"Halal" für jedermann

Eigentlich sind die islamischen Speiseregeln nicht besonders kompliziert: Kein Alkohol, keine Schweineprodukte, und Rind oder Lamm müssen geschächtet, also ausgeblutet werden, damit das Fleisch als "Halal", als rituell rein gilt und gegessen werden darf.
Aber selbst bei Produkten, die einen "Halal"-Aufkleber tragen, sind sich viele Verbraucher unsicher. Sie fragen lieber noch mal nach und kaufen nur in Supermärkten, denen sie vertrauen.
In Deutschland war das Schächten bis vor kurzem grundsätzlich aus Tierschutzgründen verboten und darf auch heute nur unter Sonderbedingungen praktiziert werden. Nach einem neueren Urteil des Bundesverfassungsgerichtes werden Ausnahmegenehmigungen erteilt. Das Schächten muss allerdings von einer sachkundigen Person in einem zugelassenen und registrierten Schlachtbetrieb erfolgen.
"Die Vorschriften sind mit dem Tierschutz konform"
Dennoch gibt es bei der Tötung der Tiere weiterhin offene Fragen über Feinheiten bei der Verfahrensweise, sagt Ahmet Yazici vom Bündnis für islamische Gemeinden in Deutschland. Er sitzt in einer Kommission, die Tierschützer, islamische Geistliche und Fleischproduzenten an einem Tisch zusammenbringt. Bei Lamm, Hähnchen und Pute gibt es keine Probleme, nur beim Rind streite man sich noch um die erlaubten Betäubungsmethoden, so Yazici weiter.
"Wir unterhalten uns jetzt gerade über die Bolzenschussmethode. Ob die islamisch ist oder nicht", sagt Yazici. Im Grunde seien die Speisevorschriften für die Muslime aber mit dem Tierschutz durchaus konform.
"Halal"-Stempel und Hotline
Auf das Betreiben Yazicis und anderer gläubiger Muslime hin hat das Bündnis Islamischer Gemeinden in Norddeutschland vor rund sechs Jahren ein "Halal"-Zertifikat entwickelt. Daran können sich Muslime beim Einkaufen orientieren.
Neben dem vom "Europäischen Halal-Zertifizierungsinstituts" vergebenen "Halal"-Stempel bietet das Institut eine Hotline an, bei der man sich nochmals genauer über das jeweilige Produkt informieren kann, so Yazici.
Yusuf Calkara ist der Geschäftsführer des Europäischen Halal-Zertifizierungsinstituts, das finanziell und organisatorisch dem Islamrat der Bundesrepublik sowie dem Bündnis islamischer Gemeinden in Norddeutschland untersteht. Das Institut prüft kostenlos auf Nachfragen der Kunden oder gibt in eigener Regie bei Lebensmittelinstituten Gutachten in Auftrag.
Allerdings ist das europäische "Halal"-Siegel bei weitem nicht das einzige. Und je mehr Zertifizierungsstellen hinzukommen, desto unglaubwürdiger wird jedes einzelne Zertifikat. Zumal sogar einige Nahrungsmittelkonzerne ihren eigenen "Halal"-Stempel entworfen haben.
Schweinerückstände in der Nahrung
Ein weiteres Problem neben leicht vermeidbaren "Kleinigkeiten" wie Alkohol in Pralinen, sind für Muslime Schweinerückstände in Form von Gelatine. Nach den BSE-Skandalen wird in Europa Gelatine mit Bestandteilen aus Schweinfleisch hergestellt: Eine Schwierigkeit für Muslime, denn dieses Produkt wird für viele Lebensmittel verwendet.
Häufig taucht Gelatine versteckt in Nahrungsmitteln, wie z.B. in Gewürzmischungen auf, was gläubige Muslime verunsichert. Außerdem finden sich Rückstände von Gelatine und nicht selten auch von Alkohol in Hustensaft und Tabletten. Aber auf Medikamente lässt sich schlecht verzichten.
Das Problem lässt sich also nur mit islamischer Gelassenheit umgehen. Wer aus Versehen Schweinefett isst, der sei vor Gott ohnehin entlastet, sagen muslimische Geistliche.
Viele betonen aber auch, dass jeder Gläubige sich so gut wie möglich informieren muss. Den meisten ist das auf Dauer zu anstrengend und sie finden einen guten Mittelweg: Jeder ernährt sich so "Halal" er kann.
Ute Hempelmann
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