“Wir wollten keinen Migranten-Brad-Pitt”

Toleranz und die Gemeinsamkeiten der Religionen sind das Markenzeichen der Kinokomödie "Alles Koscher". Julia Grosse hat sich mit dem britisch-iranischen Schauspieler und Stand-Up-Comedian Omid Djalili über seine Hauptrolle im Film unterhalten.

Von Julia Grosse

Der Londoner Drehbuchautor David Baddiel hat Sie als Komiker gesehen und die Rolle des Mahmud Nasir im Grunde auf Sie zugeschneidert. Haben Sie und die Hauptfigur tatsächlich Ähnlichkeiten?

Omid Djalili: Das zumindest glaubt David! Er sah in Mahmud hundertprozentig mich: Ein nicht besonders cleverer Zweite-Generation-Migranten-Moslem aus England, der Fußball liebt und ständig "Fuck" sagt. Ich sei das Bild des perfekten, britischen "Lad". Dabei bin ich das gar nicht, und David war fast enttäuscht, als ich ihm sagte, dass ich im wirklichen Leben gar nicht so viel fluche!

Ist die Hauptfigur an sich denn authentisch?


Djalili: Absolut. Es war uns extrem wichtig, dass Mahmud kein Migranten-Brad-Pitt wird.

'Alles Koscher' Film Poster; Quelle: Central Film
Bissig, frech und fernab des Comedy-Mainstreams: Der Film "Alles koscher" mit Omid Djalili (Regie: David Baddiel) läuft derzeit auch in deutschen Kinos an.

​​Er sollte auch physisch normal und glaubwürdig wirken: etwas übergewichtig, nicht umwerfend attraktiv. Eben der typische britische Jedermann, und das kann im zeitgenössischen England ja längst jeder sein! Ein Pakistani ebenso sein wie ein Jude oder Iraner. Britisch ist nicht gleich weiß-britisch. Der Film ist nicht zuletzt auch ein sehr schönes Portrait über London.

Glauben Sie an Multikulturalismus in London?

Djalili: Natürlich sind viele Gegenden der Stadt sehr durch ihre Kulturen geprägt. Jamaikanische Briten in Brixton, im Osten leben sehr viele Bengalen. Und es gibt tatsächlich auch nach wie vor Stadtteile, die sehr weiß sind. Dennoch "stört" es niemanden, wenn in einer eher weißen, besseren Gegend plötzlich eine pakistanische Familie lebt. Sie wird toleriert und genau hier liegt vielleicht das Problem: Tolerieren bedeutet nicht respektieren. Und genau diese Tendenz widerspricht einer Idee von Multikulturalismus. Das ist schade, aber wahr.

Mahmud erfährt, dass seine Wurzeln jüdisch sind und befindet sich plötzlich zwischen den Religionen und Glaubensansichten. Welche Rolle spielt Religion im Film?

Djalili: Mahmud steht zu seiner Religion wie viele Zweite-Generation-Muslime: Sie haben im Grunde keine Ahnung von ihrem traditionellen Glauben. Sie sehen den Glauben wie einen Stamm an, den sie verteidigen müssen, doch sie sind nicht informiert. Mahmud beginnt den Islam zu verstehen, als er gegen Ende des Films beginnt zu lesen. Erst durch das Wissen, was er über seinen Glauben erlangt, kann er wirklich loslassen, verliert diesen moralischen Druck.

Mahmud (Omid Djalili, r.) bereitet sich bei Lenny (Richard Schiff, l.) auf den Besuch einer Bar Mitzwa vor; Quelle: Central Film
Bevor er mit seinem leiblichen jüdischen Vater Kontakt aufnehmen kann, muss sich Djalili in die jüdische Kultur einleben und bekommt einen Schnellkurs von seinem jüdischen Nachbarn, Taxifahrer Lenny Goldberg.

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Also gibt es für die "Mainstream"-Kinogänger eine richtige Moral der Geschicht’?

Djalili: Die Botschaft ist recht einfach: Wenn man sich die Entwicklung der Menschen vorstellt wie einen langen Lebensweg, stecken wir gerade tief in der turbulenten Pubertät, mit Pickeln, verwirrt sein und alldem: Wir sind noch lange nicht erwachsen, es gibt nach wie vor Ignoranz, Kriege, Ungerechtigkeit. Und eines der Hauptthemen, mit denen wir immer noch überhaupt nicht weiterkommen, ist die Einheit der Religionen: Leute verstehen immer noch nicht, dass es, falls Gott existiert, nur einen gibt! Wir sind Eins mit einer Religion. Um diesen Gedanken geht es auf eine Art auch im Film. Und das, obwohl Drehbuchautor David Baddiel bekennender Atheist ist!

Sie sind britisch-iranisch und in England aufgewachsen. Warum spielt Identität in Ihrer Show und den Stand-Up-Auftritten so oft eine Rolle?

Djalili: Weil Identität, besonders verstärkt durch die iranische Revolution, etwas war, womit ich extreme Probleme hatte. Als die Revolution begann, war ich ein Teenager und für ungefähr sechs Wochen war der Iran täglich in den britischen Nachrichten. Das hat mich ziemlich geprägt, denn auf meiner Schule war ich ich so ziemlich der unattraktivste Junge, den man sich vorstellen kann: aus einem schrägen Land, das einen Schah hat und mitten in einer Revolution steckt.

