Neues Kapitel in den muslimisch-christlichen Beziehungen
Beim Katholisch-Muslimischen Forum in Rom trafen sich internationale Vertreter des Islams und des Katholizismus. Mit diesem historischen Treffen einigten sich auf die Errichtung eines dauerhaften Katholisch-Muslimisches Komitees. Corinna Mühlstedt informiert.
Unter dem Motto "Die Liebe zu Gott und die Liebe zum Nächsten" fand vom 4. bis 6. November in Rom das erste Seminar des Katholisch-Muslimischen Forums statt. Je 29 internationale Vertreter des Islams und der katholischen Kirche hatten dort über "die theologischen Grundlagen des Dialogs" und über "die Würde des Menschen" gesprochen.
Dieses historische Treffen ging mit einer überraschend detaillierten Abschlusserklärung aller Beteiligten zu Ende. Verlesen wurde sie vor mehreren Hundert Gästen vom Sprecher der muslimischen Delegation, Professor Ibrahim Kalin:
"Wir bekennen, dass Katholiken und Muslime dazu berufen sind, Liebe und Harmonie unter den Menschen zu verbreiten. Sie müssen jeder Form von Unterdrückung ebenso entgegenwirken wie aggressiver Gewalt und Terror, vor allem dann, wenn er im Namen der Religion ausgeübt wird."
Ende der Instrumentalisierung der Religionen?
Über 1300 Jahre haben sich Muslime und Christen einander der Irrlehre bezichtigt. Oft vermischten sich dabei religiöse Fragen mit machtpolitischen Interessen. Waffengewalt trat an die Stelle logischer Argumente.
Erst das Zweite Vatikanische Konzil öffnet 1965 in der Erklärung "Nostra Aetate" auf katholischer Seite die Tür für den Dialog. Darin hieß es: "Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime; sie ermahnt alle, das Vergangene beiseite zu lassen und sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen."
Papst Johannes Paul II förderte seit den 80er Jahren den Dialog intensiv. 1995 rief er ein "Komitee für islamisch-katholische Zusammenarbeit" ins Leben. 1998 wurde ein Abkommen mit der renommierten ägyptischen Universität von Al-Azhar geschlossen. Gespräche in anderen islamischen Ländern folgten.
Zum Prüfstein für die Beziehungen zwischen beiden Religionen wurden die Terroranschlägen vom 11. September 2001. Doch der damalige Präsident des päpstlichen Rates für den interreligiösen Dialog, Erzbischof Michael Fitzgerald, betont rückblickend: "Ich bin froh, dass wir am Tag nach den Anschlägen in New York, am 12. September, bereits in der Lage waren, als Christen zusammen mit unseren muslimischen Partnern Verlautbarungen zu öffentlichen. In ihnen haben wir gemeinsam den Terror und diese Attentate verurteilt."
Regensburger-Rede des Papsts: Aufforderung zum Dialog?
Als 2006 Benedikt XVI in seiner Rede an der Universität von Regensburg dem Islam vorwirft, irrational und gewalttätig zu handeln, ist die Empörung in der muslimischen Welt groß. Doch der Papst bittet, seine Rede als Aufforderung zum Dialog zu sehen.
Ein Jahr später richten 138 hochrangige islamische Gelehrte einen "offenen Brief" an ihn und andere führende Kirchenvertreter, in dem sie betonen: "Die Zukunft der Welt hängt also vom Frieden zwischen Muslimen und Christen ab; wir haben eine Basis für diesen Frieden. Sie ist ein grundlegendes Prinzip unserer beider Glaubenstraditionen: Es ist die Liebe zu Gott und zum Nächsten."
Überbringer des Schreibens war damals der jordanische Prinz Ghazi bin Muhammad bin Talal. Kardinal Jean Louis Tauran, der seit 2007 den Päpstlichen Dialograt leitet, würdigt den Text sofort: "Ich habe hier zum ersten Mal erlebt, dass Muslime, wenn sie über Jesus sprechen, die Bibel zitieren und nicht den Koran. Das ist etwas Neues. Die unterzeichnenden Muslime kommen aus allen Kontinenten, Sunniten gehören ebenso zu ihnen wie Schiiten. Auch das ist etwas völlig Neues. Ich würde sagen, dieser Brief zeigt eindeutig den Willen der Muslime, uns klar zu machen, dass sie nicht unsere Feinde sind.
Christlich-muslimisches Konfliktmanagement
Noch bevor Benedikt XVI im November 2007 das Schreiben offiziell beantwortet, empfängt er bei einem interreligiösen Gebetstreffens in Neapel Vertreter aller Weltreligionen. Unter ihnen sind zahlreiche Muslime, denen der Papst versichert, dass die katholische Kirche beabsichtige, "den Weg des Dialogs weiterzugehen und voranzutreiben, damit das Verständnis wächst zwischen den verschiedenen Kulturen und religiösen Traditionen". Zudem hoffte Benedikt XVI, dass "dieser Geist sich immer weiter verbreitet, vor allem dort, wo die Spannungen groß sind."
Als daraufhin im März 2008 Vertreter beider Religionen in Rom das "katholisch-muslimische Forum" gründen, schlagen sie ein neues Kapitel in der Geschichte muslimisch-christlicher Beziehungen auf.
Nicht umsonst betont die Abschlusserklärung der nun in Rom zu Ende gegangenen ersten Seminars des Forums den gemeinsamen Willen, "ein dauerhaftes Katholisch-Muslimisches Komitee einzurichten, das auch in Konfliktsituationen die Reaktionen der Religionsvertreter koordiniert."
Corinna Mühlstedt
© Deutsche Welle 2008
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