Im Dschungel des arabischen Buchmarkts
Anders als die meisten großen Buchmessen der Welt ist die Kairoer Buchmesse vom ersten Tag an auch eine Verkaufsmesse. In den Hallen und Zelten auf dem Messegelände stapeln die Verleger Kartons voller Bücher, die sie hoffen im Laufe der 16 Messetage zu verkaufen. Denn einige Verleger machen bis zu 80 Prozent ihres Jahresumsatzes auf der Buchmesse. Gleichzeitig ist die Messe eine wichtige Vertriebsquelle für die Verlage aus der arabischen Welt.
"Man findet hier Kunden, trifft Verleger, Übersetzer und Autoren", sagt Khalid Al-Maaly, Inhaber des Al-Kamel Verlags, der mit einem großen Stand auf der Messe vertreten ist. Doch das Chaos zu durchschauen, das sich zwischen Hallen und Zelten auf dem Messegelände abspielt, und zu wissen, wer die richtigen Ansprechpartner sind, kann für ausländische Verleger, gelinde gesagt, eine Herausforderung sein.
Aufkeimen einer Idee
"Viele Verlage in der ganzen Welt wollen die arabische Welt erobern", sagt der ägyptische Verleger Sherif Bakr. "Aber es ist die Büchse der Pandora für sie, sie können diese Welt nicht alleine entschlüsseln." Grund hierfür sei zum einen die Sprachbarriere und zum anderen die Kultur, die oft nicht verstanden würde.
Das wollte der 39-jährige Verleger, der seit 1997 im Familienbetrieb seines Vaters arbeitet und 2005 die Geschäfte im Al-Arabi Verlag übernahm, ändern. "Ich kenne beide Seiten und kann zwischen ihnen vermitteln." Seit einem Jahr ist Sherif Bakr im Vorstand des Ägyptischen Verlegerverbands und beschloss seine neue Position und die seine Kompetenz zu nutzen, um die Buchmesse auch für ausländische Verleger interessant zu machen.
Gemeinsam mit der GEBO (General Egyptian Book Organisation) initiierte er Cairo Calling, ein Programm, das ausländischen Verlegern helfen soll, auf der Buchmesse in Kairo die richtigen Ansprechpartner zu finden und die beiden Seiten miteinander in Kontakt zu bringen. "Wir übernehmen dafür den harten Teil", sagt Sherif Bakr.
Führung durch den Messedschungel
Sherif Bakr ließ eine Broschüre drucken und machte auf den Buchmessen in Frankfurt und Sharjah für das Programm Werbung. Die Resonanz war groß: "Wir haben sehr viel Interesse aus der ganzen Welt erhalten", sagt Sherif Bakr. Am Ende kamen drei französische Verlegerinnen, zwei Vertreter der holländischen Literaturstiftung und Tobias Voss, Geschäftsleiter des Bereichs Internationale Märkte der Frankfurter Buchmesse.
Drei Tage lang bekamen die Teilnehmer von Cairo Calling eine professionelle Einführung in die Kairoer Buchmesse. "Das Programm ist eine wundervolle Idee", sagt Tobias Voss. "Wenn man kein Arabisch lesen kann, ist es fast unmöglich zu wissen, auf welche Verlage man sich fokussieren soll." Emanuelle Collas vom französischen Verlag Galaade Édition stimmt ihm zu: "Hier meinen Weg alleine zu finden, ist einfach unmöglich."
An Tag eins macht sich die kleine Gruppe um Sherif Bakr am späten Morgen auf den Weg. Von Halle 19 aus, wo sich hauptsächlich ausländische Buchverlage präsentieren, geht es weiter über das weite Messegelände, von Zelt zu Zelt. Sherif Bakr steuert zielstrebig Messestände von Verlagen an, die einen Fokus auf Übersetzungen aus dem Ausland legen. Denn darum geht es den Teilnehmern: Zum einen Kontakte mit Verlagen zu knüpfen, die Interesse daran haben, Autoren aus ihrem Programm ins Arabische zu übersetzen, und zum anderen interessante Autoren zu entdecken, die sie in ihr europäisches Verlagsprogramm aufnehmen können.
Bis zum Mittag hat die Gruppe schon über 15 Messestände besucht, mit Verlegern gesprochen, Termine abgemacht. Bis zum Abend kommen noch etliche hinzu und der Kalender für die kommenden zwei Tage ist voll mit Geschäftstreffen. Denn an Tag zwei und drei können die Teilnehmer gemeinsam mit einem Übersetzer die Gespräche mit ihren arabischen Kollegen fortsetzen und so ausloten, ob sie miteinander ins Geschäft kommen.
Erfolgreiche Vermittlung
"Wir haben uns Zeit genommen, um über Themen zu diskutieren", erzählt Emanuelle Collas am letzten Abend des Programms. "Die drei Tage waren sehr produktiv und sehr anregend." Vier Verlage haben Interesse an einem von ihr auf Französisch verlegtes Buch gezeigt, und sie ist sehr zufrieden mit dem Resultat.
Obwohl sie die Region kennt und auch schone einige Kontakte hatte, war Cairo Calling eine große Hilfe für sie: "In den vergangenen fünf Jahren hat sich gerade in Ägypten sehr viel getan, es gibt viele neue Verlage und neue Autoren, und die drei Tage haben sehr viele Überraschungen für mich bereit gehalten".
Auch der Kontakt zu den Kollegen aus Holland und Deutschland sei sehr interessant gewesen. "Wir kannten uns vorher nicht, haben dann aber unsere Gespräche gemeinsam geführt, was sehr anregend war." Für sie steht fest, dass sie im nächsten Jahr wiederkommen will. "Der nächste Schritt ist, in Kontakt zu bleiben und die Beziehungen fortzuführen."
Sherif Bakr weiß, wie wichtig es ist, die richtigen Ansprechpartner zu kennen, um Geschäfte zu machen. "Wir bieten den Teilnehmern unsere Erfahrung im arabischen Buchmarkt an", erklärt er, "und die richtigen Leute zu kennen, heißt übersetzt, Geschäft machen zu können."
Doch Cairo Calling soll mehr sein, als nur eine Kontaktbörse. "Wir wollen, dass die Teilnehmer nach der Buchmesse und ihren Meetings einen Geschmack vom wahren Kairo bekommen." Dafür organisierte er unter anderem einen Bauchtanzabend und ein original ägyptisches Abendessen bei Sumaya, die ein Restaurant im Zentrum der Stadt betreibt, das sogar unter Einheimischen als Geheimtipp gilt. Die Pyramiden standen natürlich ebenso auf dem Programm wie eine abendliche Tour durch Alt-Kairo. Dem Ort, an dem der Literaturnobelpreisträger Naguib Mahfouz aufwuchs und der ihm ein Leben lang Inspiration für seine Geschichten blieb.
Amira El Ahl
© Qantara.de 2015
Die 46. Kairoer Buchmesse ist vom 28. Januar bis 12. Februar 2015 geöffnet.