Grelle Blitze im Schattenkrieg

Die jüngsten israelischen Luftschläge auf Militäreinrichtungen bei Damaskus werfen ein Schlaglicht auf den israelisch-iranischen Konflikt in der Region: Israel will auf syrischem Boden den Iran und die Hizbullah bekämpfen. Einschätzungen von Stefan Buchen

Von Stefan Buchen

Innerhalb von 48 Stunden gab es in der Nähe von Damaskus zwei gewaltige Detonationen. Augenzeugen berichten, dass vor allem die zweite Explosionsserie am frühen Sonntagmorgen an Wucht und Lautstärke alles bisher im Syrienkrieg Erlebte übertraf.

Sowohl die physischen Ziele als auch der strategische Sinn der Luftangriffe bleiben zunächst im Unklaren. Nach all den Verlautbarungen westlicher Geheimdienstkreise, israelischer Militärexperten und der syrischen Kriegsparteien bestreitet jedoch niemand: Israel hatte zweimal auf syrischem Boden militärisch zugeschlagen.

Die New York Times und andere Medien rätseln, ob Israel nun in den Krieg in Syrien eingreifen wolle. Genau in diese Richtung versucht der syrische Vize-Verteidigungsminister die internationalen Deutungen zu lenken, wenn er die Angriffe verurteilt, von einer "Kriegserklärung Israels" spricht und behauptet, Israel unterstütze die islamistischen Rebellen gegen die Regierung Assad.

Syrien – Schlachtfeld des sunnitisch-schiitischen Antagonismus

Der syrische Informationsminister Omran Soabi; Foto: Reuters
Verbale Drohgebärden aus Damaskus: Der israelische Luftangriff eröffne eine "Tür zu allen Möglichkeiten", erklärte Informationsminister Omran Soabi nach einer Sondersitzung des syrischen Kabinetts.

​​Will Israel in den Krieg zwischen dem syrischen Regime und der bewaffneten, sunnitisch dominierten Opposition eingreifen? Erhebliche Zweifel sind angebracht. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die syrischen Kriegsparteien sich regelmäßig gegenseitig beschuldigen, gemeinsame Sache mit Israel zu machen. Während die Rauchschwaden der Bombardements vom Wochenende sich allmählich verziehen, wird der Blick frei auf die eigentlichen Gründe für die zerstörerischen Attacken aus der Luft.

Israels regionalstrategische Agenda wird nicht vom Krieg in Syrien, sondern von der eigenen Konfrontation mit dem Iran bestimmt. Zwischen Israel und der Islamischen Republik schwelt seit Jahren ein unerklärter Krieg, der meist im Dunkeln stattfindet und nur hin und wieder für alle sichtbar aufblitzt wie am Wochenende bei Damaskus. Die einzelnen Blitze liegen zeitlich und räumlich weit auseinander, so dass sich die Öffentlichkeit schwer tut, sie in einen großen Zusammenhang zu bringen.

Das israelische Militär hat offenbar Waffentransporte bzw. –lager angegriffen. Man darf vermuten, dass die Waffen aus dem Iran stammen, auf syrischem Boden zwischengelagert worden waren und für die schiitische Hizbullah-Miliz im Libanon bestimmt waren.

Wenn die Meldungen zutreffen, dass es sich dabei um Mittelstreckenraketen vom Typ "Fateh 110" mit einer Reichweite von bis zu 300 km handelt, ergibt ihre Verwendung im syrischen Krieg wenig Sinn. Hizbullah-Chef Hasan Nasrallah hat zwar eingeräumt, dass seine Miliz auf der Seite des Assad-Regimes in Syrien kämpft.

Aber Fateh-Raketen eignen sich nicht für den Krieg von Dorf zu Dorf und von Straßenschlucht zu Straßenschlucht. Diese Raketen dienen zur Abschreckung, und im Eskalationsfall, zur Vergeltung gegen Israel. Vom Südlibanon aus können sie Tel Aviv erreichen.

Solange das Assad-Regime unangefochten und stabil war, hat die Hizbullah einen Teil ihrer Raketenarsenale auf syrischem Boden gehortet. Im Land des Verbündeten hielt die Schiitenmiliz ihre Waffen für sicherer als im Libanon, wo sie von gegnerischen Milizen, von den UN-Inspektoren oder von den Israelis leichter aufgespürt und beschlagnahmt bzw. zerstört werden konnten.

Seit Beginn des bewaffneten Aufstandes gegen das Assad-Regime vor knapp zwei Jahren hat sich die Einschätzung der Hizbullah und ihrer iranischen Ausrüster gewandelt. Sie befürchten, dass die Raketenarsenale in Syrien in die Hände der sunnitischen Rebellen fallen könnten. Deshalb hat die Hizbullah bereits im Sommer 2011 damit begonnen, Teile dieser strategischen Reserve in den Libanon zu verlagern.

