Der lange Arm des Baath-Regimes

Seit Monaten versucht Syriens Präsident Bashar Al-Assad die Opposition im Land auf brutale Weise und mit allen Mitteln zu unterdrücken. Doch auch im Exil sind syrische Regime-Gegner offenbar nicht sicher.

Von Bettina Marx

Sondos Sulaiman lebt seit fast zehn Jahren in Deutschland. Sie stammt aus der Stadt Hama in Syrien und musste ihre Heimat verlassen, weil sie sich in einer Oppositionspartei engagierte, die Freiheit und Gleichberechtigung für alle Syrer fordert. "Partei für Demokratie und Modernität", so der Name der Gruppierung, die in Berlin ein kleines Büro unterhält.

Es sei eine säkulare Partei, die in allen syrischen Städten Mitglieder habe, sagt Sondos Sulaiman. Sie setze sich für die Gleichstellung aller Syrer ein, "egal welche Religion sie haben, egal ob sie Araber oder Kurden, Sunniten oder Alawiten sind. Wir müssen alle gleiche Rechte haben."

Rechte für alle Syrer

Die junge Frau mit den schwermütigen schwarzen Augen gehört der religiösen Minderheit der Alawiten an, die zusammen mit Christen und Drusen nur etwa zehn Prozent der Bevölkerung ausmachen. Auch Präsident Bashar Al-Assad und seine Familie sind Alawiten. Sie haben dafür gesorgt, dass die Minderheit sämtliche Schlüsselstellungen in Militär und Politik Syriens kontrolliert und weitreichende Privilegien genießt.

Sondos Sulaiman will von dieser Bevorzugung nichts wissen. Sie will keine Privilegien, sondern Rechte. "Die Alawiten haben Rechte", sagt sie mit Nachdruck, "Aber diese Rechte sind nicht das Geschenk des Präsidenten. Sie stehen den Alawiten zu, so wie allen anderen Syrern auch."

Nun kämpft Sondos Sulaiman zusammen mit ihren Parteifreunden von Berlin aus für Freiheit und Demokratie in ihrer Heimat Syrien. Über das Internet verbreitet sie ihre Botschaft.

In einem Film, den sie bei Youtube einstellte, beschuldigt sie das Assad-Regime, sowohl Zivilisten als auch Angehörige der Sicherheitskräfte zu töten. Sie appelliert an ihre Glaubensbrüder, die Alawiten, sich dieser Tatsache zu stellen. Doch der lange Arm des syrischen Regimes erreicht die Aktivistin auch im fernen Exil. Über Email und per Telefon wurde sie unter Druck gesetzt, ihre Aktivitäten einzustellen. Als das nichts half, wurde ihre Familie zuhause in Hama drangsaliert.

Druck auf die Familien in Syrien

"Meine Familie wurde wegen meiner Aktivitäten hier in Deutschland von diesem Regime und vom Sicherheitsdienst gequält und unterdrückt", erzählt sie. Dabei gehöre ihre Familie nicht der Opposition an. Ihr Bruder müsse sich regelmäßig beim Geheimdienst melden, immer wieder werde er befragt, was er über die aufmüpfige Schwester in Deutschland und ihre Aktivitäten wisse.

​​Nachdem sie ihr Video verbreitet hatte, in dem sie sich besonders an die Alawiten in Syrien wandte, wurde ihr Bruder sogar gezwungen, im staatlichen Fernsehen aufzutreten und dort seine Schwester öffentlich zu diffamieren. Noch schlimmer erging es dem Bruder von Khaled, einem anderen in Deutschland lebenden Exil-Syrer. Er wurde verhaftet und einen Monat lang in einem Geheimgefängnis gefoltert. Nach seiner Freilassung tauchte er unter und hält sich seither versteckt.

Khaled und Sondos sind keine Einzelfälle. Seit Beginn der Protestwelle in Syrien geht das Regime mit großer Brutalität gegen die Angehörigen von Oppositionellen vor, die im Ausland leben. Amnesty International (AI) hat in einem gerade veröffentlichten Bericht zahlreiche Fälle von Exilsyrern in den USA, Kanada, Chile und Europa dokumentiert, die unter massiven Druck gesetzt wurden und deren Familien in der Heimat drangsaliert wurden. Mit großer Sorge beobachtet die Menschenrechtsorganisation die Lage in Syrien.

Mit eiserner Faust gegen Zivilisten

"Die syrischen Behörden gehen mit brutaler Gewalt gegen die Demonstrierenden vor", sagt Kristina Schmidt, die Syrien-Expertin von Amnesty in Berlin. "Sie setzen Scharfschützen und Panzer gegen die Bevölkerung ein. Das Ausmaß der Gewalt, das die syrische Regierung gegen die Bevölkerung anwendet, betrachtet Amnesty International als Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das geahndet werden muss."

Mindestens 2.200 Menschen sollen bei den friedlichen Protesten gegen das Regime bislang getötet worden sein, so Kristina Schmidt. Außerdem seien Tausende inhaftiert worden und in den Gefängnissen Folterungen und anderen Misshandlungen ausgesetzt.

Bereits im letzten August hatte Amnesty in einem Bericht dokumentiert, dass 88 Menschen in Haft ums Leben kamen, mindestens die Hälfte von ihnen seien nachweislich durch Folter und andere Misshandlungen gestorben. Bis heute ist diese Zahl auf mehr als 100 angestiegen.

Informationen bekommt Amnesty International durch Augenzeugen, Flüchtlinge und Exilanten. Vieles wird per Internet und Telefon verbreitet. In Syrien selbst gibt es derzeit keine unabhängigen Beobachter. Auch ausländische Journalisten werden nicht ins Land gelassen.

Bettina Marx

© Deutsche Welle 2011

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de