Khomeini zu Diensten
Was besiegelte das Schicksal der Tudeh-Partei, der größten und bestorganisierten iranischen Oppositionspartei zur Zeit der Islamischen Revolution 1979? Die in den 1940er Jahren gegründete kommunistische Partei unterstützte die Islamische Republik und blieb bis 1983 weitgehend unbehelligt, während andere oppositionelle Gruppen und Parteien von den neuen Machthabern vernichtet wurden. Welche Rolle spielten ausländische Mächte dabei?
Doch im Winter 1983 war es auch für die Tudeh-Partei soweit: Das islamische Regime verhaftete mehr als 1.000 ihrer Mitglieder, bis zu 200 sollen hingerichtet worden sein. Die Partei wurde verboten und damit in den Untergrund gezwungen. Ein Höhepunkt der damaligen Verfolgung war das "Geständnis" des Tudeh-Generalsekretärs Noureddin Kianouri im Fernsehen im Frühjahr 1983. Er gab dabei zu, die Partei habe gegen die Interessen des iranischen Volks gehandelt und für die Sowjetunion spioniert.
Die tödliche Liste
Laut Darstellung der südafrikanischen Internetzeitung Daily Maverick sollen die Informationen des 1982 nach Großbritannien übergelaufenen sowjetischen KGB-Majors Vladimir Kuzichkin bei der Zerschlagung der Partei und der Hinrichtung ihrer Funktionäre eine zentrale Rolle gespielt haben.
Der britische Geheimdienst MI6 habe aus den Informationen Kuzichkins eine Liste erstellt, schreibt Daily Maverick in ihrem am 21. Januar veröffentlichten Bericht. Dabei handelte es sich um die Namen der Iraner, die damals angeblich für die Sowjetunion arbeiteten. Kuzichkin soll in der UdSSR für die Kontakte zur Tudeh-Partei verantwortlich gewesen sein. Seine Liste landete nicht nur beim amerikanischen Geheimdienst CIA, sondern auch bei den Machthabern in Teheran.
Auf der Grundlage nun freigegebener vertraulicher Korrespondenzen zweier hochrangiger britischer Beamter – Nicholas Barrington und Chris Rundle beschreibt Daily Maverick, welches Ziel die britische Regierung damals verfolgte. Sie zitiert aus den Memoiren Nicholas Barringtons. Er war zu der Zeit Leiter der Abteilung für britische Interessen in Teheran, die in der schwedischen Botschaft arbeitete, da der Iran und das Vereinigte Königreich die diplomatischen Beziehungen vollständig eingestellt hatten.
Laut Barringtons Memoiren fanden die Informationen von Kuzichkin einfach "ihren Weg" zu den Behörden der Islamischen Republik. Weitere Details werden nicht genannt. Laut Daily Maverick waren es vermutlich die damalige britische Premierministerin Margaret Thatcher, der britische Außenminister Francis Pym und der damalige Leiter des MI6, Colin Figures, die die Zusammenarbeit mit der CIA zur Weitergabe von Kuzichkins Informationen an das iranische Regime genehmigten.
"Die Türen müssen offen bleiben"
Die Dokumente legen nahe, dass die britische Politik damals eher den neuen iranischen Machthabern entgegenkam, anstatt die Geopolitik des Kalten Krieges oder den sowjetischen Einfluss im Iran kritisch ins Auge zu fassen, schreibt Daily Maverick. Demnach waren sich Barrington, andere britische Beamte und das britische Außenministerium spätestens im Frühling 1983 bewusst, dass die Islamische Republik Repression, Folter und erzwungene Geständnisse einsetzte. Chris Rundle, hochrangiger britischer Beamter in Teheran, informierte das britische Außenministerium im Juni 1983 über die Massenverhaftungen von Tudeh-Mitgliedern und die drohenden Hinrichtungen.
"In den Akten von 1983 konnten keine Beweise gefunden werden, dass die britischen Beamte etwas anderes getan hätten, als diese schwere Repression hinzunehmen", schreibt die südafrikanische Internetzeitung weiter. Auch andere europäische Botschafter seien der Meinung, dass die Wege in den Iran offen bleiben sollten, zitiert sie aus Barringtons Dokumenten. Der habe außerdem in seinen Memoiren erwähnt, dass "es im Iran Geld gab, das verdient werden musste": "Ein wichtiger Teil unserer Arbeit bestand darin, die britischen Handelsbeziehungen zum Iran aufrechtzuerhalten und den Export zu fördern", zitiert ihn Daily Maverick.
Die südafrikanische Internetzeitung veröffentlicht in ihrem Beitrag zudem ein vertrauliches Dokument vom Mai 1983, in dem sich der damalige Leiter des Büros für den Mittleren Osten und Nordafrika beim britischen Außenministerium, Oliver Miles, zu den im iranischen Fernsehen gesendeten "Geständnissen" von Tudeh-Funktionären äußert. Diese könnten seiner Einschätzung nach für Großbritannien nützlich sein: "Darin können durchaus Hinweise auf die befreundeten Parteien in anderen Ländern existieren, auf die wir zurückgreifen können", wie beispielsweise die Beziehungen der Tudeh-Partei zu der kommunistischen Partei in Syrien, so Miles. Auch Hinweise über Libyen und Algerien könnten sich ergeben.
Keine Sorgen über den Einfluss der Sowjetunion im Iran
Laut Daily Maverick ist den Dokumenten nicht zu entnehmen, ob sich Großbritannien zu der Zeit Sorgen über die Einflussnahme der Sowjetunion im Iran gemacht habe. Ihre "Unterstützung" bei der Zerstörung der Tudeh-Partei sei deshalb keine Episode des Kalten Krieges.
Die Islamische Republik sei unerbittlich gegen den Kommunismus gewesen, schreibt die Internetzeitung. Die Bewaffnung des Iraks durch Moskau während des Irak-Iran-Krieges (1980 –1988) sei ein weiterer Streitpunkt der beiden Länder gewesen, ebenfalls die sowjetische Invasion in Afghanistan 1979, die zur Flucht von Millionen Afghanen in den Iran führte.
Die Sowjets hätten wiederum kein Interesse daran gehabt, sich für den Erhalt der Tudeh-Partei einzusetzen. Daily Maverick zitiert hierzu aus einem Brief Barringtons vom Juli 1982 an London – als der KGB-Major Kuzichkin bereits in Großbritannien war. Moskau sei bereit gewesen, die Tudeh-Partei aufzugeben, schrieb der Diplomat.
Im Mai 1983 bewertete Barrington die Zerschlagung der Tudeh-Partei im Iran in einem Brief an das britische Außenministerium als "einen wichtigen Meilenstein in den sowjetisch-iranischen Beziehungen und vielleicht auch in der Geschichte der kommunistischen Parteien im Ausland", so Daily Maverick.
Iman Aslani