Investition in die Zukunft

Die Deutsche Schule der Borromäerinnen in Kairo feiert dieses Jahr ihren hundertsten Geburtstag. Mit der Deutschen Evangelischen Oberschule zählt sie zu den führenden Ausbildungsstätten in Kairo.

Von Jürgen Stryjak

Wenn westliche Ausländer in Kairo eine Wohnung suchen, weil sie aus irgendeinem Grunde hierher ziehen, dann erhalten sie von alteingesessenen, lärmgeplagten Europäern den dringenden Rat: Meidet die Nachbarschaft von Kiezmoscheen mit ihren übersteuerten Lautsprechern, aus denen morgens kurz vor Sonnenaufgang der Gebetsruf ertönt, die Nähe mehrspuriger Magistralen, auf denen der Verkehr dröhnt – und die Schulen!

Denn die sind laut, unfassbar laut, mit ihren megaphonverstärkten Appellen auf den Höfen, dazugehörigen Schülersprechchören schon morgens in aller Frühe und einem infernalischen Pausenlärm.

Die Deutsche Schule der Borromäerinnen in Kairo ist anders. Hohe Schulgebäude umgeben sie von allen Seiten wie eine Festung. Kaum ein Laut dringt vom Pausenhof nach draußen. Militärisch anmutende Appelle und Sprechchöre fehlen ganz.

Deutscher Bildungsexport

Seit im letzten Oktober die Deutsche Universität in Kairo eröffnet wurde, ist plötzlich viel und viel versprechend vom deutschen Bildungsexport die Rede – die Borromäerinnen-Schule leistet diese Arbeit schon seit langem solide und erfolgreich. Dieser Tage feiert sie ihr hundertjähriges Jubiläum.

Seit 1904 besteht sie, im Kairoer Stadtteil Bab El-Louk, mitten in der Innenstadt der Riesenmetropole. Ihr Träger ist die katholische Vereinigung der Barmherzigen Schwestern vom Hl. Karl Borromäus aus dem sauerländischen Kloster Grafschaft.

Keine Berührungsängste

Trotzdem stammen ihre 800 fast ausnahmslos ägyptischen Schülerinnen zu 70 Prozent aus muslimischen Elternhäusern. Berührungsängste scheint es nicht zu geben, knapp 60 Schüler werden jährlich nach einem Eignungstest angenommen, die Anzahl der Bewerbungen ist um ein Vielfaches höher.

Die Borromäerinnen-Schule wie auch die Deutsche Evangelische Oberschule Kairo gelten gemeinhin als die beiden renommiertesten Schulen des Landes.

Die jungen Ägypterinnen der Mädchenschule werden nach deutschen Rahmenplänen von einem hohen Anteil deutscher Lehrkräfte unterrichtet – alles, was deutsch ist, genießt ein außerordentliches Ansehen im Lande.

Förderung mit Bundesmitteln

Außerdem können sie hier auf Wunsch statt des Abiturs die ägyptische Hochschulreife erwerben, ein Vorteil, den die amerikanischen und britischen Privatschulen nicht bieten. Letztere sind zudem teurer, da die deutschen Schulen mit Bundesmitteln gefördert werden.

Unterrichtssprache ist Deutsch, außer in den Fächern arabische Bürgerkunde, arabische Geschichte, islamische Religion sowie natürlich im Fach Arabische Sprache. Am Ende ihrer Schulzeit besitzen die Mädchen Deutschkenntnisse auf muttersprachlichem Niveau, beherrschen darüber hinaus Englisch und Französisch, sie haben analytisches, kritisches und kreatives Denken, statt, wie an den meisten ägyptischen Schulen, nur auswendig gelernt.

"Eines unserer Hauptziele ist es zudem", sagt Direktor Peter Wurzer, "die weibliche Identitätsfindung zu fördern und die Stellung der Frau zu heben."

