Frischer Wind für Verleger

Nachdem die traditionsreiche Kairoer Buchmesse als Folge der Revolution am Nil noch im letzten Jahr ein Schattendasein fristete, nimmt das Publikumsinteresse nun wieder spürbar zu. Gefragt sind vor allem Bücher, die die jüngere Generation bewegen. Von Amira El Ahl

Von Amira El Ahl

Das Mittagsgebet hat gerade begonnen und im saudischen Zelt knien in einem abgetrennten Raum die Männer zum Gebet in Richtung Mekka nieder. Unbeeindruckt davon geht in den Gängen um sie herum das geschäftige Treiben weiter.

Überall sind Stände mit Büchern über den Islam und islamisches Recht aufgebaut, davor stehen vor allem Männer mit langen Bärten und zu kurz geratenen "Galabeyas", den langen, meist bis auf die Füße reichenden Gewändern. In dieses Zelt kommen offenbar hauptsächlich wahabitisch inspirierte Salafisten, um sich mit neuer Lektüre zu versorgen.

Es ist das Jahr zwei nach der Revolution und zum ersten Mal findet die Kairoer Buchmesse wieder im vollen Umfang statt. 735 Verleger sind zur 44. Kairoer Buchmesse gekommen, um dem Publikum Bücher vorzustellen und zu verkaufen. Es ist die größte und älteste Buchmesse der arabischen Welt und sie beginnt traditionell immer in der letzten Woche im Januar.

Vor zwei Jahren war schon alles aufgebaut, als die Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz im Zentrum der Stadt begannen. Die Messe wurde daraufhin kurzfristig abgesagt. 2012 fand sie zwar wieder statt, aber immer noch "mit angezogener Handbremse".

Sherif Bakr (Mitte) im Gespräch mit Goethe-Institutsleiterin Gabriele Becker; Foto: Amira El Ahl
Erfahrungsaustausch und Hilfe zur Selbsthilfe: Das Goethe-Institut bietet jungen Verlegern die Chance, Hospitationen in deutschen Verlagen zu absolvieren und Buchhändlern die Möglichkeit, vier Wochen lang in einer deutschen Buchhandlung zu hospitieren.

​​Jetzt also soll es endlich wieder richtig losgehen. Am Tag nach der offiziellen Eröffnung – wegen des Prophetengeburtstages ein Feiertag in Ägypten – strömen schon am frühen Nachmittag Tausende über das Messegelände im Kairoer Madinat Nasr.

"Urbanität leben"

In Halle 19, einem der Hauptgebäude des Geländes, wird an diesem Tag der deutsche Messestand für das Publikum eröffnet. Er wird wie in jedem Jahr von der Frankfurter Buchmesse in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut organisiert. 450 Neuerscheinungen aus Deutschland werden hier präsentiert, darunter literarische Neuerscheinungen.

Dazu kommt eine extra für die internationalen Messen zusammengestellte Buchkollektion der Frankfurter Buchmesse, die in diesem Jahr unter dem Titel "Urbanität leben" steht, sowie Bücher über Ägypten. Außerdem stellen fünf Verlage ihre Neuerscheinungen vor, darunter der Suhrkamp-Verlag.

Nach der offiziellen Eröffnung durch den deutschen Botschafter Michael Bock und die Institutsleiterin des Goethe-Instituts Kairo Gabriele Becker findet am Messestand eine Diskussionsrunde zu den Trainingsprogrammen und Besucherreisen des Goethe-Instituts für ägyptische Verleger und Buchhändler statt.

Seit 2008 führt das Goethe-Institut Kairo Trainingsprogramme für ägyptische Verleger durch, die vom ägyptischen Verlegerverband unterstützt werden. Das Goethe-Institut bietet jungen Verlegern die Chance, Hospitationen in deutschen Verlagen zu absolvieren und Buchhändlern die Möglichkeit, vier Wochen lang in einer deutschen Buchhandlung zu hospitieren.

Einer, der von Anfang an mit dabei gewesen ist, leitet an diesem Nachmittag die Diskussionsrunde am Stand der Frankfurter Buchmesse. Sherif Bakr hat gemeinsam mit Sherif Kassem und dem Goethe-Institut das Langzeitprojekt "Training Programme for Publishers from the Arab World" organisiert, um dem arabischen Verlagswesen zu helfen sich zu modernisieren.

Sherif Barkr auf der Buchmesse in Kairo; Foto: Amira El Ahl
Sherif Bakr (m.) hat gemeinsam mit Sherif Kassem und dem Goethe-Institut das Langzeitprojekt "Training Programme for Publishers from the Arab World" organisiert, um dem arabischen Verlagswesen zu helfen sich zu modernisieren.

