Die Geschichte zweier Staaten

Während Muslime in Europa häufig Enttäuschung über die Politik äußern und sich diskriminiert fühlen, sind die meisten US-Muslime gut ausgebildet, wohlhabend und politisch aktiv. Ein Vergleich.

Von Shada Islam

​​Muslime in Europa stehen erneut im Mittelpunkt. Denn der deutschen Polizei ist es gelungen, einen Terrorplan zunichte zu machen. Nur wenige Stunden zuvor hatte man auch in Dänemark muslimische Jugendliche wegen der Planung von Anschlägen verhaftet. Die vereitelten Autobombenanschläge in London und am Flughafen von Glasgow im Juni dieses Jahres sind uns auch noch alle im Gedächtnis.

Diese vereitelten Anschläge, die auf die Terrorwarnungen für britische Flughäfen im Sommer 2006 und auf die Anschläge auf das Londoner U-Bahnnetz 2005 folgten, veranlassten Premierminister Gordon Brown dazu, seinen Wählern härtere Kontrollen an den Grenzen zu versprechen und den kontrovers diskutierten Plan, Terrorverdächtige vorsorglich in Gewahrsam zu nehmen, erneut in Erwägung zu ziehen.

Isolierte junge Muslime in der EU

Brown versprach außerdem, extremistische Tendenzen unter jungen, zunehmend entfremdeten Muslimen auszumerzen – ein Vorhaben, das sich in Bemühungen in der gesamten EU widerspiegelt, wo man ebenfalls versucht, Gewaltbereitschaft und Radikalisierung unter jungen Muslimen entgegen zu wirken.

Brown und seinen Kollegen aus der EU steht ein hartes Stück Arbeit bevor. Während zwar die Mehrheit der schätzungsweise 20 Millionen europäischer Muslime voll integriert und rechtschaffen leben und nur wenig Verständnis für radikale Ansichten haben, sind andere enttäuscht und frustriert von der Politik, die sie an den Rand der Gesellschaft drängt.

Ein hoher Prozentsatz der europäischen Muslime stammt ursprünglich aus armen, meist ländlichen Verhältnissen und kam in den 1960er – und 70er Jahren nach Europa, um hier im Bergbau und in der Stahlverarbeitung tätig zu sein.

Ignoriert von Politik und Wirtschaftsfunktionären blieben sie am unteren Ende der sozialen Leiter stehen und begegneten täglicher Diskriminierung – auf dem Arbeitsmarkt ebenso wie auf dem Bildungs- und Wohnsektor.

Die Versäumnisse der europäischen Regierungen, diese Probleme anzugehen, die starken Antiterror-Maßnahmen und das Aufkommen verschiedener ausländerfeindlicher Parteien haben das Gefühl der Isolation und Entfremdung unter den Muslimen in Europa verstärkt.

Die Flucht der Muslime in konservative islamische Werte führt zu Reibereien mit Europas traditionell säkularem Liberalismus. In einigen Fällen helfen radikale, im muslimischen Ausland ausgebildete Imame nach, und der Nährboden für islamistischen Extremismus ist bereitet.

"Muster-Muslime" in Amerika

Europas missliche Lage erregt Besorgnis auf der anderen Seite des Atlantiks. Viele US-Politiker werfen Europa vor, die prekäre Sicherheitslage, die von der Radikalisierung junger Muslime ausgeht, zu ignorieren und schlagen vor, Europa solle von den etwa sieben Millionen Muslimen in den USA lernen, die – rein nach Bildungsstand und Einkommen gemessen – offenbar sehr viel integrierter sind als ihre europäischen Glaubensbrüder.

Selbstverständlich haben Muslime in Europa und den USA einige Gemeinsamkeiten, und ein transatlantischer Dialog zum Austausch über Integrationsmaßnahmen kann nur nützlich sein.

Dennoch haben amerikanische und europäische Muslime mit verschiedenen Herausforderungen und Problemen zu kämpfen, berücksichtig man ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Hintergründe sowie die sehr unterschiedlich zusammengesetzten Gemeinden in den USA und Europa.

Nach den schrecklichen Anschlägen des 11. September 2001 standen Muslime sowohl in Europa als auch den USA unter intensiver Beobachtung – ein Umstand, der die beiden Gemeinschaften miteinander verband.

Auf beiden Seiten des Atlantiks begegneten Muslime den Übergriffen misstrauischer Politiker, immer lauter werdenden öffentlichen Vorurteilen und der Kritik an ihrem Glauben als rückständig und repressiv. Dies wiederum führte unter den Muslimen dazu, dass man sich immer stärker auf eine "islamische Identität" berief.

