Immer schön bedeckt halten

Auch in Marokko drängen zunehmend Frauen auf den Arbeitsmarkt – auch solche, die ein Kopftuch tragen. Ein ungeschriebenes Gesetz sondert Kopftuchträgerinnen in Radio- und Fernsehanstalten aus.

Von Siham Ouchtou

Nicht wenige Marokkanerinnen tragen ein Kopftuch, wobei ihre Anzahl in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen hat. Dies widerspiegelt sich auch auf dem Arbeitsmarkt und insbesondere in den Medien, wo ebenfalls vermehrt Frauen mit Kopftuch tätig sind. Manche von ihnen trugen das Kopftuch bereits zu Beginn ihres Berufslebens, andere dagegen entschieden sich erst später dazu. Sie alle jedoch zahlen einen hohen Preis dafür, insbesondere in den Radio- und Fernseh-Anstalten.

Halima Abrouk ist eine von ihnen. Die Journalistin bei einer marokkanischen Zeitung und Absolventin einer marokkanischen Journalistenschule wollte ursprünglich für das Radio oder Fernsehen arbeiten, wie sie im Gespräch mit Qantara.de verrät: "Ich hoffte, im Bereich der audiovisuellen Medien unterzukommen. Doch nach meinem Abschluss wurde mir rasch und schmerzhaft klar, dass dies als Kopftuchträgerin nur schwer oder gar nicht möglich ist. Dies gilt insbesondere für das Fernsehen, wo, mit Ausnahme einiger weniger Arbeitsfelder im Bereich Redaktion, gar keine Kopftuchträgerinnen beschäftigt werden. Auf Sendung gehen sie jedenfalls ganz bestimmt nicht."

Nachdem Abrouk die Hoffnung auf einen Job in ihrer Wunschbranche begraben musste, wandte sie sich notgedrungen den Printmedien zu, wo, so sagt sie, Kopftuchträgerinnen uneingeschränkt tätig sein können. Den unmittelbaren Grund für die Weigerung, Kopftuchträgerinnen zu beschäftigen, kennt Abrouk gerade, was das Radio angeht, bis heute nicht.

Frauengruppe beim Unterricht in Marokko; Foto: DW/KfW Bildarchive
Laizismus im islamischen Marokko: Die Mehrheit der Frauen in Marokko dürfte ein Kopftuch tragen. Dennoch sind diese in den Medien unterrepräsentiert. Selbst als Radiosprecherinnen, wo man sie nicht sieht, werden sie nicht beschäftigt.

​​"Die Weigerung, kopftuchtragende Sprecherinnen oder Moderatorinnen über den Sender gehen zu lassen, mag sich für das Fernsehen ja noch damit rechtfertigen lassen, dass kein bestimmtes ideologisches Klischee verbreitet werden soll. Aber für den Rundfunk ist eine derartige Haltung völlig unverständlich, sind doch die Frauen gar nicht zu sehen und den Zuhörern ihr Aussehen damit unbekannt."

Abrouk erläutert, dass nur selten ein marokkanischer Radiosender Kopftuchträgerinnen einstellt, ganz gleich wie qualifiziert diese auch immer sein mögen. Das Aussehen gehe nicht selten zu Lasten der Kompetenz.

Abrouk weiter: "Selbst wenn welche von uns eingestellt werden, bleibt deren Zahl begrenzt, mehr so als Quotenalibi. Es wäre völlig undenkbar, dass auch nur die Hälfte aller Journalistinnen Kopftuch tragen würde." Zu der Begründung, dass Kopftuchträgerinnen aus Furcht vor der Verbreitung eines bestimmten religiösen Images nicht im Fernsehen auftreten dürfen, meint Abrouk: "Das ist ein fadenscheiniges Argument, in einem muslimischen Land wie Marokko würde doch gar nichts dagegen sprechen."

Und: "Nicht jede, die ein Kopftuch trägt, vertritt damit doch zwangsläufig auch eine bestimmte Ideologie. Aber die Entscheidungsträger in den Medien urteilen nur nach dem äußeren Schein, selbst wenn die Betreffende inhaltlich voll mit ihnen auf einer Linie liegt."

Laizismus in marokkanischen Medien

Zwar gibt es kein marokkanisches Gesetz, dass die Beschäftigung von Kopftuchträgerinnen in marokkanischen Medieninstitutionen verbieten würde, doch dies hat sich diese Praxis mittlerweile soweit eingebürgert, dass alle wissen: Kopftuchträgerinnen haben im marokkanischen Fernsehen keinen Platz. Außer in explizit religiösen Sendungen waren noch nie kopftuchtragende Moderatorinnen oder Sprecherinnen im Fernsehen zu sehen.

Und obwohl es also nur dieses ungeschriebene Gesetz gibt, hört man hin und wieder öffentlich vorgetragene Klagen von marokkanischen Medienschaffenden darüber, dass sie in Rundfunk und Fernsehen nur deshalb nicht beschäftigt werden, weil sie Kopftuch tragen. Selbst bekannte Frauen in den Medien verschwanden nur deshalb von der Bildfläche, weil sie sich für das Kopftuch entschieden und es wurden sogar Journalistinnen lediglich deswegen entlassen.

