Gelungene Integration

Die Mevlana-Moschee in Konstanz, Foto: picture alliance/JOKER

Islamische Gotteshäuser als Orte der Integrationsverweigerung? Die Mevlana-Moschee in Konstanz versteht sich als Gegenbeispiel – und lockt auch Besucher aus der benachbarten Schweiz an.

Von Yasser Abumuailek

Mittagszeit an einem kalten Freitag in der malerischen Stadt Konstanz. Der Gebetsruf erschallt. Trotz frostigen Wetters versammeln sich mehr als 100 Menschen vor der großen Holztür einer Moschee. Sie ziehen ihre Schuhe aus und unterhalten sich gut gelaunt, während sie an einem Wasserbrunnen Gesicht, Hände, Arme und Füße waschen. Mehrere Sprachen sind zu hören, Deutsch wird neben Türkisch am häufigsten gesprochen.

Fünf Minuten später öffnet sich die Tür und alle gehen hinein. Diese Szene wiederholt sich jeden Freitag in der Mevlana-Moschee. Rund 4.000 Menschen muslimischen Glaubens leben in der Stadt Konstanz, knapp über die Hälfte von ihnen gehört zur zweiten oder dritten Generation türkischer Einwanderer.

Unterstützung durch die Kirchen

Einer dieser Menschen ist Kurban Aras, Vorstandsmitglied der Türkisch-Islamischen Religionsgemeinschaft. Der 48 Jahre alte Schustermeister erinnert sich, dass sein Verein erst in einen Dialog mit den christlichen Gemeinden und der Stadt trat, bevor die Moschee im Jahr 2000 gebaut wurde. Man wollte gegenseitiges Misstrauen gar nicht erst entstehen lassen. Errichtet wurde das Gotteshaus dann sogar mit einem 35 Meter hohen Minarett – damals das höchste Deutschlands.

"Wir sind hier in Deutschland und wir sind selbst neue Deutsche", sagt Aras. "Und unsere Jugend bleibt ebenfalls hier." Deshalb sei es ein wichtiges Zeichen gewesen, diese Moschee hier zu bauen. Besonders dankbar ist er den Kirchengemeinden der Stadt Konstanz. "Sie haben zu uns gestanden, und sie haben uns dabei unterstützt." Mehrfach vor dem Baubeginn hatte der Moscheeverein skeptische Bürger zu Informationsgesprächen eingeladen.

Die Vertreter der christlichen Gemeinden waren schon bei Spatenstich und Richtfest dabei. Daraus entstand ein ständiger Arbeitskreis für christlich-islamische Begegnung. Aras freut sich, dass das Interesse auf Seiten der christlichen Gemeinden von Anfang an sehr groß gewesen sei und dass das Miteinander bis heute sehr gut funktioniere: "Im Ramadan laden wir die Christengemeinden zum Essen ein – und an Weihnachten laden sie dann uns ein."

Integraler Bestandteil der Stadt

Nach zehn Jahren gehört die Moschee fest zum Stadtbild. Und die islamische Gemeinde hat es offenbar geschafft, Vertrauen aufzubauen. In der Lokalpresse sucht man – abgesehen von finanziellen Fehlkalkulationen beim Bau des Gotteshauses – vergeblich nach Skandalen oder größeren Problemen, man findet dort nur Nettes und Belangloses – Beleg für gelungene Integration.

So beteiligt sich die islamische Gemeinde mit orientalischen Süßigkeiten und Malaktionen für Kinder an den Stadtteilfesten. Sie engagiert sich in der Jugendarbeit und fühlte sich besonders geehrt, als der Oberbürgermeister beim Sommerfest der Moschee vorbeischaute und nicht nur eine wohlmeinende Rede im Geister der Freundschaft hielt, sondern auch einen mutigen orientalischen Tanz aufs Parkett legte.

Offizielles Ziel der Moscheegemeinde ist es, "zu einer guten Verständigung zwischen muslimischen und nicht-muslimischen Bürgern beizutragen und unserer Gemeinde Möglichkeiten anzubieten, sich als Teil der Gesellschaft in Konstanz zu fühlen".

Das Phänomen des "Minarett-Tourismus"

Dieser Anspruch strahlt inzwischen sogar über die Landesgrenze hinaus, nicht zuletzt wegen des Minaretts, das vor allem in der benachbarten Schweiz auf Interesse stößt – dort hatte sich die Bevölkerung Ende vergangenen Jahres in einem Referendum mehrheitlich gegen den Bau neuer Minarette ausgesprochen. ​​

Ismail Toprak, stellvertretender Imam der Mevlana-Moschee, freut sich sichtlich über das neue Phänomen des "Minarett-Tourismus" und berichtet stolz, dass sowohl muslimische als auch nicht-muslimische Schweizer nun häufiger zu Besuch kämen.

Gepredigt wird in der Mevlana-Moschee übrigens auf Deutsch. Darauf lege man auch wegen der unterschiedlichen Herkunft der Muslime großen Wert, erklärt Toprak. Für Muslime müsse die Sprache des Landes, in dem sie leben, immer auch die Sprache ihrer Predigten sein, lautet Topraks Credo. Dies habe auch pragmatische Gründe: "Unsere Nachkommen verstehen eigentlich nur Deutsch. Selbst wenn sie Türkisch verstehen, verstehen sie aber nicht die Begriffe des Islam auf Türkisch."

Yasser Abumuailek

© Qantara.de 2010