"Jeder hat ein Recht auf Bildung"

Vom Guerillakämpfer ins Pressegeschäft: Nach etlichen Wandlungen in seinen Leben gibt der Palästinenser Bassam Abu Sharif in Ramallah seit 2000 das Nachrichtenmagazin "Al-Democraty" heraus.

Von Rasha Khayat

​​Im dem Jahr, in dem man hierzulande des Deutschen Herbstes 1977 gedenkt, taucht auch der Name Bassam Abu Sharif wieder in unseren Medien auf. Der langjährige Berater und Weggefährte von Yassir Arafat und spätere Pressesprecher der PLO machte in den 70er Jahren vor allem als palästinensischer Guerillakämpfer von sich reden.

Als ehemaliger Sprecher der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) pflegte er enge Kontakte zur RAF, war gar vermeintlich beteiligt an der Planung der Flugzeugentführung der "Landshut" im Oktober 1977.

Regelmäßiger Kontakt mit den meist gesuchten Terroristen der 70er Jahre, Wadi Haddad und "Carlos", dem Schakal, brachten Abu Sharif auf den Titel des TIME Magazines, das ihn als "Face of Terror" bezeichnete.

All das liegt lange zurück. Bei einem Bombenanschlag 1972 verlor Abu Sharif vier Finger und ist seither auf einem Ohr taub.

Nachdem Yassir Arafat ins Exil gegangen war, zog auch Abu Sharif sich aus dem aktiven Kampf zurück. Er distanziert sich öffentlich von seinen früheren Aktivitäten und wurde bereits lange vor Arafats Rückkehr nach Palästina 1994 dessen engster Berater und Vertrauter, setzte sich als einer der ersten palästinensischen Politiker für die Zwei-Staaten-Lösung ein und war zu Zeiten Yassir Arafats eine der Hauptfiguren im Friedensprozess in Nahost.

Er soll es auch gewesen sein, der Arafat dazu brachte, 1988 den Staat Israel öffentlich anzuerkennen.

Rückzug aus der Politik

Nach dem Tod Arafats hat sich Bassam Abu Sharif fast vollständig von der öffentlichen politischen Bühne verabschiedet. Mit seinen Meinungen und Analysen zur Situation Palästinas, des Nahost-Konflikts und auch der Weltpolitik hält er aber dennoch nicht hinterm Berg.

Seit dem Jahr 2000 ist Abu Sharif Herausgeber und Chefredakteur eines eigenen Nachrichtenmagazins, "Al-Democraty".

Zunächst nur als Beilage des Magazins Al-Hayat Al-Dschadida angelegt, erscheint Al-Democraty seit 2005 als eigenständiges wöchentliches Magazin. Es hat inzwischen eine Auflage von 20.000 erreicht und ist sowohl in Palästina, Jordanien und Libanon, aber auch in den Maghreb-Staaten und der Golfregion erhältlich.

Optisch wie auch inhaltlich orientiert sich Al-Democraty an internationalen Vorbildern wie dem TIME Magazine oder auch dem SPIEGEL. Was ist das Besondere an Abu Sharifs Publikation?

"Al-Democraty ist das erste unabhängige palästinensische Nachrichtenmagazin. Da wir nicht staatlich finanziert werden, sind wir in der Lage, objektiv und umfassend zu berichten und müssen nicht mit den vom Staat bevorzugten Autoren zusammen arbeiten", sagt Sima Michael-Mizrawi, Geschäftsführer von Al-Democraty.

Zudem versuche Al-Democraty, so Michael-Mizrawi, vor allem auf dem kulturellen und sozialen Sektor Vorreiter in Palästina zu sein.

"Das Problem mit unserer Presse hier ist, dass die Nachrichten zu 90 Prozent von den Geschehnissen in dieser Region handeln. Internationale Politik findet nur Erwähnung, wenn es um Nahost-Politik geht. Wir möchten ein Magazin machen, das uns Palästinensern die Welt 'da draußen' zeigt. Wir wollen, dass unsere Landsleute von Kunst, Literatur und Theater aus aller Welt erfahren und dass sie wissen, was Angela Merkel eigentlich für einen Job hat."

Quelle für internationale Presse

Die Idee hinter Al-Democraty sei gewesen, das Level der kulturellen und gesellschaftlichen Berichterstattung in Palästina und in der gesamten Region anzuheben, sagt Bassam Abu Sharif. "Jeder hat ein Recht auf Bildung – das ist meine feste Überzeugung. Deshalb auch Al-Democraty".

Dass nun ausgerechnet ein so politikerfahrener Mann wie Abu Sharif als Herausgeber am Werk ist, bleibt nicht ohne Folgen. So hat Abu Sharif in breiten Analysen die Kämpfe zwischen Hamas und Fatah lange vorhergesehen, ehe es überhaupt zu den ersten Gewalttaten kam.

Al-Democraty und Abu Sharifs Analysen dienten in der internationalen Presse später oft als erste Quelle.

Doch nicht nur in seiner Berichterstattung möchte das Magazin seinen Namen zum Programm machen.

"Mittelfristig wünschen wir uns, Workshops und Seminare für das Volk, für Studenten und auch Journalisten ausrichten zu können. Wir möchten uns vor allem für die Stärkung der Frauenrechte und der Ausweitung des nationalen Bildungssystems einsetzen", erzählt Sima Michael-Mizrawi.

Geringe finanzielle Mittel

Doch inhaltliche Unabhängigkeit hat auch ihren Preis. "Unsere finanziellen Mittel sind sehr gering. Derzeit verfügen wir nicht einmal über eine eigene Druckerpresse und müssen in Jordanien produzieren, da wir hier in Ramallah die staatlichen Druckereien nicht nutzen können. Es gibt Pläne, mit einigen NGOs zusammen zu arbeiten, doch da stehen wir mit den Gesprächen erst ganz am Anfang".

Auch die Zusammenarbeit mit international renommierten Journalisten werde durch die finanzielle Situation erschwert.

Doch den Standort Ramallah möchte Abu Sharif ebenso wenig aufgeben wie seine Unabhängigkeit von staatlichen Autoritäten. "Wir können nur in Palästina etwas für die Palästinenser tun. Alles andere würde man uns doch nicht abnehmen."

Bassam Abu Sharif kämpft also weiter für ein freies Palästina und folgt dem Weg seines langjährigen Freundes Yassir Arafat – nur eben mit stillerem Nachdruck als noch vor 30 Jahren.

Rasha Khayat

© Qantara.de 2007

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