"Assad muss mit allen Mitteln gestoppt werden"
Die syrische Opposition wirft dem Assad-Regime vor, Giftgas im Umland von Damaskus eingesetzt zu haben. Warum soll das syrische Regime chemische Waffen eingesetzt haben? Vor allem jetzt, da die UN-Chemiewaffen-Experten im Lande sind?
Al-Mousllie: Das syrische Regime arbeitet schon seit Monaten daran, die östlichen Gebiete von Damaskus unter Kontrolle zu bringen. Das Regime hat dort seit Monaten nichts zu sagen. Denn die Revolutionäre kontrollieren diese Gebiete. Nun zeigt sich das Regime einerseits kooperativ mit der UN. Andererseits arbeitet es immer daran, die Revolutionären in Misskredit zu bringen. So senden das Regime und seine Helfer zwei Botschaften aus. Die erste Botschaft richtet sich an die syrische Bevölkerung: Niemand in der Weltgemeinschaft sei wirklich gewillt, zu helfen. Ziel ist eine Demoralisierung der natürlichen Umgebung der Freien Syrischen Armee.
Die zweite Botschaft ist an die UN gerichtet: Es sei nicht möglich, eine solche Aktion wie den Giftgasangriff zu befehlen, wenn doch die Untersuchungskommission der UN sich grade in Syrien befindet! Aus der Sicht der Weltgemeinschaft ist dies ein weiterer Grund, der Opposition zu misstrauen, so das offensichtliche Kalkül des Regimes. In der Tat benutzt es die Weltgemeinschaft als Ausrede zur Rechtfertigung ihrer Untätigkeit.
Was erwarten Sie nun von der Weltgemeinschaft?
Al-Mousllie: Die Vergangenheit zeigt leider, dass von ihr nicht viel zu erwarten ist. Dennoch ist es unser Recht als Mitglied dieser Weltgemeinschaft, Schutz und Unterstützung von ihr zu fordern.
Das mörderische Assad-Regime muss mit allen verfügbaren Mitteln gestoppt werden. Wir fordern konkrete Aktionen gegen das Regime, um ihm das Handwerk zu legen. Wir fordern mehr Druck auf seine Unterstützer wie Russland, den Irak, Iran und seine Ablegermilizen im Libanon. Wir erwarten konkrete und effektive Hilfsaktionen für alle betroffenen Gebiete in Syrien. Insbesondere, wenn es sich um über eine Million Menschen handelt, die getötet, vermisst oder gefangen sind. Über 10 Millionen Flüchtlinge leben innerhalb und außerhalb Syriens – das ist eine große Zahl von Hilfsbedürftigen, die nur wenig bis gar nichts haben!
Der amerikanische Präsident Obama zog beim Einsatz von Chemiewaffen eine rote Linie. Jetzt scheint Assad diese Linie überschritten zu haben. Werden die USA nun militärisch gegen das Assad-Regime vorgehen?
Al-Mousllie: Wir müssen klar erkennen, dass das Handeln der Staaten auf gemeinsamen Interessen basiert. Teilt man keine Interessen mit ihnen, dann wird man womöglich eher als eine Schachfigur betrachtet.
Die USA und Russland haben gemeinsame Interessen, über die sie verhandeln. Die Syrer sind hier leider Gegenstand der Verhandlungen unter diesen beiden Ländern. Europa ist, wie es scheint, ein Mitläufer.
Wie werden Sie in der syrischen Opposition agieren?
Al-Mousllie: Die syrische Opposition agiert politisch auf der offiziellen Ebene. Sie versucht, so gut es geht materielle Hilfe zu beschaffen. Sie ist aber auf die Unterstützung der Freunde der syrischen Bevölkerung angewiesen. Man wird aber leider mit einer großen Passivität dieser Freunde konfrontiert. Wir müssen uns auf unsere Bevölkerung verlassen. Die Syrer sind der eigentliche Kraftstoff dieser Revolution.
Man spricht in letzter Zeit von einer neuen Oppositionsarmee, die momentan gegründet wird. Wie realistisch ist das? Und was würde die Opposition damit erreichen?
Al-Mousllie: Ein Teil der Opposition spricht über eine strukturiert aufgebaute Armee, die eine zentrale Führung hat. Diese soll gewährleisten, dass alle Kampfgruppen organisiert werden, um das Vakuum nach dem Sturz Assads zu füllen.
Allerdings darf ein solches Unternehmen auf keinen Fall zusätzliche Differenzen unter den Syrern verursachen. Das Ziel sollte immer der Sturz des Regimes sein.
Wenn die internationalen Rollen so bleiben werden, wie sie zurzeit sind, wie kann dann die Opposition ihre Ziele erreichen?
Al-Mousllie: Ich bin der Meinung, dass die politische Opposition sich nicht von regionalen oder internationalen Akteuren und deren Reaktionen abhängig machen sollte. Wir sind ein Teil der größten Revolution aller Zeiten.
Wir sollten uns auf die Arbeit und Aktionen auf dem Boden der Tatsachen konzentrieren. Das allein verschafft den Syrern den Sieg über dieses brutale Regime. Dabei gibt es immer wieder Helferstaaten, die auch bedingungslose Unterstützung leisten. Auf diese Art und Weise erreichen wir den Sturz von Baschar Al-Assad und seinem Gewaltregime.
Die eigentlichen Träger dieser Revolution sind die Syrer selbst. Von vornherein wäre gar nichts möglich gewesen, wenn sie sich nicht eingesetzt hätten. Dieses großartige Volk hat diese großartige Revolution gemacht. Das Volk wird sie auch mit dem Sieg beenden.
Interview: Falah Elias
© Qantara.de 2013
Sadiqu Al-Mousllie ist Mitglied des oppositionellen syrischen Nationalrates. Er lebt in Deutschland und arbeitet als Zahnarzt.
Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de