​​Denn obwohl das Verlagswesen in der arabischen Welt eine lange Tradition hat und Ägypten mit etwa 650 Verlagshäusern und seiner internationalen Buchmesse über die größte Buchindustrie der Region verfügt, krankt es im arabischen Verlagswesen an vielen Dingen.

Neue Literatur für neue Generationen

Meist sind die Verlage alteingesessene Familienbetriebe, die extrem hierarchisch aufgebaut sind und in denen Entscheidungen über das Verlagsprogramm kaum bis gar nicht kommuniziert werden. Zudem fehlen Vertriebsstrukturen fast gänzlich. Doch das größte Problem der arabischen Verleger ist, dass ihnen das Publikum fehlt.

Denn obwohl 300 Millionen Menschen Arabisch sprechen, werden durchschnittlich nur 1.000 bis 3.000 Exemplare eines Buches gedruckt, erklärt Sherif Bakr. Ein Buch, das sich in sechs Monaten 6.000 Mal verkauft, gilt schon als Bestseller.

Doch er ist Optimist. 2005 übernahm er von seinem Vater den Familienbetrieb "Al-Arabi". "Wir haben den schwersten und dunkelsten Teil hinter uns gebracht", sagt Sherif Bakr. Die Kurve zeige nun nach oben. "Es wächst eine neue Generation heran, die andere Dinge lesen will und interessiert ist."

Hinzu kämen eine Reihe junger Verleger, die mit verrückten Ideen frischen Wind in das Verlagswesen bringen würden. "Sie wissen, was die junge Generation bewegt, worüber sie reden und was sie lesen wollen", sagt Sherif Bakr. Sie geben den jungen Leuten was sie wollen und ändern dadurch das Geschäftsmodell der Branche.

Buchstand auf der Buchmesse in Kairo; Foto: DW/N. Eltoukhy
Islamische Literatur im Aufwärtstrend: 60 Prozent der Titel, die auf der Buchmesse verkauft werden, sind religiös, berichtet Amira El Ahl.

​​Die größte Herausforderung der Verleger sei momentan jedoch die wirtschaftliche Lage im Land, sagt Sherif Bakr. 2011 wurde die Kairoer Buchmesse abgesagt, einige Verleger brachten 2011 kein einziges Buch auf den Markt.

Auch die Buchmesse im vergangenen Jahr brachte kaum Entspannung. Die öffentlichen Bibliotheken, die sonst in jedem Jahr die Buchmesse nutzten, um ihre Bestände auf den neuesten Stand zu bringen und treue Abnehmer waren, kauften 2012 kein einziges Buch. Dem Staat fehlt das Geld.

Revolutionsimport unerwünscht

Zudem war die Buchmesse 2012 auch kleiner als in den Jahren zuvor. Die Golfstaaten kamen gar nicht. Eigentlich ist der Golf ein guter Markt für die ägyptischen Verleger, meint Sherif Bakr, jede Universität und Bibliothek kaufe auf der Buchmesse Neuerscheinungen, um den Markt zu unterstützen. "Doch seit der Revolution sind sie vorsichtig geworden mit Verlegern aus Ägypten", sagt Sherif Bakr. "Sie wollen nicht die Revolution importieren."

Die Kairoer Buchmesse ist die Hauptveranstaltung für Universitäten, Bibliotheken und Forschungszentren. 60 Prozent der Titel, die auf der Buchmesse verkauft werden, sind religiös, 60 Prozent der restlichen 40 Prozent akademische. Die Zahlen, sagt Sherif Bakr, sind über die Jahre relativ gleich geblieben, die Revolution hat keinen großen Umschwung gebracht.

"Es war schon immer so, dass auf der Buchmesse hauptsächlich religiöse Titel verkauft wurden." Vielleicht fühlten sich Verleger heute – im Gegensatz zu Mubaraks Zeit – einfach wohler damit, ihre eigene Religiosität zu zeigen und zum Beispiel mit einem Bart Ausdruck zu verleihen, sagt Sherif Bakr.

Die Hoffnungen des Verlegers für die diesjährige Buchmesse ruhen nun vor allem auf den Verkaufszahlen. Die werden bestimmen, wie die Verlage im kommenden Jahr arbeiten können. "Wir machen 40 Prozent unseres Jahresumsatzes auf der Buchmesse, da ist es entscheidend wie gut wir hier verkaufen."

Amira El Ahl

© Qantara.de 2013

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de