Dabei war ich gar kein Muslim, sondern ein Bahai, was eigentlich eine ziemlich cooler Glaube ist, denn er steht für die Einheit der Menschheit! Doch ich war der Außenseiter und diese Erfahrung und Fragen nach Kultur, Religion und Migration haben mich seitdem als Komödiant stets begleitet.

Glauben Sie denn an Humor als bestes Mittel, um den Leuten etwas klarzumachen?

Djalili: Auf jeden Fall. Wenn man einen Punkt deutlich machen will, ist Humor das perfekte Werkzeug, denn sobald Leute lachen, haben sie kapiert, was du ihnen sagen willst. Und das klappt mit Humor so viel besser, als mit belehrendem Gerede.

Filmszene aus Alles Koscher; Quelle: Central Film
Omid Djalili, 45, ist ein erfolgreicher, britisch-iranischer Schauspieler und Stand-Up-Comedian. Der in London geborene Sohn eines iranischen Reporters und einer britischen Modeschöpferin studierte Englisch und Theaterwissenschaften und begann bereits früh mit Stand-Up-Comedy. Seine legendäre BBC-Serie "The Omid Djalili Show" wurde auch im deutschen Fernsehen ausgestrahlt.

​​Neulich habe ich im Fernsehen eine dieser amerikanischen Prediger-Shows gesehen. Diese Typen sind inzwischen wie Stand-Up-Comedians! Sie benutzen Humor, weil die Leute es lieben und sich sofort wohl fühlen. Motto: "Hey, folks, es gibt da da diese witzige Geschichte über Gott…!"

In der letzten Szene unterhalten sich Mahmud und sein jüdischer Kumpel Lenny derbe über die "jüdische Nase". Wurden am Set eigentlich viele Ausländerwitze gerissen?

Djalili: Ehrlich gesagt, schon! Man kommt wohl in so einen überdrehten Fluss, doch nach bereits einer Woche sind uns die Witze tatsächlich schon ausgegangen! Wir wollten diese Nasen-Szene am Schluss bringen, um zu zeigen, dass eine Art kultureller Konflikt zwischen den beiden weitergeht und dass sie auf eine abstrakte Art der Freude daran haben, sich in dieses extrem besetzte Nasen-Thema völlig reinzusteigern!

In einer Szene, kurz nachdem Sie ihre jüdische Herkunft herausgefunden haben, sitzen Sie wie ein nacktes Pin-Up auf einem glamourösen David-Stern. In Deutschland wäre so eine Art von Humor undenkbar. Warum dürfen Briten so etwas?

Djalili: Natürlich sind solche Szenen auch hier delikat, auch wenn wir eine andere Vergangenheit haben als die Deutschen. Doch davon abgesehen sind wir natürlich so "großmäulig", weil wir auf eine extrem lange Geschichte des Humors zurückblicken können. Das macht selbstbewusst. Wir sind bekannt für die bösen, schmerzhaften Witze. Und wenn man einmal diesen lang antrainierten Ruf hat, geht man viel größere Risiken ein.

Dennoch hatten Sie bei der Finanzierung zunächst Probleme…

Djalili: Auf jeden Fall. Das Geld kam aus privaten Mitteln, weil die BBC nicht mehr wollte! Ich habe selbst mit dem Leiter von BBC Films geredet, den ich vor zwölf Jahren noch als kleinen Laufburschen kannte! Er sagte, ihm gefalle das Skript nicht, es sei nicht lustig. Ob das der wahre Grund ist, oder ihm die Thematik einfach zu riskant war, weiß ich nicht…

Wie waren denn die Reaktionen der britischen Zuschauer?

Djalili: Das Interessante: die muslimischen und jüdischen Kinogänger und Medien haben den Film geliebt! Nur die Reaktionen der weißen Briten waren zum Teil verhalten.

Stand denen die eigene politische Korrektheit im Wege?

Djalili: Es wirkte, als würden sie sich selbst verbieten, zu lachen. Motto: "Uuups, Humor zum Thema Religion und jüdische Kultur ist uns doch ein wenig zu heiß."

Sie kriegen regelmäßig Angebote aus Hollywood. Wie stereotyp werden Sie da kategorisiert?

Djalili: Hollywoods Vorstellungen irritieren mich. Neulich rief mein Agent an: NBC will eine Show mit dir machen. Die Idee: Komischer Moslem stößt auf irgendeinen Weißen und beide erleben superlustige Dinge... Meine Reaktion darauf war: Soll das ein Witz sein? Wo ist das Konzept? Das bemerke ich momentan häufig. Hollywood will "muslimische Typen", doch sie haben keinen Plan, was sie eigentlich mit ihnen anfangen sollen, was für eine Geschichte sie erzählen wollen.

In "Sex and the City 2" waren Sie immerhin der arabische Hoteldirektor. . .!

Djalili: Eine Minirolle! Dennoch war das Drehbuch die ganze Zeit so supergeheim, dass ich bis zu meiner Ankunft am Set nur wusste, dass ich einen Dubai-Hoteldirektor spielen würde. Ich kam an, bekam meine Zeilen und das war's. Aber das war absolut in Ordnung, denn ich liebe "Sex and the City"!

Interview: Julia Grosse

© Qantara.de 2011

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de