Isolation oder "kostbare Einsamkeit"
Die ägyptische Führung hat der konservativ-islamischen AKP-Regierung der Türkei vorgeworfen, sich in die inneren Angelegenheiten Ägyptens einzumischen. Denn die Regierung in Ankara hat ihre Unterstützung für die Muslimbrüder ausgebaut und das neue Regime in Kairo beschuldigt, Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Die beiden Länder haben ihre Botschafter für Beratungsgespräche abberufen - ein neues Zeichen dafür, dass sich die Beziehungen zwischen zwei strategisch wichtigen Staaten des Nahen Ostens verschlechtern.
Diplomatische Differenzen
Der ehemalige türkische Außenminister Yasar Yakis, ein Gründungsmitglied der AKP, macht sich Sorgen um die Zukunft der türkisch-ägyptischen Beziehungen. Er kennt Ägypten sehr gut: In den 1990er Jahren war er türkischer Botschafter in Kairo. Die Fortführung der diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Staaten sei entscheidend dafür, dass die Türkei die Entwicklungen in Ägypten beeinflussen könne, sagt Yakis im Interview. "Ich finde, die Türkei hatte recht, die Ereignisse in Ägypten von Anfang an als Putsch zu definieren und diesen auch auf internationaler Ebene zu verurteilen. Man kann zwar anti-demokratische Entwicklungen kritisieren, aber es ist andererseits nicht nötig, sich mit dem aktuellen Regime in Ägypten grundsätzlich im Streit zu befinden."
Erdogan beschuldigt Israel
Der türkische Premier ist ein klarer Gegner der neuen Machthaber in Ägypten, die seinen engen Verbündeten, den ehemaligen Präsidenten Mohammed Mursi, gestürzt haben. In den vergangenen zwei Jahren hatte Erdogans AKP-Regierung ihre Unterstützung für Mursi und die Muslimbrüder in Ägypten ausgebaut: Nicht nur wegen der gemeinsamen islamischen Werte, sondern auch wegen der Ambitionen der Türkei, an politischem Einfluss in der Region zu gewinnen. Durch Mursis Sturz sieht Ankara diesen Einfluss wieder sinken.
Am Dienstag (20.08.2013) hat Erdogan sowohl den islamisch geprägten Ländern als auch den westlichen vorgeworfen, nichts gegen den Putsch in Ägypten und die blutige Niederschlagung der Proteste der Muslimbrüder und ihrer Anhänger unternommen zu haben. Er behauptete sogar, Unterlagen zu besitzen, aus denen hervorgehe, dass Israel bei diesen Ereignissen in Ägypten angeblich seine Hand im Spiel hatte. Mit diesen Äußerungen verärgerte Erdogan nicht nur die Regierungen in Israel und Ägypten - sondern auch in den USA. "Wir verurteilen die Erklärungen des Premierministers Erdogan", sagte Josh Earnest, Sprecher des Weißen Hauses, zu Reportern. "Zu behaupten, dass Israel in irgendeiner Weise für die jüngsten Ereignisse in Ägypten verantwortlich sei, ist beleidigend, unbegründet und falsch."
Isolation oder "kostbare Einsamkeit"?
Aus der Sicht von Ihsan Dagi, Professor für Internationale Beziehungen an der Middle East Technical University in Ankara, unterscheidet sich die Außenpolitik der Türkei sehr stark von den anderen Staaten der Region. "Selbst unter den islamisch geprägten Ländern gibt es kein einziges, das eine ähnliche Haltung zu Ägypten hat", schreibt er in der türkischen Tageszeitung "Zaman". Die Linie der Regierung belaste aber die Beziehungen der Türkei zu anderen Staaten. Deswegen müsse Ankara zu einer Politik zurückkehren, die Außenminister Ahmet Davutoglu einst unter dem Begriff "Null Probleme mit den Nachbarn" zusammenfasste. Eine Politik, die sich auf Dialog und Kooperation konzentriert.
Die türkische Regierung scheint aber trotz der kritischen Stimmen kaum bereit zu sein, ihre Einstellung zu ändern. Ankaras Position im Nahen Osten sollte nicht als "Isolation", sondern als "kostbare Einsamkeit" gesehen werden, twitterte Ibrahim Kalin, Erdogans außenpolitischer Chef-Berater: Eine Einsamkeit, die aus seiner Sicht mit der Treue zu den Prinzipien und der Moral der Türkei zusammenhängt.
Doch diese Einsamkeit hat ihren Preis: Die kommenden Wochen werden schwierig für die Türkei, warnt der ehemalige Außenminister Yakis. Er erwartet "ernsthafte Streitigkeiten mit den Golfstaaten, den USA und anderen westlichen Ländern."
Ayhan Simsek
© Deutsche Welle 2013
Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de