Ort der Begegnung

Trotzdem ist die Borromäerinnen-Schule nicht die abgeschlossene Festung, die ihre Architektur suggeriert. Über ein Drittel ihrer Lehrer sind Ägypter. Sie muss die Vorgaben des ägyptischen Erziehungsministeriums einhalten, und am Nachmittag kehren die Mädchen in ihre überwiegend ägyptischen Elternhäuser zurück, zu ihren ägyptischen Freunden, in die Kultur ihres Landes.

Die Borromäerinnen-Schule ist ein Ort der Begegnung. Das Schullogo zeigt neben dem Spitzbogen als christliches Architektursymbol die Kuppel als islamisches und eine Pyramide als altägyptisches Symbol.

Außerhalb des Religionsunterrichtes, sagt Peter Wurzer, spiele die Religionszugehörigkeit keine Rolle. Niemand wird hier seiner Kultur entfremdet, niemand missioniert. Das wissen die Eltern, ihr Vertrauen ist groß. "Inzwischen", so Direktor Wurzer, "sind fast 100 Prozent unserer Schüler Kinder von Ehemaligen."

Verpflichtung zum Schulprogramm

Dennoch bleiben gelegentliche Probleme nicht aus. Eltern, die ihre Töchter die Teilnahme an Klassenfahrten nicht erlauben wollen, wird das Papier vorgelegt, auf dem sie sich bei der Aufnahme zum gesamten Schulprogramm verpflichtet haben.

Kopftücher sind selten, aber wenn es eine Schülerin plötzlich trägt, wird behutsam versucht herauszufinden, ob sie das aus eigenem Entschluss tut. "Am Ende", betont Direktor Wurzer, "erlauben wir es stillschweigend".

Kooperativer Religionsunterricht

Eine ähnliche Regelung gibt es auch an der Deutschen Evangelischen Oberschule Kairo, der DEO. Mit 1.200 Schülern ist sie die größte deutsche Schule des Landes. Nur drei Prozent ihrer Schüler, Jungen und Mädchen, entstammen aus Elternhäusern ägyptischer Christen. 80 Prozent sind muslimischer Herkunft, der Rest Nicht-Ägypter.

"Wir verbieten das Kopftuch nicht, immerhin haben wir auch Kolleginnen, die es tragen", sagt Schulleiter Wolfgang Selbert, "aber wir ermutigen die Schülerinnen auch nicht dazu."

Neben den christlichen und islamischen Religionswahlfächern wird hier seit zwei Jahren in der Abiturstufe mit kooperativem Religionsunterricht experimentiert, bei dem sich die Schüler auf der Basis eigener gefestigter Ansichten auf das Wagnis einlassen sollen, die jeweils andere Buchreligion besser zu verstehen.

Spitzenpositionen für Absolventen

Wie die Borromäerinnen-Schule ist auch die DEO, die 1873 gegründet wurde, aus der Bildungslandschaft Ägyptens nicht mehr wegzudenken. Beide müssen seit einigen Jahren leider mehr sparen denn je, die Gelder aus Deutschland werden knapper. Dabei kann man sich kaum eine bessere Investition vorstellen.

"Es gibt im Grunde nichts Nachhaltigeres", sagt Schulleiter Selbert. Die DEO-Absolventen erlangen nicht selten Spitzenpositionen in der ägyptischen Wirtschaft und im politischen und kulturellen Leben des Landes.

Die drei Sawiris-Brüder, Manager der Orascom Group, des größten ägyptischen Unternehmens, sind DEO-Absolventen, wie auch Prof. Dr. Samira El Mallah, Dekanin der Medizin-Fakultät der Azhar-Universität, oder Khaled Nasseir, Vizepräsident der ALKAN GROUP. Undenkbar, dass sich die Bindung an Deutschland, die an den beiden Schulen geschaffen und zu einem großen Teil mit deutschem Geld finanziert wird, nicht auch langfristig wirtschaftlich auszahlt.

Jürgen Stryjak

© Qantara.de 2004

Deutsche Schule der Borromäerinnen, Kairo
Deutsche Schule der Boromäerinnen, Alexandria
Deutsche Evangelische Oberschule, Kairo