesellschaftliches Klima entsteht, in dem kritische und versöhnliche Stimmen keinen Platz mehr haben. Angesichts der öffentlichen Aufregung habe die Regierung unter Druck gestanden, gegen Zeitungen vorzugehen, die die Karikaturen nachgedruckt hätten, sagt Felix Eikenberg, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung in Sanaa. "Das religiöse Tabu ist in der arabischen Welt viel größer."

Alsharki fürchtet, die innenpolitische Debatte im Jemen werde noch bis zu den Präsidentschaftswahlen im September durch die Karikaturen bestimmt – "egal, wer sich jetzt noch entschuldigt".

Einige auf Schlammschlachten spezialisierte Zeitungen haben bereits ein neues Schimpfwort entdeckt: Vergangene Woche wurde al-Bukari in der offiziellen Presse als "Agent Dänemarks" diffamiert – weil er vergangenes Jahr einen von Kopenhagen finanzierten Lehrgang für Journalisten in Sanaa koordiniert hatte.

Klaus Heymach / Susanne Sporrer

© Qantara.de 2006

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