Irans verfolgte Konvertiten
Ihr Blick ist fest, die Haltung aufrecht, die Stimme ruhig: Wenn Naghme Abedini vom Schicksal ihres Mannes erzählt, der im Iran gerade eine achtjährige Gefängnisstrafe verbüßt, dann bleibt die US-Amerikanerin äußerlich gefasst. Nur, wenn das Gespräch auf seine Haftbedingungen fällt, dann füllen sich ihre Augen mit Tränen. "Sein Vater besucht ihn jeden Mittwoch", erzählt die Mutter von zwei kleinen Kindern. "Es geht ihm gesundheitlich nicht gut. Er hat Schmerzen, bekommt keine ordentliche Ernährung und kein sauberes Wasser und hat immer wieder mit Krankheiten zu kämpfen."
In einem Brief, den Saeed Abedini aus der Haft herausschmuggeln konnte, berichtet er, Opfer von physischer und psychischer Folter geworden zu sein. Außerdem habe man ihm mehrmals gesagt, er würde für seinen christlichen Glauben "gehängt werden". Eine durchaus reale Gefahr, denn Saeed Abedini ist nicht nur Christ, sondern Konvertit.
Ein Pastor "gefährdet die nationale Sicherheit"
Schon im Jahr 2000 trat Saeed Abedini vom Islam zum Christentum über – heimlich, denn allein für den "Abfall vom muslimischen Glauben" kann in der Islamischen Republik die Todesstrafe verhängt werden. Und doch wagen gar nicht mal so wenige Iraner diesen Schritt – zwischen 250.000 und 500.000 Konvertiten sollen im Land leben, wobei die tatsächliche Zahl kaum festzustellen ist.
Sie wenden sich vor allem deshalb vom Islam ab, weil sie von ihrer Regierung enttäuscht sind, die Politik und Religion untrennbar miteinander verwoben und im Namen des Islam viele Bürgerrechte eingeschränkt hat. Die christlichen Konvertiten treffen sich oft in so genannten "Hauskirchen" – Privatwohnungen, in denen sie ihren Glauben und ihre Gottesdienste unter Ausschluss der Öffentlichkeit abhalten.
Anfang 2006 verließ Abedini zusammen mit seiner Frau das Land, um sich in den USA niederzulassen. Doch Abedini reiste immer wieder zurück in sein Heimatland, wo er bei der Neugründung christlicher Untergrundkirchen half. 2009 wurde er verhaftet, jedoch unter der Auflage, nicht mehr zu evangelisieren, wieder auf freien Fuß gesetzt.
Abedini, der mittlerweile die US-amerikanische Staatsbürgerschaft verliehen bekam, engagierte sich jedoch weiter bei sozialen Projekten im Iran. "Er arbeitete mit der iranischen Regierung daran, ein Waisenhaus aufzubauen. Zwei bis drei Mal im Jahr reiste er dafür in den Iran, aber von seiner letzten Reise im Juli 2012 ließ man ihn nicht zurückkehren", erzählt seine Frau Naghme.
Abedini wurde zunächst in Teheran unter Hausarrest gestellt, im September 2012 jedoch ins berüchtigte Evin-Gefängnis gebracht. Erst vier Monate später wurde die Anklage gegen ihn erhoben: "Wegen 'Gefährdung der nationalen Sicherheit'", erzählt Naghme, "weil er sich in Privathäusern mit anderen Christen versammelt hatte – doch das alles lag schon damals Jahre zurück."
Verschärftes Vorgehen gegen Konvertiten
Kurz zuvor hatte sich die iranische Regierung entschieden, verschärft gegen Konvertiten und Untergrundkirchen im Land vorzugehen. "Erst mit der Zeit erfuhren wir, dass die iranische Regierung ihre Strategie im Umgang mit religiösen Minderheiten, insbesondere mit Christen, geändert hatte", erzählt Naghme Abedini. "Die Verantwortung für derartige Fälle ging von der Geheimpolizei auf die Revolutionsgarden über, die deutlich strenger sind."