Marokkanische Anführerin bei Protesten vom 20. Februar; Foto: DW
Marokkanische Anführerin bei Protesten vom 20. Februar: Die betroffenen Journalistinnen schweigen bisher, selbst prominente Fernseh-Moderatorinnen, die aufgrund ihrer Bekleidung entlassen wurden.

​​Mustafa al-Ramid, führendes Mitglied der oppositionellen islamistischen Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, meint im Gespräch mit Qantara.de: "Die Gründe hierfür sind ganz einfach darin zu suchen, dass die Verantwortlichen im marokkanischen Fernsehen der laizistischen französischen Denkschule anhängen, die es ablehnt, religiöse Symbole in den Medien sichtbar werden zu lassen. Damit reicht es dann aus, dass eine Journalistin Kopftuch trägt, um sie aus dem Programm zu nehmen." Und laut al-Ramid gilt dies auch dann, wenn die Betreffende eindeutig qualifiziert ist.

Obwohl es demnach kein Gesetz gibt, dass die Tätigkeit von Kopftuchträgerinnen im marokkanischen Fernsehen verbietet, haben doch "die Einflussreichen ihre eigenen Regeln und brauchen kein Gesetz, um sich zu rechtfertigen. Sie nutzen einfach ihre Macht und ihre Kompetenzen. Bedauerlicherweise leben wir nicht in einem so demokratischen Staat, dass solch willkürliches Handeln nicht vorkommen könnte."

Dies werde, so al-Ramid, durch das Schweigen der betroffenen Journalistinnen noch weiter verstärkt, denn diese wendeten sich weder an die Medien noch an die Justiz, um gegen die Verantwortlichen vorzugehen, was letzteren wiederum die Umsetzung und Akzeptanz derartiger Entscheidungen erleichtere.

Zu den Schritten, die seine Partei als Partei islamischer Wertegrundlage hierzu unternimmt, gibt al-Ramid an, das Thema sei Gegenstand von Gesprächen zwischen seiner Partei und der Regierung: "Doch leider wird alles, was wir vorbringen, rundheraus verworfen, da die Betroffenen selbst nur schweigen und sich nicht öffentlich zu ihren Erfahrungen äußern, so dass wir gegenüber den zuständigen Stellen keine Beweise ins Feld führen können."

Ein politisch-ideologischer Konflikt?

Die Gegner der Beschäftigung von Kopftuchträgerinnen im marokkanischen Fernsehen gründen ihre Haltung auf Befürchtungen, dass ein religiös ausgerichtetes Image auf die Medienanstalt, in der die Betreffende beschäftigt sei, abfärben könne oder dass eine kopftuchtragende Sprecherin, die tagtäglich ein Millionenpublikum erreicht, damit eine verschleierte ideologische Botschaft senden könnte.

Frau und Mann geben ihre Stimmen bei den marokkanischen Wahlen ab; Foto: DW/Moustapha Houbiss
Kritiker wie der marokkanische Publizist Aziz Bakoush meinen: "Das Kopftuch lässt die Journalistin introvertiert und scheu erscheinen und transportiert ein völlig unklar-verworrenes Emotionsgemenge."

​​Der marokkanischer Publizist Aziz Bakoush meint, dass kopftuchtragende Frauen den marokkanischen Medien nichts Nennenswertes gebracht hätten, sondern im Gegenteil: "Das Kopftuch lässt die Journalistin introvertiert und scheu erscheinen und transportiert ein völlig unklar-verworrenes Emotionsgemenge, so dass ein entspannter Umgang damit gar nicht mehr möglich ist."

Bakoush fügt hinzu, dass eine Journalistin ihre Identität ja nicht ablege, indem sie kein Kopftuch trage, sondern dass dies Ausdruck der gesellschaftlich gewollten weltlichen Modernität sei. Marokko sei zwar einerseits ein islamisches Land, andererseits jedoch ein moderner, weltlicher Staat. "Jedes Land hat ein bestimmten Diskurs, den es vermitteln will, und Prinzessin Lalla Salma, Gattin des marokkanischen Königs Muhammad VI., der ja auch den Titel 'Herrscher der Gläubigen' trägt, tritt bei internationalen Anlässen ohne Kopftuch auf."

Für Bakoush personifizieren Kopftuchträgerinnen in den Medien eine durch bestimmte politische Umstände bedingte Ideologie. Dies gelte insbesondere seit dem Aufkommen von Satellitensendern, zuvorderst al-Jazeera. Bakoushs Fazit ist klar: "Für mich ist das Ganze ein politisch-ideologischer Konflikt, es gibt keine andere Erklärung dafür."

Siham Ouchtou

© Qantara.de 2011

Aus dem Arabischen von Nicola Abbas

Redaktion: Nimet Seker/Qantara.de