Zwischen Hoffen und Bangen

In seinem ersten Kinospielfilm erzählt der österreichisch-iranische Filmemacher Arash T. Riahi von der Odyssee iranischer Flüchtlinge, die schließlich in Ankara landen, wo sie in einem wenig vertrauenswürdigen Hotel täglich auf den positiven Bescheid ihrer Asylanträge warten. Von Amin Farzanefar

Von Amin Farzanefar

​​Es vergeht wohl kaum ein Jahr, in dem ein iranischer Film nicht irgendwo einen wichtigen Festivalpreis gewinnt – zuletzt ging auf der Berlinale der Silberne Bär an Asghar Farhadis "About Elly" und gerade erhielt in Venedig die weltbekannte Künstlerin Shirin Neshat einen Regiepreis für ihr Spielfilmdebüt "Zarin". Die in Deutschland lebenden gut 100.000 Iraner indes lassen – anders als ihre deutschtürkischen Mitbürger – wenig von sich sehen.

Einerseits: Auch wenn in der Tat viele von ihnen grassierende Klischees vom persischen Arzt, Taxifahrer und Copyshop-Besitzer fleißig bedienen, sind doch ungewöhnlich viele in der Medienbranche erfolgreich – als Filmemacher, Schauspieler etc.

Kunstsinnige Bildungsbürger

Andererseits reicht es bislang nicht zur künstlerischen Thematisierung der eigenen (post-)migrantischen Situation. Man mag dieses unauffällige Untertauchen im medialen Mainstream auch als erfolgreiche Integration interpretieren – Iraner prägen die Kriminalitätsstatistik nur unwesentlich, profilieren sich im Gegenteil gerne als kunstsinnige Bildungsbürger. Im Jahre 2009 nun, Zufall oder nicht, krachen unterschiedliche Iranbilder in der Öffentlichkeit aufeinander – hier feiert ein marode anmutendes Regime mit Getöse das 30jährige Revolutions-Jubiläum, dort demonstrieren junge moderne Iraner gegen Umstände und Ergebnis der Präsidentschaftswahlen – und in unserem Kinoprogramm laufen gleich zwei deutschsprachige Filme von Iranern, die zur Exil-Generation gehören.

Regisseur Arash T. Riahi mit Kinderdarstellern während der Dreharbeiten; Foto: DW
Während der Filmaufnahmen arbeitete der Regisseur Arash T. Riahi zusammen mit Kinderdarstellern.

In der aberwitzigen "Culture-Clash" Komödie "Salami Aleikum" von Ali Samadi Ahadi verschlägt es einen verzärtelten iranischen Metzgersohn aus Köln in die ostdeutsche Provinz, wo er die Liebe seines Lebens in Gestalt einer handfesten aber sensiblen Kugelstoßerin findet. Aus dem Vergleich von zwei Völkerschaften, die beide in der neuen deutschen Heimat nicht so recht ankommen können, schlägt Samadi erhellende Funken.

Bunte Bande von Flüchtlingen

Arash T. Riahis "Ein Augenblick Freiheit" gibt sich ernster und folgt in mehreren Episoden den Pfaden dreier Flüchtlingsgruppen: ein Ehepaar, zwei jugendliche Freunde mit ihren kleinen Geschwistern, die ihre Eltern in Österreich treffen wollen, und zwei Kurden finden es im Iran unerträglich und sehen keinen anderen Ausweg als die riskante Flucht durch das kurdische Grenzgebiet. ​​Das republikflüchtige Häuflein ist denkbar bunt zusammengesetzt: Unter ihnen sind politische und unpolitische Personen, Jüngere und Ältere, Geduldige und Zornige, und – soviel weiß der Zuschauer – einige von ihnen werden es im Verlaufe des Filmes schaffen, andere werden auf der Strecke bleiben.

Der Knotenpunkt ihrer Wege und Haupthandlungsort des Filmes ist Ankara, wo jeder bei der UN-Niederlassung einen Antrag auf Asylanerkennung stellen muss. Das als vorübergehend eingeplante Warten dehnt sich zu einem Fegefeuer zwischen Hoffen und Bangen aus. Dennoch gibt es Zeit für Romanzen, poetische Auszeiten – und für den Schabernack des Kurden Manu, der mit Telefonaten und falschen Fotos seinem Heimatdorf vorgaukelt, er hätte es im Westen zu etwas gebracht.

Spielen, als ginge es um Leib und Leben

Hier überzeugt weniger das filmgeschichtlich etwas strapazierte Motiv der Notlüge des gescheiterten Auswanderers, als viel mehr das urkomische Talent von Fares Fares, den man bereits als Darsteller in den schwedischen Multikulti-Komödien seines älteren Bruders Josef Fares – "Jalla Jalla" und "Kops" – beschmunzeln konnte. ​​

Zwei weitere Komödianten, der österreichische Kult-Kabarettist Michael Niavarani und der Kölner Schauspieler Navid Akhavan, die in "Salami Aleikum" für "Ost"-Erheiterung sorgten, wirken hier in ernsteren Rollen. Und unter den vielen Laiendarsteller überzeugen vor allem die Kinder, die spielen, alsginge es wirklich um Leib und Leben. Insgesamt überwiegt das tragische Element: für die flüchtigen Iraner ist die Türkei vor allem eine Schlangengrube, wo Denunzianten lauern und die iranische Geheimpolizei.

Holpriger Wechsel von Komik und Tragik

In diesem Ambiente funktioniert der Wechsel zwischen Komik und Tragik nicht immer so vollendet wie man es etwa von Emir Kusturica kennt, überhaupt scheint Riahi mit seinen Hauptfiguren manchmal zu vieles gleichzeitig zu wollen. Aber "Ein Augenblick Freiheit" ist allemal ein wichtiges Spielfilmdebüt Riahis, dem man den enormen Recherche-Aufwand vieler Jahre anmerkt, und auch den Wunsch, hier die Geschichte einer ganzen Generation zu erzählen – jener Iranerinnen und Iraner, die verstärkt in den 1980ern in den Westen flüchteten. ​​

Als Dokumentarfilm gab es das schon: Bereits 2006 hatte Arash T. Riahi mit "Exile Family Movie", einer kleinen verwackelten, aber dadurch intimen und lebhaften Doku das Leben einer Diaspora-Familie eingefangen – seiner eigenen Familie, die Anfang der 1980er mit dem 12jährigen Arash nach Österreich kam, als der Iran viele Jugendliche für den Irakkrieg rekrutierte, und als infolge politischer Säuberungen besonders viele ihrer Heimat den Rücken kehrten. Irgendwie merkt man das "Ein Augenblick Freiheit" auch an - ein Film, der gleichsam wie ein eingefrorenes Erinnerungsbild dieser Jahre wirkt: dunkle Skijacken, müde Gesichter fangen die Tristesse von einst ein.

Dass "Ein Augenblick Freiheit" in einer nicht näher bezeichneten Gegenwart spielt, merkt man eigentlich nur dann, wenn ein Protagonist sein Handy hervorzieht. Es ist kein Euphemismus, zu sagen, dass es heute im Iran wesentlich bunter zugeht. Tatsächlich scheint die "grüne Bewegung" zurückzuwirken. Und auch die weltweite ideologisch verkrustete Exilgemeinde scheint sich für neue Erfahrungen zu öffnen. Aber wer in die Zukunft schreiten will, muss Bilder für seine Vergangenheit haben. Bei dieser Vergegenwärtigung hilft "Ein Augenblick Freiheit".

Amin Farzanefar

© Qantara.de 2009