Pragmatiker zwischen den Fronten

Schenuda III., das Oberhaupt der ägyptischen Kopten, ist am vergangenen Wochenende gestorben. Der christlich-orthodoxe Würdenträger hatte Zeit seines Amtes mit Islamisierung, Diktatur und Revolution zu kämpfen. Wer sein Nachfolger wird, ist bislang noch unklar. Aus Kairo informiert Karim El-Gawhary

Wie positioniert man eine christliche Kirche in einem muslimischen Land in Zeiten wachsender Islamisierung? Das war die größte Herausforderung des Oberhaupts der ägyptischen Kopten, Papst Schenuda III.

Am Wochenende starb der charismatische 88jährige, der die Gemeinde der orthodoxen Kopten vier Jahrzehnte lang geführt hatte.

Die geschätzten acht Millionen Kopten, Mitglieder einer der ältesten Kirchen der Welt, machen ungefähr ein Zehntel der ägyptischen Bevölkerung aus. Dazu kommen zwei Millionen Kopten im Exil.

Zehntausende Christen versammelten sich nach der Nachricht seines Todes am Samstag (17.3.) in der Kairoer St. Markus-Kathedrale. Auch aus dem muslimischen Establishment kamen Beileidsbekundungen. "Ägypten hat einen einzigartigen Mann zu einer sensiblen Zeit verloren, in der es die Weisesten, ihre Erfahrung und ihren klaren Kopf, dringend nötig hat", erklärte der Großscheich der islamischen Azhar-Universität, eine der höchsten Rechtsautoritäten im sunnitischen Islam.

Koptische Christen in Ägypten trauern um den verstorbenen Papst Shenuda III.; Foto: EPA/MOHAMED OMAR
Abschied vom charismatischen Patriarchen: Tausende koptische Christen trauerten in Kairo um ihren verstorbenen Papst und beteten für den in der St. Markus-Kathedrale Aufgebahrten. Der 88-Jährige war am Samstag (17.3.) nach schwerer Krankheit gestorben. Schenuda III. wurde 1971 zum Oberhaupt der Kopten gewählt und stand über 40 Jahre an der Spitze der koptisch-orthodoxen Kirche.

​​Neben der Islamisierung und den Spannungen zwischen Muslimen und Christen hatte Schenuda im vergangenen Jahr mit einem weiteren Problem zu kämpfen: der Neudefinition der Kirche gegenüber der weltlichen Macht. Nachdem der Papst bis zuletzt dem Diktator Hosni Mubarak die Stange hielt, musste die Kirche ihre Position im revolutionären Ägypten finden. Schenuda tat dies, indem er die neuen Machthaber, den Obersten Militärrat, hofierte.

Als aber dann im Oktober eine mehrheitlich koptische Demonstration vom Militär brutal aufgelöst wurde und 26 Menschen getötet wurden, bezeichnete der Papst die Toten als "Märtyrer" und verurteilte die Gewalt des Militärs. Doch zur koptischen Weihnachtmesse am 7. Januar war Ägyptens Generalität erneut eingeladen, begrüßt von Schenuda, während koptische Jugendliche im Hintergrund offen zum Sturz der Militärherrschaft aufriefen.

Politischer Hitzkopf

Für den 117. Papst von Alexandria, dem Nachfolger des Evangelisten Markus, war das Verhältnis zur weltlichen Macht eine Frage, die ihn nie losließ und auf die er unterschiedliche Antworten fand. Nach seiner Inthronisierung 1971 galt er zunächst als politischer Hitzkopf, der nicht nur die Kirche von innen erneuern wollte, sondern den Kopten wieder einen prominenteren Platz in der Gesellschaft zuweisen wollte. Dabei kämpfte er gegen die Zeichen der Zeit.

Ägypten wurde seit Mitte der 1970er Jahre von einer Islamisierungswelle überzogen und das Regime in Kairo machte immer mehr Zugeständnisse an die Muslimbrüder, die mit dem Slogan "Der Islam ist die Lösung" die Straßen des Landes am Nil eroberten.

Als der ehemalige ägyptische Präsident Anwar al-Sadat die Prinzipien der Scharia im 2. Artikel der ägyptischen Verfassung als eine Quelle der Rechtssprechung festschrieb, war die Konfrontation zwischen Regime und Kirche vorgezeichnet. Papst Schenuda sagte 1981 die offiziellen Osterfeierlichkeiten ab, und weigerte sich, eine Regierungsdelegation zu empfangen.

