Neue Impulse für interkulturellen Dialog

Im Oktober wird die größte Moschee Deutschlands in Duisburg-Marxloh offiziell eröffnet. Mit einer 23 Meter hohen Kuppel und einem 34 Meter hohen Minarett ist sie ein imposanter Bau.

Von Karin Jäger

​​Marxloh, ein Stadtteil Duisburgs, aus dem viele Deutschen einst flohen – mit Häusern, die als Kulisse für einen Film im Nachkriegsdeutschland taugen:

Dunkelrote Backsteinbauten reihen sich aneinander, überzogen von einer dunklen Schicht Kohlenstaub. Tristesse prägt die Szene. Duisburg-Marxloh ist heute ein sozialer Brennpunkt. Hier beobachtet man viele Kopftuch tragende Frauen, das Straßenbild ist geprägt von türkischen Einkaufsläden.

Doch anlässlich des Moscheebaus und der baldigen Eröffnung tauchen hier öfters auch Deutsche auf, die neugierig sind. Die einen finden den imposanten Bau architektonisch beeindruckend und ästhetisch und schauen sich die Moschee auf einem Spaziergang näher an. Die anderen wollen mit den Muslimen ins Gespräch kommen, um über den islamischen Glauben etwas in Erfahrung zu bringen.

Gestiegenes Interesse am Moscheebau

Auf muslimischer Seite ist das Interesse an der Moschee bereits seit einiger Zeit gewachsen. Und bald werden noch mehr kommen, um in der großen Moschee zu beten. Das freut die Gruppe der türkischen Rentner, die seit Jahrzehnten in Deutschland leben und die mit strahlenden Augen vor der Moschee diskutieren.

"Die Türen stehen hier jedem offen", erzählt Osman Calek begeistert. "Das ist ein Dialogzentrum, da kann jeder mitkommen und mitmachen. Da gibt es keine Nationalitäten."

Osman Calek kommt jeden Tag zur Baustelle. Diplomingenieur wollte er werden, doch vor 40 Jahren landete schließlich im Bergbau. Vier Kinder hat der Pensionär und bereits zwei Enkel, die alle hier geboren wurden und alle praktizierende Muslime sind.

Noch wird gehämmert, gestrichen. Und noch werden Teppiche verlegt. Denn die Zentralmoschee wird das derzeit größte Gebetshaus für Muslime in Deutschland. Ab Ende Oktober soll sie den Bürgern muslimischen Glaubens ein Stück Heimat bieten.

Freundlich wirkt der helle Sandsteinbau. Das 34 Meter hohe Minarett wird überragt von den Schloten des Stahlwerks. Damit soll verhindert werden, dass der Gebetsturm als Machtsymbol wahrgenommen wird.

Goldfarbene Spitzen mit Halbmond

Auch wird kein Muezzin die Gläubigen zum Gebet rufen – wie dies im Islam eigentlich üblich ist. Die goldfarbenen Spitzen mit dem Halbmond sind der einzige Glanz außerhalb der Moschee, die 1200 Menschen Platz bietet. Auffallend, die großen bodentiefen Fenster.

Zülfiye Kaykin ist Geschäftsführerin der Begegnungsstätte in Marxloh und Mitglied der Türkisch-Islamischen Union. Für ihren Einsatz um den interkulturellen Dialog wurde sie bereits mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Hinsichtlich der Architektur meint sie:

"Wir haben natürlich immer sehr breit diskutiert, den Betonbau einfacher, transparenter und offener gestalten. Zur Transparenz gehört dazu, dass man hineinsehen kann und so auch Hemmschwellen und Ängste abbauen kann. Von daher hat das auch eine symbolische Bedeutung, dass die Fenster durchsichtig sind und dass man einen Blick in das Gebäude werfen kann."

Die Bürger sollten mitbekommen, was in einem muslimischen Gotteshaus vor sich gehe, so Kaykin: "Letztlich sagen wir, dass Muslime nichts zu verbergen haben und das kann man so deutlich auch nach außen transportieren."

Innen ist die Moschee prunkvoller als die äußere Erscheinung erwarten lässt – mit goldener, roter und blaufarbenen Deckenbemalungen, riesigen vergoldeten Leuchtern und Wandmosaiken.

Hoffnung auf interkulturellen Dialog

Dass auch Nichtmuslime den Weg in das Gebäude finden, erhofft sich Zülfiye Kaykin. Denn die Moschee soll ein öffentlicher Raum sein, eine interkulturelle und interreligiöse Begegnungsstätte mit Bibliothek, Seminarräumen und Cafeteria.

Nicht die Muslime, sondern Kommunalpolitiker hatten die Idee dazu. Das Land Nordrhein-Westfalen und die Europäische Union stellten 3,2 Millionen Euro zur Verfügung, ein Drittel der Gesamtsumme des Baus. Auch die "nicht-muslimische Gesellschaft" war aktiv seit zehn Jahren in die Planung und Umsetzung miteinbezogen.

Dennoch gibt es unter den deutschen Bürgern Befürchtungen, dass die Parallelgesellschaft, die Separation statt Integration gefördert wird, denn der Islamgottesdienst wird nicht auf Deutsch, sondern Türkisch gehalten. Die Imame kommen aus der Türkei. Mustafa Kücük wirbt um Verständnis:

"Wir müssen wissen, dass es in Deutschland erst seit einigen wenigen Jahren möglich ist, in Münster und Frankfurt momentan, islamische Theologie zu studieren", so Mustafa Kücük. "Und wir haben eine Theologin im Haus, die in der Begegnungsstätte angestellt ist, die evangelische Theologie studiert hat – eine Muslima."

Die Potentiale seien noch nicht vorhanden, so Kücük weiter. Man könne aber froh sein, dass es früher die Möglichkeit gab, aus dem Pool dieser Imame zu schöpfen. "Ich persönlich meine, wir können froh sein, dass es so war, denn wir hätten sonst viel mehr Radikale und Extremisten in dieser Szene. Viele sind sich dessen gar nicht bewusst. Das muss man gar nicht negativ auffassen."

Karin Jäger

© DEUTSCHE WELLE 2008

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