Kunst- und Kulturszene Ramallahs

Die kulturelle Landschaft Palästinas ist karg. Wer in Ramallah wohnt, hat es noch relativ gut getroffen, die Stadt ist der kulturelle Dreh- und Angelpunkt Palästinas.

Von Sebastian Blottner

Die Aktivitäten der ohnehin kleinen Kulturszene in den besetzten Gebieten haben seit dem Beginn der zweiten Intifada im Jahr 2000 immer weiter abgenommen.

Die wenigen verbliebenen Kulturschaffenden gehören meist einem relativ exklusiven gesellschaftlichen Zirkel an – man kennt sich.

Ramallah ist mit seinen rund 80.000 Einwohnern ein exzeptioneller Ort in Palästina, seit Jahrzehnten für sein liberales Flair bekannt, früher war die Stadt sogar ein beliebter Urlaubsort.

Bereits in den 1950er Jahren startete hier das erste palästinensische Tanzfestival. Ramallah hat ein Theater, ein Musikkonservatorium und einen Kulturpalast, es gibt Ausstellungen und Konzerte. Sogar ein Nachtleben, wenn auch ein äußerst überschaubares.

Wie überall in den Autonomiegebieten entkommt auch in Ramallah niemand der Politik, das gilt auch für die Künstler. Das ganze Leben spielt sich im Kontext der israelischen Besatzung und immer prekärerer Lebensbedingungen ab.

Diese Bedingungen kreativ zu verarbeiten ist schwer, sie zu vergessen fast unmöglich. Folglich ist das so genannte "national topic" ganz überwiegend der Stoff, aus dem die palästinensische Kunst gemacht wird.

Förderung von Kindern und jungen Künstlern

Gezeigt wird diese Kunst zum Beispiel im Sakakini Cultural Center. Das Kulturzentrum, in einer der wenigen erhaltenen Altbauvillen Ramallahs untergebracht, ist eine der wichtigen ortsansässigen Kulturinstitutionen.

Die unabhängige Qattan Foundation ist mindestens ebenso bekannt. Die von einem reichen Exilpalästinenser gegründete Stiftung verfolgt das Ziel nachhaltiger kultur- und gesellschaftspolitischer Entwicklungsarbeit. Schulbildung und Kindererziehung sind zwei ihrer wichtigsten Arbeitsfelder.

Um die Lesefähigkeit zu fördern, unterhält die Stiftung zwei Kinderbibliotheken in Ramallah und Gaza.

Junge Musiker, Schriftsteller, Schauspieler und Journalisten werden dabei unterstützt, eine berufliche Karriere zu verfolgen.

An der Universität in Bir Zeit, wenige Autominuten vom Stadtzentrum Ramallahs entfernt, trägt man der politischen Lage Rechnung, indem man eine "virtual gallery", ein umfangreiches Archiv und eine Plattform für palästinensische Künstler im Internet betreibt. So kann jeder Interessent wenigstens virtuelle Ausstellungen besuchen – unabhängig von Checkpoints und Warteschlangen.

Studieren im ehemaligen Luxushotel

Ein anderes Universitätsinstitut, das Institut für Neue Medien, bietet Weiterbildungskurse und Praxistrainings für Studenten an und hat 2007 zum ersten Mal palästinensische Filmstudenten in den Sparten Regie, Schnitt, Kamera und Sound aufgenommen.

Das bröckelnde Institutsgebäude war früher ein Luxushotel, in die einstigen Suiten quetschen sich heute kleine Studios, Büro- und Seminarräume.

Wer genügend Regietalent besitzt, kann seinen Film vielleicht bald im stadtbekannten Al-Kasaba-Theater vorführen. Es befindet sich im Zentrum von Ramallah und beherbergt einen Kino- und einen Theatersaal.

Das Kino ist das einzige derzeit funktionstüchtige Lichtspielhaus in ganz Palästina, mindestens drei Filme werden pro Tag gezeigt.

Die aktuellen dort aufgeführten Theaterproduktionen gewannen sogar schon Preise auf internationalen Festivals. Stücke für und mit Kindern sind ein wichtiger Teil der Arbeit des Al-Kasaba-Teams. Mit ihnen soll in erster Linie Erziehungsarbeit geleistet werden.

Man wirbt beispielsweise mit einem Aschenbrödel im Rollstuhl dafür, behinderte Menschen zu integrieren, oder klärt rund um das Thema gesunde Alltagskost auf.

Unterstützung aus dem Ausland

Ende 2006 hat in Ramallah eine neue Kunstakademie eröffnet, die "International Academy of Art Palestine", finanziert mit Geldern aus Schweden.

Nicht zum ersten Mal wird auf diese Weise von außen versucht, das kulturelle Leben Palästinas nicht zum Erliegen kommen zu lassen.

Die fehlende Unabhängigkeit ist das größte Problem der palästinensischen Kunst. Ob Institutionen oder die mit ihnen kooperierenden ausländischen Sponsoren – alle kommen mit vorgefertigten Ideen, insbesondere der, dass die palästinensische Kunst politisch sein müsse.

An solchen Konzepten regt sich derweil aber auch Kritik, zum Beispiel von Mitgliedern der unabhängigen Kreativtruppe namens "Idioms". Als dem institutionalisierten und zum großen Teil am ausländischen Geldtropf hängenden Kulturbetrieb skeptisch gegenüber stehende Zeitgenossen spüren sie deutlich, dass es nicht nur schwer, sondern fast unmöglich ist, in Palästina ohne die eingespielten Netzwerke als Künstler zu überleben.

Sebastian Blottner

© Qantara.de 2007

Sebastian Blottner war im Rahmen des Austauschprogramms für Kulturjournalisten der Heinrich-Böll-Stiftung im Dezember 2006 in Ramallah.

Qantara.de

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