Im Frühjahr 2012 rollte eine wahre Verhaftungswelle über das Land. " Mehrere Konvertiten wurden in der Folge zum Tode verurteilt, weil sie Untergrundkirchen gegründet und missioniert haben sollen. Rund um Abedinis Verhaftung "wurden auch mehrere öffentliche christliche Kirchen geschlossen, die seit der Islamischen Revolution geöffnet waren", berichtet Naghme Abedini.
"Monatelang wurde Saeed verhört und geschlagen. Er durfte sich zunächst keinen Anwalt nehmen. Sie wollten ein Geständnis erzwingen. Erst am Abend vor Prozessbeginn konnte er sich ein paar Stunden mit seinem Anwalt beraten. Und dann wurde er zu acht Jahren Haft verurteilt."
Christen haben seit der Islamischen Revolution keinen leichten Stand im Land. Zwar werden sie als Angehörige einer Minderheitsreligion anerkannt und es gibt offiziell rund 600 christliche Kirchen im Land. Doch werden Gottesdienstbesucher von der Polizei kontrolliert. Außerdem müssten christliche Gemeinden sich dazu verpflichten, keine Missionsarbeit zu leisten, berichtet die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM).
Noch schärfere Repressionen gelten für Konvertiten. Eine ganze Reihe von ihnen sitzt im Gefängnis, wo sie zum Teil physisch und psychisch gefoltert werden, so die IGFM. So wie Saeed Abedini. Ihn habe wohl vor allem sein US-amerikanischer Pass vor der drohenden Todesstrafe bewahrt, mutmaßt die Washingtoner Anwältin der Familie, die den Kontakt zu seinem Verteidiger im Iran hält.
Den Schritt an die Öffentlichkeit gewagt
Nach Saeed Abedinis Verhaftung hatte seine Frau Naghme zunächst drei Monate lang im Stillen versucht, ihren Mann freizubekommen. "Es gibt immer die Angst: Wenn du an die Öffentlichkeit gehst, machst du die Dinge schlimmer", sagt sie. "Aber seine Situation verschlechterte sich zusehends. Sie schlugen ihn, steckten ihn in Einzelhaft, und er wurde krank. Und da ging ich an die Presse. Wir wissen von vielen anderen Fällen, dass es den Gefangenen hilft, wenn man die Dinge ans Licht zerrt. Die iranische Regierung wird viel vorsichtiger, wenn so ein Fall erst einmal international bekannt ist."
Seitdem ist Naghme Abedini rastlos in der ganzen Welt unterwegs, um in der internationalen Politik Mitstreiter zu finden, die sich für eine Freilassung ihres Mannes einsetzen. Unermüdlich postet sie Appelle auf Facebook, gibt TV- und Radio-Interviews, überreicht Petitionen und Bittgesuche. Der US-Senat hat eine entsprechende Resolution bereits verabschiedet, Präsident Obama forderte persönlich seine unverzügliche Freilassung.
Vergangene Woche sprach Naghme Abedini vor dem Europäischen Parlament und vor dem Menschenrechtsausschuss des Deutschen Bundestages. "Deutschland war eines der ersten Länder, das sich vor der UN für die Freilassung meines Mannes einsetzte und kritisierte, dass die Verhaftung meines Mannes ungesetzlich sei", erzählt sie. "Ich hoffe einfach, dass ich irgendjemanden dazu bringen kann, die richtigen Hebel in Bewegung zu setzen. Deutschland ist dafür ein gutes Land, denn es unterhält gewisse Beziehungen zum Iran, politisch und wirtschaftlich. Vielleicht gibt es ja hier jemanden, der zum Telefonhörer greift und es schafft, die richtigen Leute anzurufen, um meinen Mann wieder freizubekommen."
Thomas Latschan
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