Mar Musa – eine spirituelle Oase

Einsam liegt es in der syrischen Wüste, hoch oben an eine Felswand geschmiegt – das Kloster Mar Musa el-Habashi. Gegründet im sechsten Jahrhundert, beherbergt es heute Nonnen und Mönche aus unterschiedlichen Ländern.

Von Christina Förch

​​Es war nicht irgendein Äthiopier, sondern der Heilige Moses von Abessinien, Sohn eines Königs. Er hatte sich der Krone verweigert, strebte lieber nach dem Königreich Gottes und starb als Märtyrer.

Nach seinem Tod gründeten Mönche in seinem Namen das Kloster mit dem Bau einer kleinen Kirche. Für die letzten zwei Jahrhunderte stand es leer, war verfallen und verrußt, bis 1983 der italienische Jesuitenpater Paolo dell´Oglio das Kloster für sich entdeckte.

Er verbrachte zehn Tage dort, in denen er meditierte und schließlich den Entschluss fasste, das Kloster zu restaurieren und dort eine neue Gemeinschaft zu gründen.

Ansturm von Besuchern und Pilgern

Letztes Jahr waren die Restaurierungsarbeiten in der Kirche endlich fertig gestellt – wunderschöne Fresken aus dem 11. und 12. Jahrhundert kamen zum Vorschein.

Das kleine Juwel mitten in der Wüste hatte längst vor Abschluss der Restaurierung die Aufmerksamkeit von Pilgern erregt – und der Andrang war so groß geworden, dass sich die kleine Klostergemeinschaft dazu entschloss, mehrere Gebäude in altem, einfachem Stil dazuzubauen, um Besucher und Pilger zu beherbergen.

Freiwillig die Armut gewählt

Heute leben acht Mönche und Nonnen in Mar Musa, alle sind um die dreißig Jahre alt. Es ist vielleicht die einzige Klostergemeinschaft weltweit, in denen Männer und Frauen zusammen beten und arbeiten, aber getrennt wohnen.

Das Nonnenhaus und der Trakt für die weiblichen Besucher ist ein Neubau, der sich etwas abseits vom Hauptgebäude befindet. Auch für die Männer wurden die Räumlichkeiten erweitert.

Das Leben der Klosterbewohner ist sehr einfach – sie haben freiwillig die Armut gewählt, kleiden sich in eine dunkle Baumwollkutte, die von einer Kordel zusammengehalten wird.

Sie betreiben etwas Gartenbau, halten Ziegen und haben Bienenstöcke. Doch es gibt auch Computer und einen Internetanschluss im Kloster. Und eine eigene Website wurde auch entwickelt.

Islam wird als gleichwertige Religion betrachtet

In dem Kloster läuft einiges anders als üblich. "Unsere Beziehung zum Vatikan war immer etwas schwierig", meint Bruder Frederique, ein Franzose, der seit einem Jahr im Kloster lebt.

Dass es ein gemischtes Kloster sei, wäre nicht das große Problem. Vielmehr sei problematisch, dass die Nonnen und Mönche den Islam als gleichwertige Religion anerkennen.

In Syrien leben Muslime und Christen seit Jahrhunderten friedlich zusammen. Und die Bewohner von Mar Musa wollen diesen Dialog weiter stärken und vertiefen. "Am Wochenende kommen viele syrische Besucher her – für sie ist das Kloster das Ziel eines normalen Ausflugs", so der Mönch.

Gastfreundschaft wird groß geschrieben

Alle Besucher werden willkommen geheißen, können sich nach dem beschwerlichen Aufstieg unter einem Beduinenzelt erholen, ein Glas Wasser trinken oder mit den Mönchen ein einfaches Mahl teilen.

Gastfreundschaft und Kommunikation werden groß geschrieben – zum Teil deshalb, weil es seit jeher Tradition der Mönche im Nahen Osten war, Besucher aufzunehmen. Zum Teil auch deswegen, weil sich das Kloster in einem arabischen Land befindet, wo Gastfreundschaft einen besonderen Stellenwert hat.

"Fremde zu empfangen, ist, wie Jesus Christus willkommen zu heißen", findet Bruder Frederique. Doch das hat nichts mit Missionierungseifer zu tun. Oft würden Muslime die Fresken bestaunen, und manchmal komme es sogar zum gemeinsamen Gebet.

"Unsere gemeinsame Spiritualität basiert auf der Einfachheit unseres Lebens, dem Frieden und der Anerkennung des Islam und des Christentums als Religionen Gottes." Die verschiedenen Religionen seien Teil des "Mysteriums Mensch".

Abwanderung der Christen verhindern

Die Mönche stehen in Kontakt mit syrischen Scheichs, Priestern und Intellektuellen und veranstalten gemeinsam Seminare zu religiösen, sozialen und politischen Fragen.

Mar Musa engagiert sich auch für die syrischen Christen, von denen immer mehr ins Ausland abwandern. "Wir haben begriffen, dass die Pluralität Syriens durch die Abwanderung von Minderheiten bedroht ist", erklärt der Mönch.

Der religiöse Ritus im Kloster ist syrisch und die liturgische Sprache arabisch, obwohl die Nonnen und Mönche aus Italien, der Schweiz, Frankreich und Syrien stammen. Immer wieder laden sie syrische Christen in das Kloster ein.

Doch das allein reicht natürlich nicht aus, um Christen im Land zu halten. Deshalb engagiert sich Mar Musa auch sozial in der näheren Umgebung. So hat das Kloster zum Beispiel geholfen, alte Häuser zu restaurieren, damit sich dort junge Familien niederlassen oder bereist Abgewanderte wieder zurückkehren können.

Eine Oase der Stille

Die nächsten Projekte sind eher ökologischer Natur – die Bewahrung der Schöpfung ist das Ziel, zum Nutzen der Menschen. So sollen junge Familien zum Beispiel durch eine ökologisch verträgliche Ziegenhaltung in der Wüste eine Einkommensquelle erlangen. Die Bewahrung der natürlichen Ressourcen sei in einem Land mit so großem Bevölkerungswachstum wie in Syrien besonders wichtig.

Doch letztendlich ist Mar Musa eine Oase der Stille, der Meditation und der inneren Einkehr, fernab der politischen, sozialen, wirtschaftlichen oder ökologischen Probleme der Region. Und das ist auch das Hauptanliegen der Klosterbewohner.

"Die Wüste birgt eine ganz eigene Spiritualität", so Bruder Frederique. Und Gottes Geist in der Wüste zu begegnen, das sei schon etwas ganz Besonders.

Christina Förch

© Qantara.de 2004

Kloster Mar Musa