Echos einer gemeinsamen Vergangenheit

Five men in dark robes face the camera.
Amir Amiri (Santur) und seine Kollegen: Abdul-Wahab Kayyali (Oud), Reza Abaee (Ghichak), Omar Abu Afach (Bratsche) und Hamin Honari (Percussions). (Foto: Promo/Liliana Merizalde)

Auf seinem neuen Album „Ajdad“ vereint der in Montreal lebende iranische Komponist und Santur-Meister Amir Amiri arabische und persische Musik – zwei Traditionen, die durch Unterdrückung und Konflikt auseinandergerissen wurden.

Von Richard Marcus

Als 1980 der Krieg zwischen Iran und Irak ausbrach, tat sich eine scheinbar unüberwindbare Kluft zwischen persischer und arabischer Kultur auf. Die Islamische Republik Iran, die nach der Revolution von 1979 gegründet worden war, stilisierte den Konflikt zu einem Kampf zwischen der arabischen und der persischen Welt. Die Idee, Musik könne eine Brücke zwischen den beiden Völkern schlagen, schien fast undenkbar.

Mit „Ajdad – Ancestors: Echoes of Persia“ taucht das Amir Amiri Ensemble nicht nur in die Geschichte der iranischen Musik ein, wie der Titel nahelegt. Das Album wagt zugleich den Blick nach vorn, indem es die Kluft zwischen iranischer und arabischer Musik überwindet und etwas Neues schafft. 

Trees and birds on artistic cover

Amir Amiris Vater wuchs im Norden des Iran an der Grenze zum Irak auf und kam schon früh mit arabischer Musik in Berührung. Dieses Interesse und die Offenheit, über die Landesgrenzen hinauszublicken, gab er an seinen Sohn weiter. 

Nach der Revolution kriminalisierte der Iran nicht nur arabische Musik, sondern Musik im Allgemeinen. In Teheran musste der junge Amiri seine Santur, ein altes 72-saitiges Instrument, in eine Decke gewickelt durch die Straßen schmuggeln, um zum Unterricht zu gelangen.

Erst nach seiner Emigration ins kanadische Montreal 1996 konnte Amiri seine musikalischen Horizonte erweitern. Ein Hindernis war die Santur selbst, deren Stimmung es erschwerte, bestimmte Arten von Musik zu spielen. 

In Kanada lernte er Mohsen Behrad kennen, der eine Santur mit beweglichen Stegen entwickelt hatte. Diese Innovation erlaubte ihm, eine Vielzahl von Musiktraditionen zu erkunden. Amiri lernte außerdem Musiker aus der gesamten arabischen Welt kennen, die ihm halfen, eine Brücke zwischen den beiden lange getrennten Musiktraditionen zu schlagen. 

Sein Ensemble besteht aus einem ständig wachsenden Kreis geflüchteter arabischer und iranischer Musiker in Kanada. Sie spielen Instrumente, die die Vielfalt der im Iran und im Nahen Osten gebräuchlichen Musikinstrumente widerspiegeln. 

Der Violin- und Violaspieler Omar Abu Afach kam 2015 aus Syrien nach Kanada. Der Oud-Spieler Abdul-Wahab Kayyali, ein im Libanon geborener Palästinenser, arbeitet in Jordanien und Montreal. Reza Abaee spielt die persische Geige Ghichak und lebt derzeit in Montreal; Hamin Honari ist ein iranisch-kanadischer Perkussionist. 

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In jedem Stück erkunden Amiri und sein Ensemble die Vielfalt musikalischer Muster und Formen der klassischen persischen und arabischen Musik und führen die Zuhörenden in das Herz beider Traditionen. Die meisten Stücke sind traditionelle Tänze oder basieren auf klassischer persischer Musik; einige Lieder hat Amiri selbst komponiert. 

Das meditative „Yadegar Doust“ (Erinnerung an Freunde) beschreibt Amiris Schwierigkeiten, sich an das Leben in einem neuen Land zu gewöhnen, sowie seine Sehnsucht nach den Menschen, die er zurückließ. Für ein Instrumentalstück vermittelt es die komplexen Emotionen des Themas mit bemerkenswerter Klarheit – wir spüren sowohl den Verlust als auch die Hoffnung auf eine neue Zukunft.

Amiris Erkundungen gehen über die arabische Musik hinaus: „Homayoun“ (Königlich) ist von türkischen Einflüssen geprägt, während „Ragseh Sama“ (Sama-Tanz) kurdische Traditionen aufgreift. Angesichts der Marginalisierung der Kurd:innen im Nahen Osten und im Iran spiegelt Amiris Auseinandersetzung mit ihren musikalischen Traditionen den Wunsch wider, die kulturellen Grenzen der Region zu überwinden.

Das Amir Amiri Ensemble hat begonnen, die ersten Pfeiler einer neuen musikalischen Brücke zwischen dem Iran und der arabischen Welt zu bauen, um die Gemeinsamkeiten ihrer musikalischen Traditionen und Völker sichtbar zu machen.

Trotz der Versuche der iranischen Regierung, die Bevölkerung von ihren kulturellen Traditionen, insbesondere ihrer reichen und vielfältigen Musiktradition abzuschneiden, halten Künstler wie Amir Amiri und Aufnahmen wie „Ajdad“ dieses Erbe lebendig und lassen es weiter wachsen.

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Aus dem Englischen übersetzt von Claudia Kotte.

 

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