Die Achse Teheran-Damaskus-Hizbullah

Der große Zusammenhang der israelisch-iranischen Konfrontation entfaltet sich seit der Revolution im Iran von 1979. Seitdem sieht sich Israel von der Islamischen Republik bedroht.

Hizbullah-Chef Hassan Nasrallah in Beirut; Foto: Reuters
Israel ein Dorn im Auge: Während man Khomeinis Verheißungen in den 1980er Jahren, seine Truppen würden nicht nur Kerbela im Irak erobern, sondern bis nach Jerusalem marschieren, noch als blumige schiitische Kampflyrik abtun konnte, bedeutete die Gründung der Hizbullah im Libanon eine handfeste militärische Konfrontation.

​​Während man Khomeinis Verheißungen in den 1980er Jahren, seine Truppen würden nicht nur Kerbela im Irak erobern, sondern bis nach Jerusalem marschieren, noch als blumige schiitische Kampflyrik abtun konnte, bedeutete die Gründung der Hizbullah im Libanon mit iranischer Hilfe und deren Zermürbungskrieg gegen die israelischen Besatzungstruppen im Zedernstaat eine handfeste militärische Konfrontation. Seitdem spricht Israel von der "Achse Teheran-Damaskus-Hizbullah".

Hinzu kam seit Mitte der 1990er Jahre die iranische Unterstützung der palästinensischen Hamas und das iranische Nuklearprogramm, das aus israelischer Sicht dem eigentlichen Zweck dient, eine Atombombe zu entwickeln. Israel befürchtet, dass sein Nuklearwaffenmonopol im Mittleren Osten von Iran gebrochen werden und dass so ein Gleichgewicht des Schreckens in der Region entstehen könnte. Der israelische Regierungschef Netanjahu hatte immer wieder gedroht, das iranische Atomprogramm notfalls manu militari zu stoppen.

Die Machthaber im Iran beanspruchen für sich, effektiver als jedes andere islamische Land die historische Konfrontation mit Israel als "imperialistischem Fremdkörper in der Region" zu führen. Aus diesem Anspruch schöpfen sie grenzüberschreitendes politisches Prestige und Sendungsbewusstsein als regionale Macht. Die sunnitischen Golfmonarchien wollen sie so in den Schatten stellen.

Den inzwischen gescheiterten Versuch, auf der Grundlage eines israelisch-palästinensischen Friedens einen "Neuen Mittleren Osten" zu schaffen, hat der iranische Revolutionsführer Khamenei immer als bösen Plan aufgefasst, die Islamische Republik im Machtgefüge des Mittleren Ostens zu marginalisieren. Deshalb hat er den Friedensprozess immer verbissen bekämpft und das Bündnis mit dem Regime in Damaskus und mit der Hizbullah beharrlich ausgebaut.

Israelisch-iranischer Schattenkrieg

Stefan Buchen; Foto: NDR
Stefan Buchen arbeitet als Fernsehjournalist für das Politikmagazin Panorama. Er ist Autor der ARD-Dokumentation "Die Lügen vom Dienst – der BND und der Irakkrieg".

​​Iranische Waffenlieferungen an die Hizbullah sind ebenso Akte in diesem Schattenkrieg wie die israelischen Versuche, diese Transporte gewaltsam zu stoppen. Die israelischen Luftangriffe vom Wochenende folgen derselben Logik wie die Attacke gegen einen Wüstenkonvoi im Sudan Anfang 2009, der iranische Waffen über Ägypten in den Gazastreifen zur Hamas transportieren sollte.

Das Vorgehen Israels scheint auch auf andere Weise blitzartig auf: bei Cyberattacken mit Computerviren, die iranische Atomanlagen lahmlegen, und bei Mordanschlägen auf iranische Atomwissenschaftler. Und der Iran schlägt zurück, aus dem Verborgenen, aber mit erkennbarer Handschrift. So ist kaum noch zu bestreiten, dass das tödliche Attentat auf israelische Touristen vergangenen Juli im bulgarischen Burgas auf das Konto der Hizbullah geht. Ein iranischer Auftrag für das Attentat ist somit wahrscheinlich.

Während Israel sein strategisches Bündnis mit Aserbaidschan ausbaut, wirbt Iran um die Gunst der neuen, postrevolutionären Führung in Ägypten. Irgendwann könnte dieser unerklärte Schattenkrieg in einen offenen Krieg zwischen Israel und Iran münden.

Der Aufstand in Syrien gegen das Assad-Regime wird also jetzt schon von zwei regionalen Konflikten überlagert. In beiden spielt der Iran eine entscheidende Rolle.

Zunächst hat sich der Syrienkrieg konfessionalisiert – das Land ist zu einem neuen Schlachtfeld des sunnitisch-schiitischen Antagonismus geworden, in dem der Iran und Saudi-Arabien als verfeindete Drahtzieher fungieren. Und seit den jüngsten israelischen Luftangriffen trägt Israel seine Konfrontation mit dem Iran auch auf syrischem Boden aus.

Stefan Buchen

© Qantara.de 2013

Redaktion: Arian Fariborz/Qantara.de