Sadat schickte den Papst ins Exil, in das Wüstenkloster Wadi Natrun - dort wo Schenuda, dessen eigentlicher Name Nazeer Gayed lautete, einst als Mönch unter dem Namen "Bruder Antonius der Syrer" seine klerikale Karriere begonnen hatte. Dort hatte er sogar sechs Jahre in einer Höhle als Eremit zugebracht.

Als Schenuda im Wüstenkloster im Exil saß, wurde Sadat von militanten Islamisten umgebracht, den Geistern, die er selbst geweckt hatte.

Es dauerte allerdings noch drei Jahre, bis dessen Nachfolger Hosni Mubarak den koptischen Papst wieder nach Kairo zurückgeholt hatte. Danach herrschte eine Art Waffenstillstand zwischen Kirche und Regime.

Vorwürfe junger Christen

Trotz wachsender Diskriminierung der Kopten und der immer wieder aufflammenden, zum Teil auch blutig ausgetragenen Auseinandersetzungen, in denen Muslime, nicht zuletzt angesteckt von radikalen islamistischen Ideen, ihre koptischen Nachbarn attackierten, rief Schenuda die Kopten stets auf, die Ruhe zu bewahren.

Dafür warfen ihm vor allem die jüngeren Christen, aber auch koptische Organisationen außerhalb des Landes vor, die Rechte der Christen nicht entschieden genug zu verteidigen. Die Kirche argumentierte stets, dass diese Proteste die Konflikte zwischen den Religionsgruppen in Ägypten nur noch verschärfen würden.

Unbestritten ist, dass Schenuda unermüdlich die weltweite Ausdehnung seiner Kirche vorantrieb. Gab es beispielsweise bei seinem Antritt 1971 nur vier koptische Kirchen in den USA, sind es heute über 200. Auch in Europa gibt es heute 50 koptische Kirchen und zehn koptische Bischöfe.

Im Dialog

Papst Schenuda III. mit Ahmed al-Tayeb, Großscheich der islamischen Azhar-Universität; Foto: EPA/KHALED EL FIQI
Zwischen Islamisierung, Revolution und Diktatur: Mit der Positionierung seiner Kirche in schwierigen Zeiten verschaffte sich der koptische Papst auch Anerkennung bei muslimischen Würdenträgern, wie dem Großscheich der islamischen Azhar-Universität, Ahmed al-Tayeb, der Schenouda als "einen einzigartigen Mann" bezeichnet hatte.

​​Ein besonderes Anliegen war Schenuda, aufgewachsen als jüngstes von acht Kindern in der oberägyptischen Stadt Assiut, der Dialog mit anderen Kirchen. 1973 traf er nach 1.500 Jahren als erster koptischer Papst den Papst in Rom. Das hielt Schenuda allerdings nicht davon ab, den katholischen Papst Benedikt für dessen Äußerungen in seiner kontroversen Islam-Rede in Regensburg zu kritisieren.

Benedikt habe die Gefühle und die möglichen Reaktionen der Muslime nicht ausreichend berücksichtigt. "Leidenschaft gegenüber seiner eigenen Religion zu zeigen, sollte nicht dazu führen, über die Religion anderer zu urteilen", erklärte er.

Hart gegen Israel

Gegenüber Israel nahm das geistige Oberhaupt der größten christlichen Gemeinde in der arabischen Welt stets eine harte Haltung ein. "Christen sollen Jerusalem nur Hand in Hand mit ihren muslimischen Brüdern besuchen, wenn der dortige Konflikt im Sinne aller Beteiligten gelöst ist", ließ er wiederholt verlauten und drohte jedem ägyptischen Christen, der nach Israel einreiste, mit dem Ausschluss von der Kommunion. De facto schaute die Kirche aber meist weg, wenn einzelne Kirchengemeinden dennoch Pilgerfahrten ins Heilige Land organisierten.

Unklar ist, wer die Nachfolge Schenudas antreten wird. Traditionell erhält meist ein relativ unbekannter Mönch diese Position. Drei Kräfte werden versuchen, bei der Nachfolge mitzureden. Die Regierung in Kairo wünscht sich einen Papst, der die Kopten mobilisieren kann, ohne dabei aber eine unabhängige Politik zu verfolgen.

Die zwei Millionen Kopten im Ausland wollen einen Papst, der offensiver gegen die Diskriminierung ihrer Glaubensbrüder in Ägypten auftritt. Einflussreiche koptische Geschäftsleute bevorzugen ein geistiges Oberhaupt, das lieber zurücksteckt, als die Koexistenz mit den Muslimen zu gefährden.
Papst Schenuda wird gemäß seinem Wunsch am Dienstag (20.3.) im Wüstenkloster in Wadi Natrun begraben. Bis dahin wird er in der Markus-Kathedrale in Kairo aufgebahrt.

Karim El-Gawhary

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