''Politik läuft auch über Symbole''
Sie begleiten seit drei Jahren mit der "Jungen Islamkonferenz" (JIK) die Arbeit der Deutschen Islamkonferenz (DIK), die am Dienstag zum vorerst letzten Mal tagt. Die JIK sollte anfangs die DIK bekannter machen. Ist das gelungen?
Naika Foroutan: Die DIK scheint selbst nicht mehr viel dafür zu tun. Man hat fast das Gefühl, der Bundesinnenminister wolle sie einschlafen lassen. Es wird kaum kommuniziert, auch diesmal ist lediglich ein Statement nach der Plenarsitzung geplant.
Wäre das Ende der Konferenz so schlimm?
Foroutan: Wir hätten ohne die DIK niemals islamische Theologie an die Universitäten bekommen, der Religionsunterricht ist vorangekommen. Und wir verdanken der DIK die Bestandsaufnahme "Muslimisches Leben in Deutschland" von 2009. Es ist interessant, dass sich zwar vor jeder Plenarsitzung die Kritik an der DIK mehrt, aber selbst die, die sie verlassen haben, wollen sie nicht abschaffen.
Was müsste die DIK tun?
Foroutan: Sie sollte tun, wofür sie gemacht ist, sich auf religionsrechtliche Fragen konzentrieren. Es gibt sie jetzt seit sieben Jahren, und noch immer ist die Gleichstellung der muslimischen Religionsgemeinschaften nicht erreicht. In der nächsten Legislaturperiode sollte sie das schaffen. Sicherheitspolitik ist nicht das Thema einer Islamkonferenz. Dafür gibt es andere Abteilungen der Innenministerien.
Die JIK macht der DIK seit einiger Zeit Vorschläge und hat dort Gaststatus. Was schlagen Sie diesmal vor?
Foroutan: Eben diese Konzentration auf religionsrechtliche Fragen. Die DIK hat Symbolkraft und Aufmerksamkeit. Wenn sie die nutzen würde für die klare Aussage: Wir wollen die Gleichstellung des Islam – dann könnte das auch einigen Verantwortlichen in den Ländern die Angst nehmen. Alles andere – zum Beispiel Integrations- und Sicherheitspolitik, die ja die DIK in den letzten Jahren dominierten - sollte in eine Enquetekommission des Bundestags, damit diese Themen mit Blick auf die gesamte Gesellschaft diskutiert werden und nicht nur auf Muslime. Es ist auffallend, wie viele dieser Kommissionen es schon gab – aber nie zum Thema Einwanderungsgesellschaft.
Sie sprachen über Symbole in der Politik. Warum sind die wichtig?
Foroutan: Weil Politik auch darüber läuft. Viele der jungen Leute, die sich bei uns bewerben, beziehen sich auf Sätze wie den des früheren Bundespräsidenten Wulff, der Islam gehöre auch zu Deutschland. Daraus folgt zunächst nicht viel, aber als Anerkennungsgeste war dieser Satz sehr wichtig. Kanada und die USA haben das vor Jahrzehnten vorgemacht: Während der Rassenunruhen der 60er Jahre entwickelten die USA die Formeln vom "Schmelztiegel" und der "Nation von Migranten" – Verwaltungsakte, die zu Gründungsmythen wurden.
In Kanada hat das Credo "Unity in Diversity" ("Einheit in Verschiedenheit") über 30, 40 Jahre die Gesellschaft geformt. Wir haben stattdessen für unsere Einwanderungsgesellschaft den Satz "Multikulti ist gescheitert". Das soll die Enquete-Kommission ändern.
Kann die Junge Islamkonferenz da etwas ändern?
Foroutan: Jedenfalls ist eine große Energie da und ein junger selbstverständlicherer Blick auf ein plurales Deutschland. Wir an der Universität können hier unser wissenschaftliches Knowhow zur Verfügung stellen. Das wird dann von der Stiftung Mercator gemeinsam mit den jungen Teilnehmern aus der Konferenz sehr breit weiter kommuniziert, über soziale Netzwerke, Freunde, Familien, Schulen.
So wird die JIK auch von der Bundesebene auf die Länderebene ausgeweitet – das empfehlen wir übrigens auch der DIK. Als erstes Land wird Berlin starten. Das war auch eine Lehre aus Sarrazin: Wir müssen breiter kommunizieren, um die Leute abzuholen. Wir hatten eine Million Daten gegen das Buch, aber kaum jemand nutzte sie. Die Junge Islamkonferenz hat sich als sehr aktives und engagiertes Kommunikationstool erwiesen – das ist für uns als Wissenschaftler auch eine neue Form, unser Wissen weiterzugeben.
Interview: Andrea Dernbach
© Tagesspiegel 2013
Naika Foroutan forscht an der Humboldt-Universität über muslimisch-europäische Identitäten und organisiert die Junge Islamkonferenz.
Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de