Obgleich beide Gemeinden mit ähnlichen Problemen zu kämpfen hatten und haben, leben europäische und amerikanische Muslime in zwei völlig unterschiedlichen Welten. Die meisten US-Muslime sind gut ausgebildet, wohlhabend und politisch aktiv. "Sie sind besser gestellt als der durchschnittliche US-Bürger", stellt Philippa Storm vom "Woodrow Wilson International Center for Scholars" in Washington fest.

Nahezu 60 Prozent haben einen College-Abschluss, 52 Prozent verfügen über ein Einkommen von 50.000 US-Dollar oder mehr und 82 Prozent geben an, registrierte Wähler zu sein. Im Gegensatz dazu "gehören Muslime in Europa zur Unterschicht", so Jocelyn Cesari, eine Expertin für Islam in Europa.

Amerikas "Melting Pot" der Religionen

Kluge amerikanische Muslime sind ihren europäischen Glaubensbrüdern um Längen voraus, was sozialen Stand und politischen Einfluss angeht. Als Gemeinschaft wesentlich aktiver, beteiligen sie sich an oftmals hitzigen Debatten darüber, wie man den Islam und das moderne Amerika miteinander versöhnen kann. Aus diesem Aktivismus heraus sind sie besser gegen Diskriminierung gewappnet und werden als Minderheit mehr respektiert.

Die amerikanische Tradition, Einwanderer aufzunehmen, macht es der facettenreichen muslimischen Gemeinschaft – bestehend aus Arabern und Südasiaten, ebenso wie Konvertiten – einfacher, ein Teil des großen Schmelztiegels der Religionen in den USA zu werden.

Die europäischen Länder haben nach wie vor Schwierigkeiten damit, Einwanderer willkommen zu heißen, die es dann ihrerseits bevorzugen, ihren Muttersprachen und heimischen Gebräuchen treu zu bleiben und sich in kleinen Enklaven mit ihren Landsleuten zu verschanzen.

Für viele Muslime in den USA ist es einfacher, ihren Glauben zu leben als in Europa. Im Gegensatz zu Europa – dem traditionell säkularen Kontinent – geht man in den religiöseren USA lockerer mit öffentlichen Glaubensbekundungen und religiösen Symbolen wie Kopftüchern um, die in französischen Schulen und einigen öffentlichen Einrichtungen in Deutschland verboten sind.

Die Debatte über die Rolle der Frau im Islam, wie sie in den USA unter den Muslimen selbst stattfindet – wo einige Frauen gegen die Geschlechtertrennung in Moscheen kämpfen und mit religiös untermauerten Argumenten die Frauenrechte vorantreiben – muss in Europa noch ankommen.

Hassprediger in europäischen Moscheen

Bemerkenswerterweise zeigen amerikanische Muslime, meist angeführt von gemäßigten, bedächtigen Gemeindevorständen, wenig Verständnis für radikale religiöse Ansichten. Im Gegensatz dazu haben europäische Nachrichtendienste Moscheen – besonders in Frankreich, Holland und Großbritannien - als zentrale Orte für die Verbreitung islamistischen Gedankenguts und für die Rekrutierung von Terroristen ausgemacht.

Ein Problem besteht darin, dass die EU Saudi-Arabien und anderen konservativen Ländern gestattete, Moscheen in Europa zu bauen und Imame zu installieren. Es scheint Beweise zu geben, wonach Al-Qaida-Mitglieder in diesen Moscheen agiert haben sollen.

Wie eine aktuelle BBC-Studie zeigt, verfügt die Mehrheit der Imame in England nur über mangelhafte Englischkenntnisse und ist deshalb nicht in der Lage, eine Auslegung des Glaubens zu bieten, wie sie in eine aufgeklärte, demokratische Gesellschaft gehört.

In Anbetracht dieser Unterschiede behaupten europäische Politiker und Muslime in Europa oftmals, sie können das amerikanische Vorbild nur bedingt für sich nutzen. Amerikas Tradition vom Einwandererstaat kann nicht so einfach auf Europa übertragen werden.

Wie die derzeit hitzige Debatte über den EU-Beitritt der Türkei zeigt, wird wohl die Mehrheit der EU-Bürger ihre Angst vor dem Islam so schnell nicht verlieren.

Doch um weitere Isolation und Gewalt zu verhindern, müssen europäische Regierungen und Muslime in Europa den ausgetretenen Pfad verlassen und neue Wege zu einer besseren Integration suchen.

Shada Islam

Aus dem Englischen von Rasha Khayat

© Yale Global 2007

Shada Islam ist Mitarbeiterin des "European Policiy Center", einem unabhängigen europäischen Think Tank.

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